Der Luzerner Synodalrat hat auf Druck der Synode Finanzmassnahmen gegen das Bistum Basel beschlossen.
Story der Woche

Vor Luzerner Synode: Kirchgemeinden hoffen auf Rückendeckung

Kirchgemeinden im Kanton Luzern halten Kirchensteuern zurück. So haben sie die Kirchenaustrittswelle gebrochen. Das sei ein gutes Zeichen, denn es zeige, dass die Menschen in der Kirche sein und bleiben wollen. Von der Synode der Landeskirche erhoffen sich die Gemeinden Rückendeckung. «Wir haben schlicht keine Zeit zu warten, ob die Bischöfe wirklich etwas machen.»

Annalena Müller

Am 8. November beginnt die Synode der Landeskirche Luzern. Letztere befindet sich in einer politisch vertrackten Situation. Die Basis fordert, die Landeskirche müsse handeln. Notfalls solle sie Strukturreformen durch Einbehalten der Kirchensteuer erzwingen. Das Bistum Basel findet, der Geldhebel sei der falsche Weg. Und die Luzerner Landeskirche? Sie sitzt zwischen den Stühlen.

Gallier gegen Römer auf Luzernisch

Adligenswil, Ballwil und Willisau – diese Namen sind in der katholischen Schweiz mittlerweile bekannt. Letzte Woche schloss sich auch der Pastoralraum Oberer Sempachersee den «Luzerner Galliern» an. Zusammen wagen sie den Aufstand der Basis gegen den Bischof im barocken Solothurn.

Die barocke St. Ursen-Kathedrale in Solothurn.
Die barocke St. Ursen-Kathedrale in Solothurn.

Als erste Kirchgemeinde gab Adligenswil am 21. September 2023 bekannt, sie werde die Kirchensteuern auf ein Sperrkonto einzahlen. An das Bistum Basel sollen die Gelder erst ausgezahlt werden, wenn dieses ihre vier Forderungen umsetzt.

«Wir wissen, dass wir geltendes Recht brechen», sagt Evelyne Huber, Kirchgemeindepräsidentin von Willisau. «Wir machen das nicht zum Spass, sondern weil wir keine andere Wahl haben.» In den ersten 15 Tagen «gab es in Willisau 26 Kirchenaustritte, das ist ein Drittel der Jahresaustritte». Auffallend sei, dass besonders die Geburtenjahrgänge der 1940er und 1950er austräten. Diese gelten eigentlich als kirchentreu.

Kirche auf Bewährung

Adligenswil, Willisau und Ballwil haben die Erfahrung gemacht, dass mit der Einrichtung der Sperrkonten die Austrittswelle gebrochen werden konnte. Laut Christoph Hug, Kirchenratspräsident von Ballwil, hat sich «bis September ein tiefes Kirchenaustrittsjahr angekündigt.» Mit Veröffentlichung der Studie seien die Zahlen aber «stark gestiegen». Nach der Medienmitteilung, die Ballwil Ende September veröffentlichte, hätten sich die Zahlen halbiert – und das sei den gesamten Oktober über so geblieben.

Evelyne Huber (links) und Monika Koller Schinca, Kirchenratspräsidentinnen in Willisau und Adligenswil
Evelyne Huber (links) und Monika Koller Schinca, Kirchenratspräsidentinnen in Willisau und Adligenswil

Es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen dem Einbehalt der Gelder und dem Brechen der Austrittswelle. Dies legen Rückmeldungen nahe, welche alle beteiligten Kirchgemeinden erhalten haben.

«Mein Mann war knapp daran, aus der Kirche auszutreten. Ihren Entscheid hat er sehr begrüsst und ich konnte ihn (vorläufig) wieder umstimmen. Ich hoffe jetzt auf viele positive Reaktionen», schreibt eine Frau aus Adligenswil. Auch in den Pastoralräumen Willisau und Ballwil wissen die Verantwortlichen von ausgefüllten Austrittserklärungen zu berichten, die «vorerst» nicht eingereicht wurden.

Seit Luzerner Missbrauchsstudie 2013 nichts passiert

Im Gespräch mit kath.ch verweisen die Willisauer Kirchenratspräsidentin Evelyne Huber und Kirchmeierin Antonia Zihlmann auf die Luzerner Missbrauchsstudie «Hinter Mauern». Diese hatte 2013 Missstände und Missbrauch in kirchlichen Heimen im Kanton Luzern aufgedeckt.

Titelbild des Missbrauchsstudie "Hinter Mauern" aus dem Jahr 2013.
Titelbild des Missbrauchsstudie "Hinter Mauern" aus dem Jahr 2013.

Die Kirchenführung gelobte damals, gelernt zu haben. «Und jetzt sehen wir zehn Jahre später: Es hat sich nichts geändert.» Deshalb misstrauten die Menschen den Versprechungen der Bischöfe. «Die Menschen brauchen Taten, keine Worte», sagt die Adligensiwiler Kirchmeierin Mirjam Meyer.

Dass der Geldhebel wirkt und die Ausbruchswelle gebrochen werden konnte, sei eigentlich ein gutes Zeichen. Denn es zeige, dass die Menschen in der Kirche sein und bleiben wollen. Aber sie brauchen, dass sich ihre Kirche ändert – «und zwar nicht morgen oder übermorgen, sondern jetzt», sagt Evelyne Huber.

