Die Schweiz in Prag: von links Bischof Felix Gmür, Helena Jeppesen und Tatjana Disteli.
Rauchzeichen

Synodaler Prozess, Hansruedi Huber, Anuschka Roshani: Was diese Woche wichtig wird

Das Europa-Treffen zum synodalen Prozess hat in Prag begonnen. Der Sprecher des Bistums Basel, Hansruedi Huber, hat gekündigt: «Ich bin dankbar, dass ich über acht Jahre mit dem genialen Bischof Felix zusammenarbeiten durfte.» Reformierte Pfarrpersonen kritisieren «Tamedia» für den Umgang in der Causa Anuschka Roshani.

Raphael Rauch

Wo am Samstag noch Dart-Sportlerinnen und Dart-Sportler spielten, feiern diese Woche Bischöfe und Synodale aus ganz Europa die Heilige Messe und tauschen sich aus: Die Rede ist vom synodalen Prozess, der am Sonntag in Prag begonnen hat. Und zwar in einem Hotel, das einen ganz eigenen Brutalismus-Charme aus den 1970er-Jahren hat.

Vom Dart-Sport zur Heiligen Messe

Am Samstag war in diesem Hotel noch sehr viel Schweizerdeutsch zu hören, denn die Schweiz ist eine Dart-Nation, auch wenn das nicht alle so sehen.

Dart-Meisterschaft in Prag. Hier finden nun die Gottesdienste statt.
Dart-Meisterschaft in Prag. Hier finden nun die Gottesdienste statt.

Unter den Teilnehmenden der Dart-Meisterschaft war auch der Walliser Katholik Roger Volken. Er ist Wirt der Kneipe «Der Simplon» in Naters und eine Art Gianni Infantino des Dart-Sports: Bei ihm laufen die internationalen Fäden zusammen. Nur sei das im Dart-Sport eher ein Draufzahlgeschäft als eine Cashcow à la Fifa, findet Roger Volken.

Sind wegen des Dart-Sports in Prag, wünschen sich aber dennoch Kirchenreformen: Anja Bär und Roger Volken.
Sind wegen des Dart-Sports in Prag, wünschen sich aber dennoch Kirchenreformen: Anja Bär und Roger Volken.

kath.ch hat auch mit der Aargauer Dart-Spielerin Anja Bär gesprochen, die vor Jahren aus der katholischen Kirche ausgetreten ist. Roger Volken und Anja Bär sind überzeugt: Die katholische Kirche braucht ein Update. «Keiner versteht, warum Priester nicht heiraten können», sagt Roger Volken. «Die katholische Kirche muss offener werden», findet Anja Bär. Ob sie mit ihrer Kritik ins Schwarze zielen? Wir werden berichten.

Cristina Vonzun muss krankheitsbedingt absagen

Was die zwei Dart-Spieler wünschen, das wünschen sich auch die meisten Katholikinnen und Katholiken in der Schweiz, wie der Zwischenbericht zum synodalen Prozess festhält. Über das und noch viel mehr diskutieren diese Woche der Präsident der Schweizer Bischofskonferenz, Felix Gmür, zusammen mit Tatjana Disteli von der Aargauer Landeskirche und Helena Jeppesen vom Hilfswerk Fastenaktion in Prag. Die drei bilden die Schweizer Delegation, die physisch vor Ort mit anderen Bischöfen und Synodalen in besagtem Brutalismus-Hotel tagen.

Die Schweizer Delegation für das Europa-Treffen des synodalen Prozesses in Prag. Zehn weitere Menschen nehmen online teil.
Die Schweizer Delegation für das Europa-Treffen des synodalen Prozesses in Prag. Zehn weitere Menschen nehmen online teil.

Die Tessinerin Cristina Vonzun hat krankheitsbedingt ihre Teilnahme absagen müssen. Wir wünschen ihr gute Besserung! Was ich nicht verstehe: Warum hat die Schweiz nicht kurzfristig einen Ersatz nominiert? Die Theologin Susanne Birke von der AG Regenbogenpastoral ist für ein LGBTQ-Netzwerktreffen ohnehin vor Ort, stünde also parat.

Von Wislikofen nach Prag

Zusätzlich zur Vor-Ort-Delegation in Prag besteht die Schweizer Delegation aus zehn Teilnehmenden, die von der Propstei in Wislikofen aus zugeschaltet werden. 

