Kardinal Jean-Claude Hollerich ist Generalrelator der Bischofssynode.
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Kardinal Hollerich sieht Weltsynode auf gutem Weg: «Ein Schisma soll man nicht herbeireden»

Der Luxemburger Kardinal Jean-Claude Hollerich ist beim weltweiten synodalen Prozess der katholischen Kirche eine Schlüsselfigur. In einem kleinen Land lerne man sich früh anpassen, sagt er. Er zeigt sich erleichtert, dass die Debatte in Prag nicht schärfer geführt wurde.

Ludwig Ring-Eifel

Herr Kardinal, die Europa-Versammlung der Weltsynode in Prag war geprägt von vielen Gegensätzen, die unvereinbar scheinen. Wie gehen Sie damit um?

Hollerich: Ich finde das sehr gut, dass wir das geschafft haben. Man sollte die Gegensätze nicht überbewerten. Was uns verbindet, ist die Nachfolge Jesu Christi. Und das ist viel grösser als die Gegensätze. Natürlich sind kulturelle Verschiedenheiten da, aber das halten wir aus.

Die Westschweizerin Malika Schaeffer wendet sich per Zoom an die Synode in Prag.
Die Westschweizerin Malika Schaeffer wendet sich per Zoom an die Synode in Prag.

Johannes Paul II. sprach mit Blick auf Ost und West vom Europa der zwei Lungenflügel. Ist es das, was wir hier in Prag erlebt haben?

Hollerich: Der polnische Papst meinte damit die Orthodoxie im Osten und die katholische Kirche im Westen. Jetzt aber passt das Bild auch auf die katholische Kirche mit ihren unterschiedlichen Erfahrungen in Ost und West.

«Es gibt eine Säkularisierung auch in Osteuropa.»

Und da sehen wir, es gibt eine Säkularisierung nicht nur im Westen, sondern auch in Osteuropa. Sogar in Polen ist die Zahl der Kirchgänger spürbar zurückgegangen. Die Regierungspartei in Polen denkt schon heute darüber nach, wie sie eine Mehrheit behalten kann, wenn die Kirche diese Mehrheit verliert. Auch im Osten wird es dazu kommen, dass es Minderheiten sind, die den Glauben verteidigen, so wie wir das im Westen schon kennen.

Polen ist ein tief katholisches Land. Gläubige jubeln Papst Franziskus beim Besuch im Paulinerkloster in Tschenstochau zu.
Polen ist ein tief katholisches Land. Gläubige jubeln Papst Franziskus beim Besuch im Paulinerkloster in Tschenstochau zu.

Aber die Reaktionen auf diese Trends sind doch sehr unterschiedlich.

Hollerich: Eine Reaktion ist der Rückzug auf den kirchlichen Fundamentalismus, den gibt es im Osten, aber auch im Westen Europas.

«Man kann heute nicht mehr eine einzige Praxis vorschreiben.»

Wir müssen aber lernen, mit vielfältigen Ausdrucksformen des Glaubens zurechtzukommen. Man kann heute nicht mehr eine einzige Praxis vorschreiben. Das können wir auch als Bischöfe nicht. Wenn wir das wollen, werden wir immer mehr Leute an den Rand drängen oder über den Rand hinaus. Der Bischof muss das Prinzip der Einheit der Kirche sein und die Leute zusammenbinden.

Heisst das in der Konsequenz, dass es keine verbindliche Moral mehr gibt?

Hollerich: Doch, die gibt es. Aber das kann sich verschieden äussern. Dann wird man im Westen einige Gesichtspunkte mehr betonen als im Osten – und im Osten einige mehr als im Westen.

«Für den Papst sind Europa und die EU sehr wichtig.»

Wenn Sie demnächst den Papst treffen, und er fragt Sie, wie das war in Prag, was antworten Sie?

