Oltnerinnen und Oltner zeigen grosse Anteilnahme beim Abschied ihrer Kapuziner
In einer vollen Stadtkirche sprachen Vertreter von Stadt und Kanton Worte der Dankbarkeit und Anerkennung für das grosse soziale Engagement der verbliebenen sechs Kapuziner in Olten. «Wir gehen nicht freiwillig. Aber wir haben keine Kräfte mehr», sagte Guardian Josef Bründler in seiner Abschiedsrede, die von den Gästen mit langem Applaus bedacht wurde.
Boris Burkhardt
«Guardian Josef sagte mir vor der Veranstaltung, dass sie nicht in Festlaune seien. Ich sagte ihm, wir wollten aber auch keinen Trauergottesdienst abhalten.» Mit diesen Wort eröffnete Stadtpräsident Thomas Marbet seine Rede zum Abschiedsgottesdienst der sechs verbliebenen Kapuziner des Klosters in Olten. Das waren Josef Bründler, Werner Galatti, Peter Kraut, Crispin Rohrer, Paul Rotzetter und Julius Tanner.
Rappelvolle Kirche
Freude und Schmerz lagen denn auch nahe beieinander in der einstündigen Veranstaltung am Dienstagabend in der Oltner Stadtkirche. Wie eng die Bindungen zwischen der Stadt und ihren Kapuzinern sind, bewiesen die Oltnerinnen und Oltner selbst: Die Kirche war bis auf die Empore hinauf rappelvoll.
Bruder Josef Bründler, Guardian und damit Leiter des Klosters, zeigte sich ob der Menge der Gäste «überwältigt: Das zeugt von gegenseitiger Liebe». Wirklich überraschen durfte ihn die Anteilnahme aber nicht, denn er selbst blickte in seinen Abschiedsworten zurück auf «die gelebte Ökumene in Olten, das Wohlwollen von Stadt und Kanton und den Haufen von freiwilligen Mitarbeitern bei den Anlässen im Klostergarten».
Feste und Aufgaben für die Gesellschaft
Sie hätten sich in den vergangenen Monaten daran gewöhnt, alles zum letzten Mal zu erleben, sagte Bründler über sich und seine Brüder und lieferte mit der Aufzählung gleich einen Überblick über die vielen Feste und Veranstaltungen in der Stadt, an denen sich die Kapuziner beteiligt hatten: die Bundesfeier, die Chilbi, die Weihnachtszeit, das Fasnachtsessen am Schmutzige Donschtig, die Auferstehungsfeier an Ostern. Hinzu kamen ständige Aufgaben an der Gesellschaft wie die Spitalseelsorge, die Seniorenbesuche, die Suppenstube für Obdachlose.
Das Kloster in Olten sei nicht nur mitten in der Stadt wunderschön gelegen, schwärmte Bründler, sondern auch zentral in der Schweiz: Die Beziehungen der Ordensbrüder hätten nicht nur in die Stadt und ihre Umgebung, sondern auch in den Aargau, das benachbarte Bern- und Luzernbiet gereicht. Bründler nahm deshalb kein Blatt vor den Mund: «Wir gehen nicht freiwillig. Aber wir haben keine Kräfte mehr.» Die Überalterung der Brüder – der jüngste ist 78 – fordere ihren Tribut.
Meister Eckhart und Dietrich Bonhoeffer
Allerdings habe er nie eine Antwort darauf erhalten, warum der Orden gerade das Kloster Olten aufgebe. Alle Versuche der Brüder, den Standort zu halten, seien gescheitert. Nach Pfingsten würden die Brüder das Kloster endgültig verlassen und sich in die verbliebenen neun Klöster in der Ordensprovinz Schweiz, zu der das Tessin nicht mehr gehört, aufteilen. Er selbst werde nach Luzern gehen.
Bründler zitierte verschiedene Theologen, die sich Gedanken um das Abschiednehmen machten, etwa Meister Eckhart, laut dem in der Hölle «nur brennt, was die Menschen nicht loslassen können», oder Dietrich Bonhoeffer, demzufolge der Abschied desto schmerzhafter werde, je schöner die Erinnerungen seien. Bründlers Abschiedsworte wurden mit einem langen und herzlichen Applaus im Stehen bedankt, den der Ordensbruder sichtbar gerührt entgegennahm.
«In Olten geht eine Ära zu Ende.»
Remo Ankli, Regierungsrat und Historiker
Regierungsrat Remo Ankli, Historiker und Theologe, umriss die Geschichte des Kapuzinerordens in der Schweiz und in Olten, die im 16. Jahrhundert in einem «frühlingshaften Neubeginn der Katholischen Kirche» im Rahmen der Gegenreformation begonnen habe. Auch das Kloster in Olten habe bei seiner Gründung 1676 viele Unterstützer in der Stadt gefunden, und zwar nicht nur bei reichen Bürgern.
«Die einfache Lebensweise der Kapuziner, ihre segensreichen Tätigkeiten am einfachen Volk machten sie bei den Menschen sehr beliebt», sagte Ankli. Die engen Beziehungen zwischen Kapuzinern und Oltnern hätten auch dafür gesorgt, dass das Kloster alle Stürme und Säkularisierungsversuche überstanden habe. Der Regierungsrat gestand den verbliebenen Brüdern bei ihrem Abschied «ein Feuerwerk der Gefühle» zu und konstatierte: «In Olten geht eine Ära zu Ende.»
Seifenblasen beim Auszug aus der Kirche
Auch Benno Zünd, Provinzialvikar der Kapuziner in der Schweiz, der selbst viele Jahre in Olten gelebt hat, sprach von einem «schmerzlichen Abschied». Der Anspruch der Provinzialleitung, lebensfähige Gemeinschaften zu bilden, habe den Entschluss zur Aufgabe des Klosters Olten nötig gemacht. Er habe aber auch das «gute Gefühl, dass sich etwas Neues und Gutes auftun wird» und die Oltner Mitbrüder «mit Hoffnung in die Zukunft schauen können».
Die Abschiedsfeier wurde musikalisch gestaltet von der Sinfonietta der Musikschule Olten unter der Leitung von Hugo Bollschweiler, die mit lebhaften Stücken von Antonín Dvořák und Georges Bizet sowie «Sentimental Journey» von Les Brown ein eindeutiges Votum abgaben zum eingangs erwähnten Streit, ob der Abschied eine Feier oder ein Trauergottesdienst werden solle. Beim Auszug der sechs Brüder aus der Stadtkirche wurden sie von den Ministranten empfangen, die im Spalier Seifenblasen steigen liessen.
Beim anschliessenden Apéro zeigten sich die Brüder mehr im Einklang mit ihrem Abschied, als die Reden in der Kirche hatten vermuten lassen. Er sei es gewohnt, von einem Ort zum anderen zu ziehen, sagte etwa Bruder Peter Kraut gegenüber kath.ch: Vor 50 Jahren habe er schon einmal in Olten gewohnt und sei erst vor zehn Jahren wieder hierher zurückgekommen. Bruder Crispin Rohrer fühlte sich sogar «erfreut: Der Abschied macht Mut». In Olten blicke er auf eine erfüllte Zeit zurück: «Es ist grossartig, wie man Menschen eine Freude machen kann mit einem bescheidenen Leben.»
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