Von links: Helena Jeppesen, Tatjana Disteli und Bischof Felix Gmür
Rauchzeichen

Prager Frühling, Verhaltenskodex, Georg Gänswein: Was diese Woche wichtig wird

Nach der Europa-Synode zeigt sich die zaghafte Zuversicht auf einen Prager Frühling. Die Debatte um den Verhaltenskodex im Bistum Chur geht weiter. Was sagt Bischof Joseph Bonnemain zum Vorwurf, das Papier zu verwässern? Die italienische Zeitung «Libero» berichtet über die Audienz zwischen Papst Franziskus und Georg Gänswein.

Raphael Rauch

Was für eine Woche! Bischöfe, Priester, Diakone, Laiinnen und Laien aus ganz Europa haben in Prag oder digital zugeschaltet über eine synodale Kirche diskutiert. Mehr noch: Sie haben einander zugehört.

Der Mehrwert des Zuhörens

Natürlich ist das Zuhören allein nicht befriedigend. Doch auch das Zuhören hat einen Mehrwert, wie die Schweizer Delegierten Tatjana Disteli und Helena Jeppesen festgestellt haben. Etwa, als sich eine konservative Polin in Prag mit den Worten verabschiedete: Es sei schade, dass man inhaltlich nicht auf einen grünen Zweig komme. Und doch schön, dass man sich immer freundlich gegrüsst und angelächelt habe. Ja, auch das gehört zum synodalen Prozess!

Schwester Luiza Milani und Mentari Baumann in Wislikofen
Schwester Luiza Milani und Mentari Baumann in Wislikofen

Berührend war der Austausch der beiden Online-Delegierten Luiza Milani und Mentari Baumann in Wislikofen. Luiza Milani ist eine albanische Nonne: «Mentari Baumann ist die erste queere Person, die ich kenne», sagt sie im Interview mit kath.ch

Die Bischöfe arbeiten in Asien intensiver zusammen als in Europa

Natürlich gibt es jetzt viele Menschen, die sagen: «Ausser Spesen nichts gewesen.» Die den zaghaften Prager Frühling zerreden, noch bevor die Knospen blühen können. Erwartungsgemäss ist der Prager Fenstersturz ausgeblieben. Und dennoch steht die katholische Kirche in Europa nach Prag an einem anderen Punkt.

Ein Prager Frühling für die Kirche? Graffito in Prag.
Ein Prager Frühling für die Kirche? Graffito in Prag.

Europa, das ist der alte Kontinent, der weder mit Evangelisierung noch mit Optimismus glänzt. «Auch in Asien gibt es einen enormen kulturellen Pluralismus. Trotzdem findet die Kirche dort eine Einheit und gemeinsame Positionen. Die Bischöfe arbeiten mehr zusammen als wir in Europa. Das müssen wir auch fertigbringen», sagt der Luxemburger Kardinal Jean-Claude Hollerich über seine Woche in Prag.

«Es gibt nicht eine blaue Taufe für Jungen und eine rosa Taufe für Mädchen»

Zur Realität in Europa gehört: Es gibt Länder wie Albanien, von dem ein Bischof in Prag allen Ernstes behauptet, es gebe dort kein Missbrauchsproblem. Es gibt Länder wie Tschechien, wo ein Flugblatt verteilendes Missbrauchsopfer von der Polizei des Hotels verwiesen wird. Und wo der Dominikaner-Kardinal Dominik Duka (79) zu Vertuschungsvorwürfen schweigt.

Beyoncé posiert mit ihren Zwillingen Sir Carter und Rumi, veröffentlicht am 14.Juli 2017.
Beyoncé posiert mit ihren Zwillingen Sir Carter und Rumi, veröffentlicht am 14.Juli 2017.

Zu Europa gehören jedoch auch Länder wie Luxemburg, die spontan ihr Statement umschreiben, um dem Missbrauchsopfer seine Solidarität auszudrücken. Oder eben die Schweiz, die Klerikalismus anprangert und für gleiche Würde und gleiche Rechte wirbt auf Basis der Taufe. Den besten Satz zur Taufe in Prag kam just von einer Baptistin: «Es gibt nur eine Taufe! Es gibt nicht eine blaue Taufe für Jungen und eine rosa Taufe für Mädchen», sagte die französische Theologin Valérie Duval-Poujol.

Bischof Felix Gmür kündigt neue Missio-Politik an

Wer auf die Woche in Prag zurückblicken will, dem empfehle ich diese Leseliste: Hier geht’s zum Tagebuch der Schweizer Delegierten Tatjana Disteli, zum Interview mit Bischof Felix Gmür, mit Kardinal Mario Grech und mit der Präsidentin der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz, der Online-Delegierten Renata Asal-Steger. Das Statement aller Schweizer Online-Delegierten finden Sie hier.

Bischof Felix Gmür in Prag.
Bischof Felix Gmür in Prag.

