Schwester Luiza Milani und Mentari Baumann in Wislikofen
Story der Woche

Albanische Schwester: Mentari Baumann ist die erste queere Person, die ich kenne

Schwester Luiza Milani und Mentari Baumann könnten unterschiedlicher nicht sein. Die eine ist eine albanische Ordensschwester. Sie steht für traditionelle katholische Werte und hat ein Keuschheitsgelübde abgelegt. Mentari Baumann engagiert sich für LGBTQ-Anliegen – und ist mit einer Frau verheiratet. Was haben sich die beiden Online-Delegierten in Wislikofen zu sagen?

Sarah Stutte

Sie haben zusammen fünf Tage in Wislikofen AG verbracht. Wie war es, mit so unterschiedlichen Katholikinnen und Katholiken zusammenzukommen?

Schwester Luiza Milani*: Es herrscht ein gutes Klima unter uns. Wir arbeiten zwar in verschiedenen Räumen, aber wenn wir zusammenkommen, tauschen wir uns in der Gruppe aus. Ich fühle mich wohl hier und bin von verschiedenen Meinungen bereichert worden.

«Ich will mehr wissen, statt alles Fremde zu ignorieren.»

Schwester Luiza Milani

In der Kirche geht es darum, offen zu sein. Auch ich möchte mich informieren und mit Menschen in Kontakt kommen, deren Lebenswelten anders sind. Deshalb will ich mehr wissen, statt alles Fremde zu ignorieren.

Schwester Luiza Milani verfolgt von Wislikofen aus den synodalen Prozess.
Schwester Luiza Milani verfolgt von Wislikofen aus den synodalen Prozess.

Mentari Baumann*: Die Online-Diskussionsgruppen, in die wir aufgeteilt sind und in denen wir mit Menschen aus anderen Ländern zusammentreffen, waren sehr intensiv. Doch wir reden in unserer kleinen Gruppe in Wislikofen immer noch darüber, was wir daraus mitgenommen haben. Wir hatten bisher auch noch keine Konflikte.

«Schwester Luiza und ich haben eine komplett andere Lebensrealität. Nur die katholische Kirche ist unser gemeinsamer Nenner.»

Mentari Baumann

Mich freut es insbesondere, dass Schwester Luiza und Marjan Marku dabei sind, die mit ihrem Migrationshintergrund eine weitere kirchliche Kultur einbringen. Das ist spannend. Aber es ist schon so: Gerade Schwester Luiza und ich haben eine komplett andere Lebensrealität. Nur die katholische Kirche ist unser gemeinsamer Nenner.

Mentari Baumann
Mentari Baumann

Macht Ihnen das Hoffnung, dass Sie trotz aller Unterschiede gemeinsam unterwegs sind?

Baumann: Das Stichwort ist hier Begegnung. Es ist mir wichtig, mit einer Offenheit den Dialog zu führen. Manchmal ist es so viel einfacher, wenn man tatsächlich miteinander an einem Tisch sitzt.

Bei der Europa-Synode gab es einen klaren Dissens bei der Frauenfrage und bei LGBTQ. Wie gehen Sie damit um?

Baumann: Wir wissen alle, worum es in der Frauenfrage geht. Doch es fehlen die greifbaren nächsten Schritte. Bei der LGBTQ-Thematik muss es definitiv konkreter werden. Die Voten von Irland oder Holland waren im Vergleich dazu, was wir am Anfang der Kontinentalsynode gehört haben, schon sehr deutlich. Auch das Schweizer Votum hat die Dinge beim Namen genannt.

«Nach Kardinal Ouellets Predigt war Mentari etwas geknickt. Das tat mir leid.»

Schwester Luiza Milani
Luiza Milani beteiligt sich als Online-Delegierte in Wislikofen am europäischen Synoden-Treffen.
Luiza Milani beteiligt sich als Online-Delegierte in Wislikofen am europäischen Synoden-Treffen.