Hollerich: Dann sage ich: Geschafft! Der Papst verfolgt das sehr genau, was in Europa geschieht. Für ihn sind Europa und die EU sehr wichtig, auch in der Weltpolitik. Europa ist für ihn das Festhalten an Multilateralismus und Verträgen, nicht die Geopolitik, die jetzt wieder alles zu dominieren scheint. Er sagte einmal: Wenn es die EU nicht gäbe, nur die USA, China und Russland, wäre die Welt viel gefährlicher.

Papst Franziskus lacht mit Kardinal Reinhard Marx (l.), Erzbischof von München und Freising, beim Ad-limina-Besuch. Im Hintergrund Rainer Maria Woelki.
Papst Franziskus lacht mit Kardinal Reinhard Marx (l.), Erzbischof von München und Freising, beim Ad-limina-Besuch. Im Hintergrund Rainer Maria Woelki.

Und wie kommt er mit dem starken Binnen-Pluralismus der Kirche in Europa klar? Der scheint extremer zu sein als in allen anderen Kontinenten.

Hollerich: Auch in Asien gibt es einen enormen kulturellen Pluralismus. Trotzdem findet die Kirche dort eine Einheit und gemeinsame Positionen. Die Bischöfe arbeiten mehr zusammen als wir in Europa. Das müssen wir auch fertigbringen.

«An der Bischofssynode in Rom wird eine grössere Zahl von Laien teilnehmen.»

Bei den kontinentalen Treffen wie hier in Prag haben Bischöfe, Priester und Laien sich ausgetauscht. Wie wird das im Oktober in Rom sein, wenn da plötzlich wieder nur Bischöfe beraten?

Hollerich: Die Versammlung in Rom wird gemäss dem Kirchenrecht eine Bischofssynode sein. Aber es wird auch eine grössere Zahl von Laien teilnehmen, und ich könnte mir vorstellen, dass einige von denen auch Stimmrecht haben.

«Man kann eine Synode nicht durchpeitschen.»

Es heisst immer, Papst Franziskus denkt in Prozessen. Aber in Rom an der Kurie gibt es Leute, die halten solche Prozesse für gefährlich, weil das eine jahrelange Unsicherheit bedeutet.

Hollerich: Ohne Prozess wird es überhaupt nicht gehen. Die Änderungen müssen langsam in die Herzen einsickern und der Heilige Geist braucht Zeit. Oder vielmehr brauchen wir Zeit, um den Geist wahrzunehmen. Deshalb kann man eine Synode nicht durchpeitschen.

Luxemburg mit Kathedrale
Luxemburg mit Kathedrale

«In kleinen Ländern lernt man früh, dass man sich ein Stück anpassen muss.»

Hier in Prag habe ich Sie sehr oft mit Kardinal Grech im Gespräch gesehen. Wie kommt es eigentlich, dass zwei Kardinäle aus zwei so kleinen Ländern wie Malta und Luxemburg bei der Synode eine so entscheidende Rolle spielen?

Hollerich: In kleinen Ländern lernt man früh, dass man sich ein Stück anpassen, dass man vermitteln muss. Man muss Kompromisse finden und am Ende zu einer Harmonie kommen. Man kann den anderen nicht so stark verletzen, weil man ihm auf Dauer nicht aus dem Weg gehen kann, denn dafür ist das Land zu klein.

«Wir sind gut durchgekommen. Das hätte viel schärfer werden können.»

Nicht nur das ist in Deutschland anders. Wie erlebten Sie die Deutschen in der Prager Versammlung?

Hollerich: Ich glaube, dass wir gut da durchgekommen sind. Das hätte viel schärfer werden können. Das gilt sowohl für das, was die deutschen Delegierten sagten, als auch für das, was von den anderen kam.

Es wurde viel geredet und geschrieben über einen deutschen Sonderweg oder die Gefahr einer Abspaltung. Ist das damit vom Tisch?

Hollerich: Vom drohenden Schisma reden immer nur die Leute, die sich über ein Schisma freuen würden. Ein Schisma soll man nicht herbeireden. Das ist gefährlich. Es ist besser, wenn wir gemeinsam nach Lösungen suchen. (kna)


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10. Februar 2023 | 17:00
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