Doris Reisinger (geborene Wagner), ehemalige Nonne der Gemeinschaft "Das Werk"
Rauchzeichen

Doris Reisinger, Ruedi Beck, Joseph Bonnemain: Was diese Woche wichtig wird

Die Herbert-Haag-Preisträgerin Doris Reisinger hält heute an der Uni Luzern einen Vortrag zum Thema: «Die Missbrauchskrise und das Ende der katholischen Kirche, wie wir sie kannten.» Martin Stewen fängt als Synodalrat in Zürich an, Ruedi Beck lädt ins Reusshaus ein. Am Samstag ist Joseph Bonnemain ein Jahr Bischof von Chur.

Raphael Rauch

Die Herbert-Haag-Preisverleihung am Sonntagnachmittag in der Luzerner Lukaskirche hatte es in sich. Ungetrübte Feierlaune wolle nicht aufkommen, sagte der Präsident der Herbert-Haag-Stiftung, Odilo Noti. «Grund dafür ist zum einen der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Putins auf die Ukraine. Er fordert unzählige Opfer unter der wehrlosen Zivilbevölkerung und treibt Millionen von Menschen in die Flucht.» 

Preisverleihung ohne Feierlaune

Odilo Noti kritisierte, dass «vier Fünftel des russischen Rohstoffhandels über Firmen in Genf, Lugano, Zug und Zürich abgewickelt» würden. «Bis heute weitgehend unreguliert und unkontrolliert. Angesichts dessen muten die bundesrätlichen Friedensappelle kraftlos und blutleer an.»

Odilo Noti
Odilo Noti

Der zweite Grund, warum Noti auf Begriffe wie «Fest», «Feier» oder «Feierlichkeiten» verzichtete: Die Herbert-Haag-Stiftung rücke «die Jahrtausend-Katastrophe der katholischen Kirche ins Zentrum. Wir zeichnen Überlebende des sexuellen und spirituellen Machtmissbrauchs aus.» Und: «Es ist höchste Zeit, dass wir unsere Illusionen zum Kirchesein aufgeben.»

Muss das Weizenkorn Kirche sterben?

Zum Ende der Veranstaltung fiel der Satz: «Das Weizenkorn muss sterben, um zu leben.» Mit Weizenkorn gemeint war die Kirche. Die neuen Herbert-Haag-Preisträgerinnen und -Preisträger waren sich uneins, wie stark die Kirche es schafft, tatsächlich Verantwortung für die Missbrauchskrise zu übernehmen und die entsprechenden Konsequenzen auch wirklich konsequent zu ziehen.

Doris Reisinger (zweite von rechts) erhielt nach ihrer Rede in Luzern Standing Ovations.
Doris Reisinger (zweite von rechts) erhielt nach ihrer Rede in Luzern Standing Ovations.

Doris Reisinger, die als Nonne missbraucht wurde, sagte in ihrem Vortrag: «Diese Krise ist bodenlos. Sie hört nicht auf. Sie ist das Ende der katholischen Kirche.» RKZ-Präsidentin Renata Asal-Steger gehörte zu den ersten in der Luzerner Lukaskirche, die aufstanden, um Doris Reisinger mit Standing Ovations für ihr Engagement zu danken.

Vortrag an der Uni Luzern

Doris Reisinger hält heute Abend an der Uni Luzern einen Vortrag – zusammen mit dem österreichischen Herbert-Haag-Preisträger Wolfgang Treitler. Eine Teilnahme per Zoom ist ebenfalls möglich, den Zugangslink finden Sie hier.

Kleriker-Duell in Zürich: Martin Stewen (links) und Bruno Rüttimann im September 2021.
Kleriker-Duell in Zürich: Martin Stewen (links) und Bruno Rüttimann im September 2021.

