Schriftsteller Martin Mosebach am 23. Januar 2018 in der Kirche Santissima Trinita dei Pellegrini in Rom.
Schweiz

Mosebach: «Die Vermutung, pädophile Verbrechen seien eine Folge von ‹Klerikalismus›, ist geradezu grotesk»

Der deutsche Schriftsteller Martin Mosebach sieht einen Zusammenhang zwischen dem Missbrauchsskandal und innerkirchlichen Entwicklungen nach dem Konzil. Er behauptet in der NZZ, eine «Aushöhlung des katholischen Priestertums» fördere Missbrauch.

Bei der Suche nach dem Warum des Missbrauchsskandals in der römisch-katholischen Kirche wird heute oft von systembedingten Ursachen gesprochen, etwa von einem Klerikalismus. Davon hält der deutsche Schriftsteller Martin Mosebach gar nichts. In seinem Beitrag im Feuilleton der «Neuen Zürcher Zeitung» vom Donnerstag legt er vielmehr dar, welche Rolle seiner Ansicht nach die Entwicklung der Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil spielt.

Mit dem Verschwinden der Soutane fällt die Disziplin

«Wenn nicht alles täuscht, ist ein hoher Anteil der Missbrauchsfälle aber gerade in den auf das Konzil folgenden Jahrzehnten zu verzeichnen.» Wer nach den Ursachen «der damals anschwellenden Katastrophe» frage, müsse auch den Zeitpunkt berücksichtigen, argumentiert Mosebach. Die Aushebelung jeder Autorität und die sexuelle Revolution «trafen eine Priesterschaft, der alle Elemente zur Wahrung ihrer Disziplin genommen worden waren».

Zu diesen Elementen zählt Mosebach Soutane und Priesterkragen, die verschwanden, das Wegfallen der Verpflichtung, täglich die heilige Messe zu zelebrieren. Gerade diese tägliche Übung bietet, verbunden mit der Pflicht zur häufiger Beichte, aus Sicht von Mosebach einen besonderen disziplinierenden Halt. Er stellt weiter fest, dass die Vorstellung einer «Sakralität des Priesteramtes» besonders geächtet worden sei.

Disziplin gegen Versuchungen

Keiner der letzten Päpste habe dieser «Aushöhlung des katholischen Priestertums» gewehrt, kritisiert Mosebach. Der Schriftsteller räumt ein, dass auch ein «in der klassischen Tradition stehender Priester» Sexualdelikte begehen könne. Aber er behauptet, dass es einem in die traditionelle Disziplin eingebundenen Priester leichterfalle, «seiner Versuchungen Herr zu werden».

Mosebach hält deshalb die Vermutung, pädophile Verbrechen seien eine Folge von Klerikalismus, für «geradezu grotesk». Das Gegenteil sei der Fall: «Es ist ein innerkirchlicher nachkonziliärer Antiklerikalismus, der die sakramentale Sonderposition des Priestertums verneint, welcher den Priestern wichtige Hilfestellungen weggeschlagen hat, ihren Gelübden treu zu bleiben.»

Nicht noch mehr Reformen

Mosebach spricht mit Blick auf die nachkonziliäre Entwicklung der Kirche von einem «Reform-Desaster». Noch mehr davon brauche es nicht. Dem Papst und vielen Bischöfen, vor allem deutschen, falle hingegen nichts anderes ein, als dass man «im radikalen Abbau des katholischen Propriums» eben immer noch nicht weit genug gegangen sei.

Mosebach hatte sich schon häufiger als Anhänger der Alten Messe und als scharfer Kritiker von Papst Franziskus zu Wort gemeldet. (bal)


Schriftsteller Martin Mosebach am 23. Januar 2018 in der Kirche Santissima Trinita dei Pellegrini in Rom. | © KNA
10. Februar 2022 | 12:08
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