Schon jetzt dürfte feststehen, dass das Bistum Basel nicht mehr gesichtswahrend seine Missio-Politik durchziehen kann. Laut der Pastoralverantwortlichen Barbara Kückelmann können queere Menschen im Bistum Basel in der Regel keine Missio bekommen. «Wir sind an dem Thema dran im Rahmen der Deutschschweizer Bistümer. Das wurde letzte Woche diskutiert. Ich war nicht dabei und weiss nicht, was rausgekommen ist», sagt Bischof Felix Gmür zu kath.ch. Wir haken nach.

Debatte über Verhaltenskodex

Im Bistum Chur kommt die Debatte über den Verhaltenskodex nicht zur Ruhe. Öl ins Feuer giesst der Dekan von Innerschwyz, Rudolf Nussbaumer. Er hatte von Bischof Joseph Bonnemain die Entlassung der Präventionsbeauftragten Karin Iten gefordert und von «Beigemüse» im Verhaltenskodex gesprochen.

Chur hat bereits den Verhaltenskodex zum Umgang mit Macht eingeführt.
Chur hat bereits den Verhaltenskodex zum Umgang mit Macht eingeführt.

Am Wochenende wurde bekannt: Die Kantonalkirche Schwyz geht auf die Gegner – es sind ausschliesslich Männer – des Verhaltenskodex zu und baut ihnen eine Brücke. Und zwar mit einem «Merkblatt zur Umsetzung des Verhaltenskodex»

Konservative Priester im Dilemma

Die Vereinbarung sehe vor, dass der «Verhaltenskodex von den Führungspersonen integral unterzeichnet» werde. «Haben Führungspersönlichkeiten grundsätzliche Vorbehalte zu einzelnen Punkten des Kodexes, empfiehlt es sich, in einem Gespräch bei der Unterzeichnung diese Vorbehalte klar festzuhalten. Zentral bleibt die gemeinsame Überzeugung, dass ein positiver und transparenter Umgang mit Macht gepflegt wird und Machtmissbrauch durch Vorsicht und Achtsamkeit vermieden wird.»

Lorenz Bösch (links) von der Kantonalkirche Schwyz unterschreibt den neuen Verhaltenskodex des Bistums Chur.
Lorenz Bösch (links) von der Kantonalkirche Schwyz unterschreibt den neuen Verhaltenskodex des Bistums Chur.

Will heissen: Im Kanton Schwyz gibt es die Möglichkeit, das Dilemma konservativer Seelsorgender zu lösen, indem diese ihre Kritik am Verhaltenskodex mit einer Art Sondervotum oder mit Dubia zu Protokoll bringen können. «Wir sind überzeugt, dass dadurch in Einzelfällen akzeptierbare Lösungen gefunden werden können. Ich gehe davon aus, dass sich auch in der Kirchgemeinde Steinen eine Lösung finden lässt», sagt Lorenz Bösch, der Präsident der Kantonalkirche.

Verwässert Bischof Joseph Bonnemain den Verhaltenskodex?

Fragt sich nur, ob dieser Schritt mit den Präventionsbeauftragten Karin Iten und Stefan Loppacher abgesprochen wurde. Und wie Bischof Joseph Bonnemain das Dilemma lösen will, Brücken zu bauen, den Verhaltenskodex aber nicht zu verwässern. Wir haken nach.

Donald Trump und Martin Grichting verfolgen die Bischofsweihe im Livestream.
Donald Trump und Martin Grichting verfolgen die Bischofsweihe im Livestream.

Als Churer Generalvikar pflegte Martin Grichting zu scherzen, ihm drohe das Schicksal einer indischen Witwe: nämlich nach dem Rücktritt des Bischofs verbrannt zu werden. Auch wenn Grichtings Amtszeit seit März 2021 abgelaufen ist, gibt es von ihm viele Lebenszeichen. Zwar nicht als Domherr von Chur – er bleibt zusammen mit Dompfarrer Gion-Luzi Bühler etwa der Installation der neuen Domherren fern –, dafür aber als Privatgelehrter in Form journalistischer Gastbeiträge.

Gänswein droht eine Karriere nach unten

Auch Grichtings Bekannter Georg Gänswein dürfte sich die Frage stellen, ob ihm das Schicksal einer indischen Witwe ereilt. Papst Franziskus mag Georg Gänswein nicht – keine Frage. Sein Enthüllungsbuch  «Nichts als die Wahrheit» kommt einem kirchenpolitischen Suizid gleich. Man mag über Franziskus’ Führungsstil sagen, was man will. Doch wer sein Vertrauen erschüttert, erlebt Franziskus ungewohnt klar und konsequent. Stichwort: Karriere nach unten!

