Generalvikar Martin Grichting
Schweiz

Nachfolge Huonder – Ein Who's Who des Churer Domkapitels

Zürich, 14.3.19 (kath.ch) An Ostern endet die Amtszeit des Churer Bischofs Vitus Huonder. Wer sind die Domherren, denen die Wahl seines Nachfolgers obliegt? kath.ch ist die Liste der 24 Mitglieder des Churer Domkapitels durchgegangen und stellt einige der bekannteren Persönlichkeiten vor.

Barbara Ludwig

An Ostern endet die Amtszeit des Churer Bischofs Vitus Huonder, die 2017 um zwei Jahre verlängert worden war. Damit gerät das Churer Domkapitel ins Zentrum des Interesses. Das Gremium ist einer der Player im Wahlprozedere des künftigen Oberhirten. Wer sind die 24 Domherren, die aus einer vom Vatikan erstellten Liste mit drei Kandidaten den neuen Bischof von Chur wählen werden?

Zu den wenigen prominenten Köpfen im Domkapitel zählt Martin Grichting (*1967), seit 2009 Generalvikar für das Bistum Chur. Er wurde von Huonder zum Domherrn ernannt. Der aus Zürich stammende Theologe und Kirchenrechtler wurde 2010 als Kandidat für das Amt eines zweiten Weihbischofs gehandelt, was einen monatelangen Konflikt auslöste. Grichting, der auch schon für die Abschaffung der Kirchensteuer plädierte, gilt als überzeugter Gegner staatskirchenrechtlicher Strukturen. Damit hat sich der rhetorisch versierte Kleriker in weiten Teilen der Kirche Schweiz unbeliebt gemacht. Was die Medienpräsenz betrifft, kann es keiner der Domherren mit ihm aufnehmen. Grichting schreibt regelmässig Gastkommentare für die «Neue Zürcher Zeitung».

Ebenfalls aus dem Kanton Zürich stammt Andreas Rellstab (*1966). Als regionaler Generalvikar für Graubünden war er während zweieinhalb Jahren ein Kollege von Grichting in der Bistumsleitung. 2011 warf Rellstab wegen Differenzen mit Bischof Vitus Huonder das Handtuch. Heute ist er Pfarrer des Seelsorgeraumes St. Anton – Maria Krönung in Zürich. Rellstab ist Mitglied des Ausschusses des «Forums Priester der Diözese Chur», einem losen Zusammenschluss von über 80 Priestern des Bistums, die sich regelmässig treffen. Als ehemaliger Sprecher beim «Wort zum Sonntag» von Schweizer Radio und Fernsehen dürfte Rellstab für nicht wenige Schweizerinnen und Schweizer ein bekanntes Gesicht sein.

Davon kann bei Andreas Fuchs (*1970) nicht die Rede sein. Der ehemalige Pfarrer von Wetzikon und Gossau im Kanton Zürich hat 2011 den Posten von Rellstab geerbt, ist seitdem also Generalvikar für Graubünden. Der Geistliche, der im Gegensatz zu Grichting medial nicht präsent ist, gehört der Gemeinschaft der «Servi della Sofferenza» (Diener des Leidens) an. Die Mitglieder des Säkularinstituts betonen den Wert des Leidens. Fuchs hat Beziehungen zur konservativen katholischen Gebetsstätte Wigratzbad im süddeutschen Landkreis Lindau. Zum Domherrn ernannt wurde Andreas Fuchs von Huonder.

Mann mit vielen Ämtern

Ein Mann mit vielen Ämtern und Funktionen ist Joseph Maria Bonnemain (*1948), der einst in Zürich Medizin studierte und auch eine Zeitlang als Arzt arbeitete. Seit 1989 ist das Urgestein des Bistums, das bereits vier Bischöfe erlebte, Vorsitzender des Diözesangerichts (Offizial). Als Mitglied im Bischofsrat beteiligt sich Bonnemain auch an der Leitung der Diözese. Der Mann, der seit dem Medizinstudium dem «Opus Dei» angehört, hat keine Angst, sich mit anspruchsvollen Themen zu befassen: Er ist Sekretär des Fachgremiums «Sexuelle Übergriffe im kirchlichen Umfeld» der Schweizer Bischofskonferenz. Im April 2011 – das Bistum steckte nach dem Weggang von zwei Kaderleuten in einer tiefen Krise – wurde Bonnemain zum Bischofsvikar für die Beziehungen zu den staatskirchenrechtlichen Organisationen und den Kantonen ernannt. Als solcher soll er das zerbrochene Vertrauen zwischen Diözese und Bistumskantonen wieder kitten.

Über die Bistumsgrenzen hinaus bekannter Exorzist

Auch Christoph Casetti (*1943) kann auf eine lange Karriere im Bistum Chur zurückblicken. Während 22 Jahren war er Sprecher des Bischofs, bis ihn Ende 2010 Giuseppe Gracia in dieser Funktion ablöste. Der Zürcher ist Bischofsvikar für die Glaubensverkündigung und Katechese und Mitglied im Bischofsrat. Casetti hat in der Ehe- und Familienseelsorge ein Wirkungsfeld gefunden. Er engagiert sich auch in der Geschiedenenpastoral. Im April 2014 erhielt Casetti die volle Entscheidungsbefugnis für das Priesterseminar St. Luzi, ohne jedoch Regens zu sein. Diese Aufgabe bekam er, nachdem Weihbischof Marian Eleganti wegen Spannungen mit Huonder das Amt des Regens abgegeben hatte. Casettis Bekanntheit über die Grenzen des Bistums hinaus verdankt er seiner Tätigkeit als Exorzist; 2008 nahm er an einer Diskussion im Club des Schweizer Fernsehens zu dem Thema «Exorzismus» teil.

