Adrian Müller, Guardian des Klosters Rapperswil
In eigener Sache

10 Jahre Katholisches Medienzentrum: «Ziel war und ist guter Journalismus»

Anlässlich des Mediensonntags am 26. Mai erzählen sechs Beteiligte, wie sie die Gründung des Katholischen Medienzentrums in Zürich vor zehn Jahren erlebt haben: der aktuelle Vereinspräsident Adrian Müller, die ehemaligen Vereinspräsidenten Odilo Noti und Willi Anderau sowie der langjährige Direktor Charles Martig.

Warum wurde das katholische Medienzentrum gegründet?

«Das Katholische Medienzentrum wurde am 14. Mai 2014 gegründet, um die Sichtbarkeit und Relevanz von Kirche in der Medienöffentlichkeit zu steigern», schreibt Charles Martig. «Die katholische Medienarbeit in der Schweiz war um das Jahr 2012 zu stark fragmentiert. Aus fünf Organisationen wurden drei, das heisst die drei Medienzentren in Lausanne, Lugano und Zürich.»

Odilo Noti spricht von einer notwendigen Bündelung und Professionalisierung der kirchenpublizistischen Aktivitäten. In der Deutschschweiz seien die Katholische Internationale Presseagentur Kipa und der Katholische Mediendienst zusammengelegt worden – quasi in einem Konvergenzprojekt, das der Digitalisierung Rechnung trug.

Generalversammlung des Katholischen Medienzentrums, März 2024
Generalversammlung des Katholischen Medienzentrums, März 2024

Ähnliches berichtet Willi Anderau. Er charakterisiert die Vorgängerorganisationen: Die Kipa habe Pressenachrichten auf Französisch und Deutsch produziert, der Katholische Mediendienst – und andere Organisationen in der West- und Südschweiz seien für die Zusammenarbeit mit den SRG-Medien zuständig gewesen.

«Aus ökonomischen Gründen war eine Bündelung der Kräfte dringend angezeigt.»

Adrian Müller

Gründungspräsident Anderau betont weiter: «Aus ökonomischen Gründen war eine Bündelung der Kräfte dringend angezeigt.» Was dahinter steckte, erzählt der aktuelle Vereinspräsident Adrian Müller: «Das katholische Pressewesen fiel weg». Konkret: Die katholischen Zeitungen gingen eine nach der anderen ein. «Die Nachfrage nach Pressetexten fiel weg.» So schwanden auch die Einnahmen.

Warum haben Sie sich daran beteiligt?

«Ich war wesentlich beteiligt an der Neukonzeptionierung der kirchlichen Medienarbeit in der Schweiz und natürlich auch des neuen Medienzentrums in Zürich», schreibt Gründungspräsident Willi Anderau. Anderau war 2005 bis 2014 Präsident des Vereins Katholischer Mediendienst und Mitglied der Medienkommission der Schweizer Bischofskonferenz. Zudem hatte er von 1988 bis 2005 als Bischöflicher Beauftragter im Katholischen Mediendienst gearbeitet.

Odilo Noti
Odilo Noti

«Ich war zuvor im Vorstand des Katholischen Mediendienstes, der das Fusionsprojekt aktiv vorangetrieben hat», schreibt Odilo Noti. Er sei als Leiter des Bereichs Kommunikation von Caritas Schweiz für die Vorstandsarbeit angefragt worden. Für die Caritas sei es aufgrund ihrer Zusammenarbeit mit der katholischen Kirche klar gewesen, dass sie sich bei der Neuausrichtung der kirchlichen Medienarbeit engagierten.

«Weil ich im Vorstand der Kipa/apic war und vom Orden der Kapuziner den Auftrag hatte, mich in den Medien zu engagieren», begründet Adrian Müller sein Mitwirken an der Gründung des Medienzentrums.

Journalismus: Arbeit am Text
Journalismus: Arbeit am Text

«Ich war sehr an der Gestaltung und Leitung des neuen Medienzentrums in Zürich interessiert», sagt Charles Martig, der vom Start im Januar 2015 an bis Anfang 2024 Direktor des Katholischen Medienzentrums war. «Der Aufbau eines katholischen Newsrooms in Zürich hat mich gereizt.»

Wie haben Sie die Gründungssitzung wahrgenommen?

«Die Gründungsversammlung verlief ausgesprochen ruhig und unspektakulär», sagt Odilo Noti. «Die Neugründung war sorgfältig und im Konsens vorbereitet worden.»