Giacomo Morandi 2018 im Vatikan
Giacomo Morandi 2018 im Vatikan

Oder wer erinnert sich noch an Giacomo Morandi? Morandi ist der Mann, der Papst Franziskus kurz vor der wichtigen «Fratelli tutti»-Irak-Reise mit einem Papier überrumpelte, das sich im März 2021 gegen den «Segen für alle» ausgesprochen hatte. Die FAZ schrieb damals, der italienische Geistliche habe den Papst nur summarisch über das geplante Schreiben in Kenntnis gesetzt, ihm jedoch nicht den vollständigen Text vorgelegt.

Audienz von Franziskus und Gänswein

Morandi war damals Sekretär der römischen Glaubenskongregation und damit in der Pole-Position für die Nachfolge von Kardinal Luis Ladaria. Doch nach dem Affront belohnte ihn Franziskus mit dem nicht gerade wichtigen Bischofssitz der Diözese Reggio Emilia. Quod erat demonstrandum: Karriere nach unten!

Erzbischof Georg Gänswein (r.) bei der Trauermesse für Benedikt XVI..
Erzbischof Georg Gänswein (r.) bei der Trauermesse für Benedikt XVI..

Dieses Schicksal dürfte nun auch Georg Gänswein blühen. Laut einem Medienbericht soll Papst Franziskus mit dem arbeitslosen Altenpfleger Georg Gänswein bei einer Audienz über das Erbe von Benedikt XVI. gesprochen haben. 

Franziskus spricht Klartext

Gänswein «berichtete von einem Auftrag Benedikts, dessen private Notizen vollständig zu vernichten. Ausserdem habe er genaue Anweisungen erhalten, wem er was übergeben solle, vor allem aus seiner Bibliothek, von seinen Buchmanuskripten bis hin zu Dokumenten aus der Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962–1965) und der Korrespondenz», berichtet das Portal katholisch.de mit Verweis auf die italienische Zeitung «Libero». 

Papst Franziskus auf dem Rückflug vom Südsudan nach Rom.
Papst Franziskus auf dem Rückflug vom Südsudan nach Rom.

Papst Franziskus hingegen soll Gänswein eingeschärft haben, «dass die Verfügungsgewalt über den Nachlass eines verstorbenen Papstes dem Heiligen Stuhl zukomme». Also nicht dem trauernden Privatsekretär. 

Franziskus droht mit kanonischer Untersuchung

Auch hat Papst Franziskus laut «Libero» Gänswein für seine Indiskretionen im Buch «Nichts als die Wahrheit» gerüffelt, denn Gänswein habe gegen die strengen Geheimhaltungsregeln der Konklaveordnung verstossen. «Der Papst habe auch die Möglichkeit einer kanonischen Untersuchung angedeutet, wenn Gänswein nicht schweigen würde», berichtet «Libero». Mal schauen, ob Georg Gänswein Erzbischof von Vaduz wird.

Erzbischof Martin Krebs ist Nuntius in Bern.
Erzbischof Martin Krebs ist Nuntius in Bern.

Am Dienstag stellt ein sozialwissenschaftliches Team aus München eine Missbrauchsstudie für das Bistum Essen vor. Das Gutachten dürfte vor allem Nuntius Martin Krebs und den Zürcher Synodalrat Martin Stewen interessieren – beide stammen aus dem Bistum Essen. Wobei Martin Stewen gerade in einer anderen Zeitzone unterwegs ist. Er ist Bordseelsorger einer Luxus-Kreuzfahrt in der Südsee und auf den Spuren von Paul Gauguin in Tahiti unterwegs. Priester müsste man sein!

Das Bistum Essen und Erzbischof Joseph Ratzinger in München

Kirchenpolitisch ist das Essener Gutachten vor allem wegen des Falls H. interessant, in den der verstorbene Papst Benedikt XVI. verwickelt ist. In der Erzdiözese München und Freising soll H. – wie zuvor schon in seinem Heimatbistum Essen – Missbrauchstaten begangen haben. Obwohl er 1986 eine Gefängnisstrafe auf Bewährung erhielt, wurde er weiter in Gemeinden eingesetzt. Erst 2010 versetzte ihn der amtierende Bischof Franz-Josef Overbeck in den Ruhestand und untersagte ihm die priesterlichen Dienste.

Protest gegen den Umgang der Kirche mit sexuellem Missbrauch.
Protest gegen den Umgang der Kirche mit sexuellem Missbrauch.

Mittlerweile ist auch H. aus dem Klerikerstand entlassen. Benedikt bestritt bis zu seinem Tod, von der Vorgeschichte des Geistlichen gewusst zu haben, als dieser 1980 nach München kam. Wir werden berichten.

Was wird nächste Woche wichtig – ausser der Fasnacht? Wir freuen uns über Ihren Input an rauchzeichen@kath.ch.

Einen guten Start in die Woche mit vielen frühlingshaften Momenten wünscht Ihnen

Ihr

Raphael Rauch


Von links: Helena Jeppesen, Tatjana Disteli und Bischof Felix Gmür | © zVg
13. Februar 2023 | 10:01
Lesezeit: ca. 6 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!