Keine Alles-oder-Nichts-Frage

Mirjam Meyer hofft, dass die Synode der Landeskirche den Gemeinden den Rücken stärken und sich klar hinter den Reformforderungen positionieren wird. Diese sind in grossen Teilen deckungsgleich mit den Forderungen der RKZ.

Urs Brosi und Renata Asal-Steger gingen im September auf Konfrontation mit der Schweizer Bischofskonferenz.
Urs Brosi und Renata Asal-Steger gingen im September auf Konfrontation mit der Schweizer Bischofskonferenz.

Wie die RKZ fordern auch die Kirchgemeinden eine unabhängige Meldestelle mit Kontrollfunktion. Missbrauchsmeldungen sollen unabhängig, also extern, untersucht werden. Die Kirchgemeinden fordern ausserdem das Ende der Aktenvernichtungen. Dies wurde von Seiten der Schweizer Bischofskonferenz bereits zugesichert. Die vierte Forderung der Gemeinden nach der Öffnung der Nuntiatur-Archive in Bern wird aktuell geprüft.

«Es ist keine Alles-oder-Nichts-Frage», sagen sowohl Huber als auch Hug. Die Kirchgemeinden können sich vorstellen, die Gelder auch tranchenweise auszuzahlen. Die ersten 25 Prozent, wenn die externe Fachperson bekannt ist, welche Bischof Bonnemain bei der Voruntersuchung gegen seine Bischofskollegen unterstützt. Die zweiten 25 Prozent, wenn klar ist, wie die Meldestelle aussehen soll. Und so weiter.

Quadratur des Kreises

Annegreth Bienz-Geisseler, Synodalratspräsidentin der katholischen Kirche im Kanton Luzern, muss nächste Woche die Quadratur des Kreises vollbringen. Grundsätzlich verstehe sie die Forderungen der Basis. «Das ist auch ein Ausdruck einer gewissen Hilflosigkeit.» Denn es seien die Kirchenräte, die mit den Austrittsschreiben konfrontiert seien und darauf reagieren müssten. Sie als Synodalratspräsidentin sei weiter weg. Aber sie müsse auch die Verpflichtungen der Landeskirche gegenüber dem Bistum berücksichtigen.

Die Luzerner Synodalratspräsidentin Annagreth Bienz-Geisseler (r) im Gespräch mit RKZ-Präsidentin Renata Asal-Steger (Archivbild)
Die Luzerner Synodalratspräsidentin Annagreth Bienz-Geisseler (r) im Gespräch mit RKZ-Präsidentin Renata Asal-Steger (Archivbild)

Bienz-Geisseler betonte, dass die Landeskirche Luzern die Forderungen der RKZ unterstütze. Sollte die Schweizer Bischofskonferenz hinter diesen Forderungen zurückbleiben, sei es durchaus möglich, dass die RKZ in Zukunft Sanktionen einleite und Teilbeträge zurückbehalten werde, so die Synodalratspräsidentin gegenüber kath.ch. Die Kirchgemeinden sehen das anders: Diese Zukunft müsse jetzt sein, finden sie. Denn ihnen liefen jetzt die Mitglieder davon.

Warten können sie sich nicht leisten

Seit 2018 erfasst Willisau die durch Austritte fehlenden Steuern. Erst waren es nur 8’000 Franken, letztes Jahr fehlten 45’000 Franken und für dieses Jahr erwartet die Kirchgemeinde Ausfälle von 55’000 Franken. Mit Blick auf die finanzielle Lage sagt Antonia Zihlmann: «Ob wir alle unsere bisherigen Verpflichtungen mit diesen hohen Ausfällen auch künftig erfüllen können, ist ungewiss.

«Wir haben schlicht keine Zeit abzuwarten, ob die Bischöfe dieses Mal wirklich etwas machen.»

Evelyne Huber, Kirchenratspräsidentin Willisau

Auch Kirchenratspräsidentin Evelyne Huber findet es vor diesem Hintergrund «eine ganz blöde Aussage», wenn der Bischof nun emotionalen Druck mache und sage: Wenn wir die Gelder nicht bekommen, können wir unsere Dienstleistungen nicht mehr anbieten. Denn das sieht an der Basis nicht anders aus. Hier spüre man das Wegbrechen der Gelder seit Jahren. Und daher wisse man hier: «Wir haben schlicht keine Zeit abzuwarten, ob die Bischöfe dieses Mal wirklich etwas machen. Und nur falls sich ein neues 2013 abzeichnet, nochmal neu zu überlegen».

Die Rebellen haben den Druck kurz vor Synodenbeginn nochmals erhöht. Am 2. November reichten sechs der sieben Synodenfraktionen eine Dringliche Motion ein. In dieser legen sie ihre Forderungen der Synode zur Diskussion vor. Die Luzerner Landessynode wird darüber voraussichtlich am Mittwoch, zum Anfang der Herbstsession, abstimmen.

Hier geht es zum Text der Dringlichen Motion.


Der Luzerner Synodalrat hat auf Druck der Synode Finanzmassnahmen gegen das Bistum Basel beschlossen. | © 2022 Roberto Conciatori
5. November 2023 | 16:00
Lesezeit: ca. 4 Min.
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