Zehn Delegierte nehmen online von Wislikofen aus am Europa-Treffen in Prag teil.
Zehn Delegierte nehmen online von Wislikofen aus am Europa-Treffen in Prag teil.

In Prag zeigen sich einmal mehr die Widersprüche der katholischen Kirche. Bischof Georg Bätzing aus Deutschland, der gerade das kirchliche Arbeitsrecht reformiert hat, trifft auf seinen Schweizer Mitbruder Felix Gmür, der sich vorbehält, queeren Seelsorgenden keine Missio zu erteilen. Was Miki Herrlein davon hält, der kürzlich den Basler Bischofsrat beraten hat, lesen Sie hier.

Hansruedi Huber kündigt

Apropos Bistum Basel: Der Sprecher von Bischof Felix Gmür, Hansruedi Huber (59), hat gekündigt. «Im Juni werde ich 60 und gehe dann in die Pension», sagt Hansruedi Huber zu kath.ch. «Ich werde aber keineswegs nur auf dem Golfplatz anzutreffen sein. Ich möchte nützliche Dinge für andere tun, ohne zwingend Geld dafür verlangen zu müssen. Das können auch Projekte im Ausland sein. Darin sehe ich eine grosse Freiheit.»

Hansruedi Huber
Hansruedi Huber

Über die letzten Jahre im Bistum Basel sagt er: «Die Kirchenkommunikation habe ich konflikthaft und anspruchsvoll erlebt, weil der Glaube als Produkt aufgrund seiner lebendigen Natur nicht dingfest gemacht werden kann und mit institutionellen Strukturen zwangsläufig in Widerstreit gerät. Nach all den Jahren bei Firmen wie Swissair, ABB, Philip Morris und SRG war die Kirche eine bereichernd andere Herausforderung. Ich bin dankbar, dass ich über acht Jahre mit dem genialen Bischof Felix zusammenarbeiten durfte.»

#MediaToo-Affäre bei Tamedia

Journalistinnen und Journalisten haben oft nicht nur zu allem etwas zu sagen, sondern sie wissen meistens auch alles besser. Wenn es darum geht, andere zu kritisieren und maximale Transparenz einzufordern, haben wir hingegen oft keine Beisshemmung. Das Kehren vor der eigenen Haustür indes ist nicht unbedingt unsere Stärke. 

Sexistische Nachricht vom "Das Magazin"-Chefredaktor.
Sexistische Nachricht vom "Das Magazin"-Chefredaktor.

Zu beobachten ist das gerade in der Causa Anuschka Roshani. Die ehemalige Journalistin von «Das Magazin» spricht in einem Gastbeitrag für den «Spiegel» über Mobbing und Machtmissbrauch. Im Zentrum der Kritik steht der ehemalige Chefredaktor von «Das Magazin», Finn Canonica. 

Vorwurf «Pfarrermätresse»

«Im Wesentlichen aber entwürdigte er (Finn Canonica) mich mittels verbaler Herabsetzungen. So unterstellte er mir in einer Konferenz, ich hätte mir journalistische Leistungen mit Sex erschlichen: Ich sei mit dem Pfarrer der Zürcher Fraumünster-Kirche im Bett gewesen, den ich für eine Recherche getroffen hatte. In einer SMS sprach mich Canonica als «Pfarrermätresse» an, schreibt Anuschka Roshani im «Spiegel».

Niklaus Peter
Niklaus Peter

kath.ch sprach mit dem ehemaligen Fraumünster-Pfarrer Niklaus Peter. Er empfindet das von Finn Canonica verbreitete Gerücht «grotesk». Er habe Anuschka Roshani als integre Journalistin kennen gelernt: «Ich glaube ihr und ich hoffe, dass sie Gerechtigkeit erfährt.» Finn Canonica bestreitet gegenüber dem «Spiegel» die Vorwürfe.

Kritik von den Reformierten und vom Antisemitismusbeauftragten

Die Art und Weise, wie Finn Canonica nachweislich Anuschka Roshani als «Pfarrermätresse» verunglimpfte, sorgt bei reformierten Pfarrpersonen für Empörung. «In jeder Branche, allen Bereichen des Lebens, kommt Machtmissbrauch in all seinen Ausprägungen vor. Es ist von grosser Wichtigkeit, diesen zu benennen und die Kultur des Wegschauens zu durchbrechen», sagt Gabriela Allemann, die Präsidentin der Evangelischen Frauen Schweiz, zu kath.ch. Der reformierte Pfarrer Christoph Knoch sagt: «Ich bin enttäuscht vom Verhalten der bei Tamedia involvierten Personen.»