Ebenfalls am heutigen Montag nimmt Martin Stewen zum ersten Mal an einer Sitzung des Zürcher Synodalrats teil. Stewen hatte im September das Kleriker-Duell gegen Bruno Rüttimann gewonnen. Daraufhin hatte es eine Beschwerde gegeben. Diese war im Januar zurückgewiesen worden. Wir wünschen Martin Stewen einen guten Start. Anfang März hatte er auf kath.ch kommentiert: Was jetzt für Flüchtlinge aus der Ukriane zu tun ist! Jetzt muss er als Synodalrat liefern.

Studium und Gemeindearbeit im Institut im Reusshaus

Am Dienstag lädt das Institut im Reusshaus nach Luzern zu einem Schnuppertag ein. Der beginnt um 8.45 Uhr mit dem Morgengebet. «Anschliessend können alle Interessierten am Lehrunterricht teilnehmen. Nach dem gemeinsamen Mittagessen informiert die Institutsleitung über die Aus- und Weiterbildung in Theologie und Gemeindebildung und steht für alle Fragen zur Verfügung», schreibt das Institut auf seiner Website

Der Luzerner Pfarrer Ruedi Beck hat das Reuss-Institut aufgebaut.
Der Luzerner Pfarrer Ruedi Beck hat das Reuss-Institut aufgebaut.

Gründer Ruedi Beck ist überzeugt: Es braucht neue Wege in der pastoralen Praxis und in der kirchlichen Pionierarbeit. Das Institut im Reusshaus, das sich von Beginn an vom St. Mellitus College in London inspirieren liess, hat seit Februar auch eine offizielle Zusammenarbeit mit London. Akademisches Theologiestudium und Gemeindearbeit gehen am St. Mellitus College Hand in Hand – ein Vorbild für das Institut im Reusshaus.

Ein Jahr Bischof Joseph Bonnemain

Am Donnerstag beginnen die inoffiziellen Feierlichkeiten zum ersten Jahrestag der Bischofsweihe von Joseph Bonnemain. Am 19. März 2021, dem Josephstag, weihte Kurienkardinal Kurt Koch Joseph Bonnemain zum Bischof von Chur. Seitdem hat sich Joseph Bonnemain als Brückenbauer profiliert. In der Bischofskonferenz gab es ein Aufatmen, dass nach Jahren des Churer Konfrontationskurses nun eine konstruktive Zusammenarbeit auf nationaler Ebene möglich ist. 

Kurienkardinal Kurt Koch weiht Joseph Bonnemain zum Bischof.
Kurienkardinal Kurt Koch weiht Joseph Bonnemain zum Bischof.

Landauf, landab wird Joseph Bonnemain zu Firmungen eingeladen. Der Bischof ist ein gefragter Mann – auf dem grünen Teppich des Zürcher Filmfestivals ebenso wie auf der Langstrasse. Liberale Katholikinnen und Katholiken warten indes noch immer auf konkrete Taten. «Bischof Joseph Bonnemain soll mutiger werden», findet die Theologin Monika Schmid

Leitet der Bischof einen Kulturwandel ein?

Viele vermissen einen Neuanfang im Seminar St. Luzi, wo nach wie vor Martin Rohrer von der umstrittenen geistlichen Bewegung «Servi della Sofferenza» Regens ist. Auch hat Joseph Bonnemain noch keine dezidiert liberale Stimme in den Bischofsrat berufen. 

Martin Rohrer (ganz links) - hier bei der Priesterweihe in Schwyz am 6. April 2019.
Martin Rohrer (ganz links) - hier bei der Priesterweihe in Schwyz am 6. April 2019.

Spätestens, wenn der neue Verhaltenskodex für das Bistum Chur vorgestellt wird, muss Bischof Joseph Bonnemain Farbe bekennen: Folgt er den Präventionsrichtlinien mit angezogener Handbremse – oder leitet er wirklich einen Kulturwandel im Bistum Chur ein, der auch das kirchliche Lehramt und die gängige Personalpolitik herausfordert? Konkret: Wie ernst meinen er, seine Generalvikare und die Personalverantwortlichen den Satz: «In jedem Fall unterlasse ich offensives Ausfragen zum Intimleben und zum Beziehungsstatus. Dies gilt auch für Gespräche, die ich als Vorgesetzte*r führe»? 