Adrian Müller an der GV, März 2024
Adrian Müller an der GV, März 2024

«Auf Seiten der Kipa/Apic habe ich eher Spuren von nostalgischer Wehmut festgestellt.»

Willi Anderau

«Die Atmosphäre war konstruktiv und zukunftsgerichtet», findet Charles Martig. Der Gründungspräsident Willi Anderau hat Unterschiedliches wahrgenommen: «Es herrschte von Seiten des Mediendienstes so etwas wie Aufbruchstimmung. Auf Seiten der Kipa/Apic habe ich eher Spuren von nostalgischer Wehmut festgestellt.»

Eine Zurückhaltung seitens Kipa stellt auch Adrian Müller fest: «Es war sicher keine Liebesheirat zwischen Mediendienst und Kipa. Die Umstände forderten eine solchen Zusammenschluss. Auf Seite Kipa befürchteten wir, dass wir journalistische Freiheiten verlieren.»

Was waren die Ziele, was sollten diese heute noch sein?

«Guter Journalismus war das Ziel und soll es auch heute noch sein», sagt der aktuelle Vereinspräsident Adrian Müller. «Doch erlebt der Journalismus seither grosse Veränderungen und in der Zukunft noch echte Herausforderungen. Das bedingt stete neue Ausrichtungen.»

Willi Anderau im Gespräch mit einem Mitbruder, 2020
Willi Anderau im Gespräch mit einem Mitbruder, 2020

Auch Anderau sieht die «professionelle mediale Präsenz von kirchlichen Themen in einer eigenen medialen Kommunikation» als Hauptziel. Gleichzeitig sollte «die offene Berichterstattung den freien Dialog unter den Mitgliedern der Kirche ermöglichen und garantieren.»

Charles Martig sieht das ähnlich. Er fügt an, das Medienzentrum sei zudem bei den verkündigenden Sendungen auf Schweizer Fernsehen und Radio SRF engagiert, also für die Mission der Kirche in der Gesellschaft. Und er erwähnt die Angebote in Beratung und technischer Unterstützung.

Odilo Noti erinnert daran, dass der Vorstand den Leitsatz geprägt habe: «Das Medienzentrum ist katholisch, relevant, aktuell.» Es pflege einen journalistischen Zugang zu Religion, Politik und Gesellschaft. Und es ordne «kompetent und kritisch» ein. Dabei betont er, der Vorstand habe «katholisch» nicht als eingrenzend, sondern als entgrenzend verstanden.

Künstliche Intelligenz - Illustration
Künstliche Intelligenz - Illustration

«Heute sollte sich das Medienzentrum noch stärker der digitalen Transformation der Gesellschaft zuwenden.»

Charles Martig

Als einziger der vier befragten Gründungsmitglieder formuliert Charles Martig ein neues Ziel für kath.ch: «Heute sollte sich das Medienzentrum noch stärker der digitalen Transformation der Gesellschaft zuwenden.» Es müssten Fragen geklärt werden wie: Wie verändert KI die Alltags- und Arbeitswelt? Was heisst das für die Medienarbeit der Kirchen? Martig erwartet vom Medienzentrum Guidelines dazu sowie eine Beteiligung am gesellschaftlichen Diskurs über die ethischen Implikationen von KI.

Wie erleben Sie heute das Katholische Medienzentrum?

«Es darf sich mit seiner professionellen Arbeit sehen lassen und hebt sich wohltuend ab von der manchmal früher arg beschaulichen und biederen Kommunikations-Inhalten, welch immer weniger Insider zu interessieren vermochten», schreibt Willi Anderau und merkt kritisch an: «Eine Zeitlang hatte ich den Eindruck, dass das neue Medienzentrum der Versuchung zur Boulevardisierung nicht widerstehen konnte. Andererseits hat das Medienzentrum durch die mutige und offene Themenbehandlung auch in andern Medien Respekt und Aufmerksamkeit gewonnen. Und hoffentlich bleibt das so!»

«Die Marke kath.ch hat sich in der Medienlandschaft etabliert», zeigt sich der langjährige Direktor Charles Martig überzeugt. «Sie ist sowohl für eine kirchliche Leserschaft als auch für Kulturkatholik:innen mit einer gewissen Distanz zur Kirche wichtig.» Er erwähnt aber auch Konflikte: «Der Anspruch, einen kritischen katholischen Journalismus zu etablieren prallt auf die Selbstwahrnehmung von Entscheidungsträgern.» Das habe «innerhalb der katholischen Kirche zu Polarisierung geführt».