Im Gegensatz zu Casetti gehört Roland Graf (*1961) nicht zur Bistumsleitung. Als Sekretär des Churer Priesterkreises dürfte der Pfarrer von Unteriberg SZ aber ganz hinter derselben stehen. Der Priesterkreis gilt als Vereinigung, die der gegenwärtigen Bistumsleitung besonders nahesteht. Graf wurde von Huonder zum Domherrn ernannt. Er ist Präsident ad interim des Schweizer Ablegers von «Human Life International». Die Lebensschutzorganisation gehört zur Trägerschaft des seit 2010 jährlich stattfindenden «Marsch fürs Läbe», an dem jeweils Abtreibungsgegner unterschiedlicher Konfessionen teilnehmen.

Dienstältester Domherr seit 1977 im Amt

Auch Franz Imhof (*1964) gehört dem Churer Priesterkreis an, in der Funktion des Präses. Vom Domherrn, der Pfarrer in Attinghausen UR ist, hört man in der breiteren Öffentlichkeit kaum etwas. Er wurde ebenfalls von Huonder zum Mitglied des Domkapitels ernannt.

Ein Urgestein der Zürcher Kirche ist schliesslich Franz Stampfli (*1935). Seit 1977 ist er Mitglied im Domkapitel und damit der dienstälteste Domherr. Stampfli war an verschiedenen Orten als Pfarrer in der Seelsorge tätig. Von 1973 bis 1994 arbeitete er als Sekretär des Generalvikariats in Zürich. Dort war er bis 1991 auch für die Medienarbeit des Bistums Chur und anschliessend für das Generalvikariat zuständig. Stampfli liebt theologische Debatten, wie er 2012 gegenüber der Presseagentur Kipa sagte. Heute ist der Pfarrer im Ruhestand als Pfarradministrator in Herrliberg ZH tätig.

Zwei Vertreter aus dem Kanton Schwyz

Mit Guido Schnellmann (*1939), einst Professor an der Kantonsschule Kollegium Schwyz, und Peter Camenzind (*1961) vertreten zwei Standesdomherren die Interessen des Kantons Schwyz im Bistum Chur. Camenzind ist Pfarradministrator in Schwyz. Er ist bereits seit 2004 Mitglied im Domkapitel. Standesdomherr ist er jedoch erst seit dem vergangenen Jahr.

Dienstjüngster Domherr ist Paul Schlienger (*1962), Pfarradministrator in Stierva GR. Vitus Huonder hat den Wallfahrtspriester von Ziteil, einer Marienwallfahrtsstätte im Kanton Graubünden, im vergangenen Jahr zum Mitglied des Domkapitels bestimmt. Seit 1999 betreut der Geistliche, der auch gelernter Koch und Absolvent der Hotelfachschule ist, den Wallfahrtsort auf 2434 Metern über Meer.

Hinweis: Dieser Beitrag ist eine aktualisierte und überarbeitete Fassung eines Artikels, der im Februar 2017 publiziert wurde.


Generalvikar Martin Grichting | © Regula Pfeifer
14. März 2019 | 12:48
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Wie tickt das Domkapitel?

Vitus Huonder hat im Verlauf seiner knapp zwölfjährigen Amtszeit zehn der 24 amtierenden Domherren ernannt. Dies könnte Auswirkungen haben auf die Wahl des Nachfolgers von Huonder. Denn dem Domkapitel kommt unter anderem das Recht zu, nach dem Rücktritt des Diözesanbischofs aus einer von Rom vorgelegten Dreierliste den neuen Oberhirten des Bistums Chur zu wählen.

«Aus diesem Zahlenverhältnis kann man wohl den Einfluss des jetzigen Bischofs betreffend die Zusammensetzung und Haltung des Kapitels einschätzen», teilte dazu Bischofsvikar und Domherr Joseph Maria Bonnemain auf Anfrage mit.

Deutlich kritischer äussert sich gegenüber kath.ch Hugo Gehring, Leiter des Dekanates Winterthur. Der Pfarrer vertritt die Ansicht, Huonder habe bei der Ernennung der Domherren einzig und allein darauf geachtet, dass diese ihm «bedingungslos ergeben» seien und bereit, Generalvikar Martin Grichting zum Bischof zu wählen. Dieser ist innerhalb der Diözese umstritten.

Werner Inderbitzin, Sprecher der Biberbrugger Konferenz, bleibt vorsichtig. Er kenne nur wenige der Domherren, teilte er auf Anfrage mit. Daher sei es für ihn «schwierig» zu beurteilen, wie sich die Erneuerung des Kapitels durch Huonder auf die anstehende Wahl auswirke. Allerdings kann er sich «nicht vorstellen, dass alle von Bischof Vitus ernannten Domherren mit der gegenwärtigen Situation im Bistum Chur zufrieden sind». Die Biberbrugger Konferenz ist der Zusammenschluss der Kantonalkirchen im Bistum Chur. (bal)