"Kekse" klingt in Schweizer Ohren sehr deutsch. Finn Canonica strich das Wort durch – und schrieb ein falsches Hakenkreuz daneben
"Kekse" klingt in Schweizer Ohren sehr deutsch. Finn Canonica strich das Wort durch – und schrieb ein falsches Hakenkreuz daneben

Auch der Antisemitismusbeauftragte der deutschen Bundesregierung, Felix Klein, hat sich zu Wort gemeldet. Denn Finn Canonica soll Texte zum Teil mit Hakenkreuz-Symbolen redigiert haben: «Verwendete ich ein deutsches, in der Schweiz unübliches Wort wie ›Kekse’ statt ›Guetzli’, zeichnete er mir Hakenkreuze an den Rand meiner Manuskripte», kritisiert die Journalistin Anuschka Roshani.

«Zutiefst verstörend»

Felix Klein findet das «zutiefst verstörend», wie er gegenüber kath.ch mitteilt. «Dass die beschriebene Verwendung von nationalsozialistischen Symbolen einhergeht mit Berichten über extrem frauenfeindliches Verhalten, verwundert indes nicht. Denn dies zeigt die gegenseitige Verbundenheit von antisemitischen mit sexistischen Weltbildern. Die Verantwortlichen des Tamedia-Verlags sollten Klarheit über das Vorgefallene schaffen und deutlich Stellung beziehen, um Schaden abzuwenden.»

SIG-Generalsekretär Jonathan Kreutner
SIG-Generalsekretär Jonathan Kreutner

Auch Jonathan Kreutner, der Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds, meldet sich gegenüber kath.ch zu Wort: «Es ist schon verstörend, zu sehen, wie offenbar gedankenlos mit Nazisymbolen umgegangen wird.»

Mobbing und Machtmissbrauch

Wie verschiedene Medien berichteten, scheint der Fall Anuschka Roshani kein Einzelfall zu sein. In der Führungskultur des Tamedia-Konzerns soll so Einiges im Argen sein. Und Aussenstehende erinnern sich: Hatte Tamedia nicht nach der # MediaToo-Affäre versprochen, künftig gezielt Frauen zu fördern und alle Führungspositionen fair auszuschreiben?

Journalist Bruno Ziauddin
Journalist Bruno Ziauddin

Anuschka Roshani kritisiert, die Nachfolge von Finn Canonica sei unter der Hand vergeben worden – und zwar an Bruno Ziauddin. Als ehemals stellvertretender Chefredaktor von «Das Magazin» dürfte der heutige Chefredaktor eine Mitverantwortung für das sexistische Arbeitsklima tragen. 

Tatjana Disteli träumt von Bischof Felix Gmür

Als es um das toxische Klima im Bistum Chur ging, wählte Bruno Ziauddin klare Worte – und verteidigte Pfarrer Reto Müller, den «Pfarrer meines Lebens», wie er schrieb, der sich mit Martin Kopp solidarisiert hatte. Wir werden sehen, was die Causa Anuschka Roshani mit Tamedia macht.

Helena Jeppesen (zweite von rechts) und Tatjana Disteli (rechts) beim Eröffnungsgottesdienst in Prag.
Helena Jeppesen (zweite von rechts) und Tatjana Disteli (rechts) beim Eröffnungsgottesdienst in Prag.

Diese Woche steht im Zeichen des synodalen Prozesses. Auf kath.ch informieren wir Sie laufend über die neuesten Entwicklungen. Darüber hinaus ist «Tatjanas Tagebuch» zu empfehlen: Die Delegierte berichtet direkt aus Prag über ihre Erfahrungen – und warum sie von Bischof Felix Gmür träumt.

Ich wünsche Ihnen guten Start in die Woche!

Synodale Grüsse aus Prag

Ihr

Raphael Rauch


Die Schweiz in Prag: von links Bischof Felix Gmür, Helena Jeppesen und Tatjana Disteli. | © Raphael Rauch
6. Februar 2023 | 10:18
Lesezeit: ca. 5 Min.
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