Charles Martig präsentiert in seiner Abschiedsrede eine ungeschönte Analyse des Umgangs der Kirche mit dem Missbrauch, März 2024
Charles Martig präsentiert in seiner Abschiedsrede eine ungeschönte Analyse des Umgangs der Kirche mit dem Missbrauch, März 2024

«Das Katholische Medienzentrum bleibt auf dem Weg und erlebt gerade grosse Umstrukturierungen», schreibt Adrian Müller.

Warum braucht es ein Katholisches Medienzentrum?

In den säkularen Medien gebe es «heute kaum mehr Fachleute, welche sich in theologischen oder kirchlichen Fragen auskennen», sagt Willi Anderau. «Deshalb ist es immer wichtiger, wenn religiöse, theologische und kirchliche Fragen von Seiten der Kirche kompetent, professionell behandelt werden.»

«Leider sind kirchlich kompetente Journalisten ein rares Gut.»

Adrian Müller

«Leider sind kirchlich kompetente Journalisten ein rares Gut», bedauert auch Adrian Müller, der dem Journalismus eine wichtige Bedeutung zuschreibt – und auch für die Kirche: «Ein glaubwürdiges und unabhängiges Medienzentrum dient der Kirche und ihrem Auftrag heute.»

Das Medienzentrum «ist ein wichtiger Orientierungspunkt für Themen und Positionen in der katholischen Kirche», bringt es Charles Martig auf den Punkt. Es diene als Brücke zu anderen Medien und als Dienstleisterin für katholische Organisationen.

Wie wichtig sind unabhängige Medien in der Kirche?

«Ohne unabhängige Medien gibt es keine offene Gesellschaft. Das Gleiche gilt auch für die Kirche. Eine Kirche, die für den Geist der Freiheit des Evangeliums eintritt, ist ohne unabhängige Medien eine Illusion.» So bringt es Odilo Noti auf den Punkt.

«Unabhängige Medien sind ein Ausweis von Glaubwürdigkeit.»

Charles Martig

Auch Martig bezeichnet unabhängige kirchliche Medien als «sehr wichtig». «Sie sind Intermediäre zwischen Kirche und Gesellschaft. Sie vermitteln zwischen der kaum verständlichen Sprache der Kirche und der Sprache in der allgemeinen Gesellschaft. Zudem sind sie ein Ausweis von Glaubwürdigkeit: Wenn katholische Fachmedien kritisch und unabhängig über Kirche berichten, setzen sie ein wichtiges Zeichen nach aussen.»

«Unabhängiger Journalismus kann kirchliche Schwächen und Fehler offenlegen», gibt Adrian Müller zu bedenken. «Gleichzeitig kann nur unabhängiger Journalismus glaubwürdig über die guten und sozialen Seiten der römisch-katholischen Kirche berichten und erzählen.»

«Unabhängige, professionell geführte Medien sind wichtig», schreibt Willi Anderau. Sie «ermöglichen einen glaubwürdigen und offenen Dialog in der Gesellschaft. In unseren Zeiten, in denen die Katholische Kirche unter einem gewaltigen Problemstau leidet, sind offene und unabhängige Kommunikationskanäle unabdingbar, um die unterschiedlichen Standpunkte darzustellen.»

Die Umfrage wurde schriftlich durchgeführt.

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Kollekte zum Mediensonntag

Am 25. und 26. Mai wird in den Gottesdiensten – und digital bei kath.ch – zur Kollekte des Mediensonntags gebeten. Mit den Spenden werden die katholischen Medienzentren von Zürich (kath.ch), Lausanne (cath.ch) und Lugano (catt.ch) vorrangig begünstigt. Diese Zentren stellen sowohl dem katholischen als auch dem nichtkatholischen Publikum Informationen über das Leben der Kirche und der religiösen Gemeinschaften in der Schweiz, im Vatikan und in der ganzen Welt zur Verfügung. Die Arbeit wird von professionellen Journalistinnen und Journalisten geleistet.

Das gesammelte Geld dient ausserdem zur Finanzierung des Medienpreises der Schweizer Bischofskonferenz sowie der Aktivitäten der Kommission für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit der Schweizer Bischofskonferenz.

Hier der Link zur digitalen Spendemöglichkeit. (pd)


Adrian Müller, Guardian des Klosters Rapperswil | © Regula Pfeifer
24. Mai 2024 | 17:15
Lesezeit: ca. 6 Min.
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