Milani: Sowohl die Geschiedenen als auch die Menschen aus der LGBTQ-Community sind ernst zu nehmen. Luxemburg hat am Dienstag gesagt, wir müssen nicht über sie reden, sondern mit ihnen. Das ist ganz wichtig. Die Kirche muss hier einen Weg finden. Ich habe erst hier in Wislikofen – durch Mentari Baumann – zum ersten Mal Kontakt zu einer queeren Person. Durch sie habe ich gelernt, mich mehr zu öffnen. Nach Kardinal Ouellets Predigt war Mentari etwas geknickt. Das tat mir leid. Wieso kann sie nicht in der Kirche akzeptiert werden? Die Kirche muss nicht urteilen, sie muss die Menschen so lieben, wie sie sind.

Online-Präsenz von Wislikofen aus: Felix Terrier, Mentari Baumann, Simon Spengler und Renata Asal-Steger
Online-Präsenz von Wislikofen aus: Felix Terrier, Mentari Baumann, Simon Spengler und Renata Asal-Steger

Welche Thema waren Ihnen am wichtigsten?

Baumann: Frauen, Jugend, queere Menschen. Die Klimafrage fehlt mir noch. Aber wichtig ist mir auch der Prozess an sich, was ist der nächste Schritt? Sind wir immer noch am Zuhören? Wann wird es konkret? Was passiert anschliessend in Rom?

Milani: Die Kirche hat mit der Synode schon einen Schritt nach vorne gemacht. Sie hat verschiedene Stimmen angehört. Zuhören ist schon eine Antwort. Doch eine Kirche, die allen entgegenkommt, bedeutet, weniger auf dem Papier festzuhalten, stattdessen mehr hinaus ins Feld zu gehen. Die Kirche scheint momentan zu weit von den Menschen entfernt. Sie muss deshalb zu den Menschen, dann bewegt sich etwas. Wir müssen nicht darauf warten, dass die Menschen zu uns kommen, denn sonst warten wir ewig.

In der albanischen Kirche ist die Frauenweihe kein Thema.

Milani: Frauen haben heute immer mehr Rechte und auch einen Platz in der Kirche. Das war vor zehn Jahren noch anders. Ich denke, dass die strukturellen Probleme nicht gelöst würden, wenn Frauen Priesterinnen würden. Vielleicht werden Frauen irgendwann in Zukunft zu Priesterinnen geweiht, aber das muss gut überlegt werden – mit vielen kleinen und sicheren Schritten. Ich bin nicht grundsätzlich dagegen, aber es ist für mich kein dringliches Thema. Dass wir die Jugend wieder erreichen, insbesondere junge Ehepaare, ist für mich beispielsweise momentan wichtiger.

«Ich denke, dass viele Frauen gute Priesterinnen wären.»

Mentari Baumann
Von Wislikofen aus mit Prag verbunden: Mentari Baumann sitzt auf dem Boden.
Von Wislikofen aus mit Prag verbunden: Mentari Baumann sitzt auf dem Boden.

Baumann: Im Länderbericht von Italien hiess es, dass wir über das Priesterbild sprechen müssen. Ich bin für die Frauenweihe, weil ich finde, dass gewisse Frauen diesen Ruf verspüren und ich denke, dass viele Frauen gute Priesterinnen wären. Aber auch aus Prinzip und aus Gleichstellungssicht. Nur die Frauenweihe zu fordern und das Priesterbild dabei so behalten zu wollen, wie es ist, macht für mich auch keinen Sinn. Wir hätten die gleichen Machtstrukturen. Deshalb muss als erstes am Klerikalismus gearbeitet werden.  

* Mentari Baumann (29) ist Geschäftsführerin der Allianz Gleichwürdig Katholisch und nimmt als Online-Delegierte in Wislikofen AG teil. Die lesbische Katholikin ist verheiratet und war früher Präsidentin der Zurich Pride.

Luiza Milani (44) arbeitet für die katholische Albanermission Ostschweiz und nimmt als Online-Delegierte in Wislikofen AG teil.


Schwester Luiza Milani und Mentari Baumann in Wislikofen | © Sarah Stutte
10. Februar 2023 | 12:23
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