Wo ein Wille ist, liefert das Kirchenrecht meistens einen Weg

Bonnemain könnte als erster Bischof der Schweiz Kirchengeschichte schreiben, indem er die bisherige Missio-Vergabepraxis infragestellt. Ob er dazu den Mut hat? An anderer Stelle, etwa im sehens- und lesenswerten «Underkath»-Interview, sagt Bischof Joseph Bonnemain: «Der Glaube ist nicht ein Haufen von Vorschriften, von Lehrsätzen, von geschriebenen Büchern.» Wo ein Wille ist, ist meistens auch ein Weg, Widersprüche mit dem Kirchenrecht in Einklang zu bringen.

Der rätoromanische Sender RTR hat Bischof Joseph Bonnemain für einen Dokumentarfilm begleitet, der am Montag, 20. März, auf RTR ausgestrahlt wird. Eine Vorpremiere gibt’s diesen Donnerstag im Rittersaal des Hofes zu Chur. Wir werden berichten.

Priesterweihe in Chur

Den Josephstag verbringt Bischof Joseph Bonnemain ebenfalls in Chur, wo er die Diakone Joachim Cavicchini, Toni Josef Kowollik und Steffen Michel zu Priestern weihen wird. Beginn ist um 14 Uhr.

Bischof Joseph Bonnemain beim Start des synodalen Prozesses in Einsiedeln.
Bischof Joseph Bonnemain beim Start des synodalen Prozesses in Einsiedeln.

Für diesen Sonntag hat die Bischofskonferenz eine obligatorische schweizweite Kollekte für die Opfer des Krieges in der Ukraine festgelegt. Über zwei Millionen Menschen sind auf der Flucht. Auch in der Schweiz engagieren sich die Menschen für die Ukraine, etwa in Teufen AR, wo durch beherztes Engagement ein Car-Unternehmen ohne Versicherungsschutz in die Ukraine gefahren ist, um 120 Menschen in Sicherheit zu bringen. Fratelli tutti!

«Für eine antirassistische Migrationspolitik»

Die Solidarität mit den Menschen in der Ukraine ist berührend und bewegend. Engagierte aus der kirchlichen Flüchtlingsarbeit warnen indes davor, die Not von anderen Geflüchteten zu vergessen. Etwa von Menschen, die seit Jahren in der Schweiz leben und denen die Ausschaffung droht. «Alle heisst alle», lautet der Titel einer bewilligten Demonstration in Luzern: «Für eine antirassistische Migrationspolitik». Beginn ist am Freitag um 18.30 Uhr auf dem Schwanenplatz in Luzern.

Engagement für Flüchtlinge im September 2021: von links Chika Uzor, Nicola Neider Ammann, Bischof Felix Gmür, Reza Hosseini, Stefanie Gisler und Christoph Albrecht.
Engagement für Flüchtlinge im September 2021: von links Chika Uzor, Nicola Neider Ammann, Bischof Felix Gmür, Reza Hosseini, Stefanie Gisler und Christoph Albrecht.

Das Hilfswerk Fastenaktion warnt davor, dass das Schweizer CO2-Budget bereits nächste Woche aufgebraucht sein wird. Zusammen mit dem reformierten Hilfswerk HEKS wird Fastenaktion im Rahmen der Ökumenischen Kampagne am Dienstag Parlament und Bundesrat auffordern, «endlich griffige Klimamassnahmen umzusetzen». Dazu gibt es auch eine Postkartenaktion.

Was wird nächste Woche wichtig? Wir freuen uns über Ihren Input an rauchzeichen@kath.ch.

Einen guten Start in die Woche wünscht Ihnen

Ihr

Raphael Rauch


Doris Reisinger (geborene Wagner), ehemalige Nonne der Gemeinschaft «Das Werk» | © KNA
14. März 2022 | 08:00
Lesezeit: ca. 5 Min.
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