Missbrauch-Gutachten von München

Missbrauch-Gutachten von München erschüttert die katholische Kirche

Am 20. Januar 2022 wurde das Gutachten zum Missbrauch in der Erzdözese München und Freising veröffentlicht. Es belastet die Erzbischöfe Joseph Ratzinger / Papst Benedikt XVI., Friedrich Wetter und Reinhard Marx. Doch die Bedeutung des Gutachtens ist weit grösser. Die Schockwellen gehen quer durch die römisch-katholische Kirche und reichen bis in den Vatikan.

Eine Übersicht über häufig gestellte Fragen zum Gutachten finden Sie detailliert beantwortet auf der Webseite des Erzbistums München.

Wer hat was gewusst? Wer war involviert in Missbrauch und Vertuschung? Ein Gutachten dazu wurde am 20. Januar 2022 in München vorgestellt
Um was geht es?

Die Erzdiözese München und Freising hat im Februar 2020 ein neues externes Gutachten bei der Rechtsanwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl in Auftrag gegeben.

Der Bericht ist unter https://westpfahl-spilker.de/aktuelles veröffentlicht worden und benennt auch, ob Verantwortungsträger aus Sicht der Gutachter rechtliche Vorgaben sowie die Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz erfüllten und angemessen im Umgang mit Verdachtsfällen und möglichen Tätern handelten. Der Auftrag umfasst den Zeitraum von 1945 bis 2019. Grundlage des neuen Berichts sind neben dem 2010 erschienenen Bericht „Sexuelle und sonstige körperliche Übergriffe durch Priester, Diakone und sonstige pastorale Mitarbeiter im Verantwortungsbereich der Erzdiözese München und Freising in der Zeit von 1945 bis 2009. Bestandsaufnahme – Bewertung – Konsequenz“ alle neuen Hinweise auf sexuellen Missbrauch durch Kleriker und weitere hauptamtliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die seit 2010 bis Ende 2019 in den Verantwortungsbereich der Erzdiözese fallen. Der Bericht 2010 wurde ebenfalls von der Kanzlei WSW erstellt. (Erzbistum München)

Das Gutachten wird vorgestellt

Die Gutachter haben die Missbrauchstaten im Erzbistum München und Freising geprüft und dabei 235 mutmassliche Täter von 1945 bis 2019 ermittelt. Davon seien 173 Priester gewesen, sagte Anwalt Martin Pusch am Donnerstag, 20. Januar 2022, in München.

Die Zahl der Geschädigten liege bei 497. Davon seien 247 männliche Betroffene gewesen, 182 weiblich. Bei 68 Personen sei das Geschlecht nicht festzustellen gewesen. Dies bestätige, dass überwiegend männliche Kinder und Jugendliche betroffen gewesen seien.

Übergriffe gegen 8- bis 14-Jährige

Bei fast 60 Prozent von diesen seien die Taten im Alter zwischen 8 und 14 Jahren erfolgt. Bei den weiblichen Betroffenen gelte dies für ein Drittel der Personen. Die meisten Taten seien in den 1960er und 1970er Jahren begangen worden, so Pusch. Auffällig viele Tatvorwürfe seien von Betroffenen erst ab dem Jahr 2015 gemeldet worden. Der Anwalt betonte, bei diesen Zahlen handle es sich um das “Hellfeld”, das “Dunkelfeld” sei weitaus grösser.

43 Priester hätten sanktioniert werden sollen

67 Kleriker hätten laut Pusch aufgrund der “hohen Verdachtsdichte” aus Sicht der Anwälte eine kirchenrechtliche Sanktion verdient. In 43 Fällen sei jedoch eine solche unterblieben. 40 von ihnen seien weiter in der Seelsorge eingesetzt worden, darunter auch 18 Priester nach einer strafrechtlichen Verurteilung eines weltlichen Gerichts.

Opfer als Bedrohung für Kirche wahrgenommen

Pusch sagte, Geschädigte seien bis 2002 von den Kirchenverantwortlichen “so gut wie überhaupt nicht wahrgenommen worden”, falls doch, “dann nicht aufgrund des ihnen zugefügten Leids, sondern weil man sie als Bedrohung für die Institution sah”. (kna)

Rückmeldungen aus Kirche und Politik
Doris Reisinger-Wagner an der Jahrestagung der bischöflichen Fachgremien “sexueller Missbrauch im kirchlichen Umfeld” in Zürich.

«Wir wissen jetzt, dass Ratzinger bereit ist, öffentlich zu lügen, um sich seiner Verantwortung zu entledigen»

Doris Reisinger-Wagner

«Manchmal schäme ich mich auch, dass wir eine solche Vergangenheit gehabt haben.»

Bischof Georg Bätzing

Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz (DBK)
Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising, beim Synodalen Weg.

«Ich bitte im Namen der Erzdiözese um Entschuldigung für das Leid.

Kardinal Reinhard Marx

«Eine Kultur des Wegsehens und Verharmlosens wurde perpetuiert.»

Münchner Gutachter

Martin Pusch (r.), Marion Westpfahl (m.) und Ulrich Wastl (l.) stellen ihr Gutachten zum Missbrauch im Erzbistum München und Freising vor.
Newsbeiträge

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