Kirche in Vaduz
International

Liechtensteiner Regierung verabschiedet Reformpaket zu Religionsgemeinschaften

Künftig sollen im Fürstentum Liechtenstein mehr Religionsgemeinschaften staatlich anerkannt werden können. Die Regierung hat eine entsprechende Reformvorlage verabschiedet. Im Rahmen der Vernehmlassung gab es vier ablehnende Stellungnahmen – darunter vom Erzbistum Vaduz – während andere Religionsgemeinschaften die Vorlage begrüssen.

Barbara Ludwig

Bislang ist im Fürstentum Liechtenstein einzig die römisch-katholische Kirche staatlich anerkannt. Alle anderen Religionsgemeinschaften müssen sich gemäss geltendem Recht privatrechtlich organisieren. Das will die Regierung des Landes ändern. Am Dienstag hat sie ein Reformpaket verabschiedet, das sie im Mai vergangenen Jahres in die Vernehmlassung geschickt hatte.

Keine vollständige Entflechtung von Kirche und Staat

Mit der Vorlage soll das geltende staatskirchenrechtliche System neu geordnet und in ein modernes Religionsverfassungsrecht überführt werden, teilte die Regierung am Mittwoch mit. Ziel ist demnach eine «sachgemäss abgestufte Gleichbehandlung aller Religionsgemeinschaften». Nicht vorgesehen ist eine vollständige Entflechtung von Staat und Kirche. «Es werden aber für eine allfällige künftige vermögensrechtliche Entflechtung zwischen den Gemeinden und der Landeskirche begünstigende Voraussetzungen festgelegt», schreibt die Regierung. Nicht vorgesehen ist ein Konkordat mit dem Heiligen Stuhl.

Kathedrale St. Florin in Vaduz
Kathedrale St. Florin in Vaduz

Die Vorlage umfasst eine Änderung der Verfassung, ein neues Religionsgemeinschaftengesetz und geringfügige Änderungen weiterer Gesetze. Die römisch-katholische Kirche behält indes auch im neuen System ihren besonderen Status als «Landeskirche», wie dies die Verfassung festhält.

Zwei protestantische Kirchen von Gesetzes wegen anerkannt

Künftig kann der Landtag aber anderen Religionsgemeinschaften die Anerkennung direkt im (neuen) Religionsgemeinschaftengesetz zusprechen. Oder sie können später im Rahmen eines Anerkennungsverfahrens durch die Regierung anerkannt werden. Zu den Religionsgemeinschaften, die von Gesetzes wegen anerkannt werden, zählen die evangelische Kirche und die evangelisch-lutherische Kirche. Sie erhalten dank der Reform die Anerkennung, ohne dass sie ein besonderes Verfahren durchlaufen müssen.

Anzeige ↓ Anzeige ↑

Das neue Religionsgemeinschaftengesetz regelt die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit privatrechtlich organisierte Gemeinschaften durch die Regierung staatlich anerkannt werden können beziehungsweise damit ihnen bestimmte Vorrechte verliehen werden können, heisst es in der Mitteilung. Staatlich anerkannte Religionsgemeinschaften bekommen unter anderem das Recht auf konfessionellen Unterricht an staatlichen Schulen und dürfen Seelsorge in öffentlichen Einrichtungen anbieten.

Andere Religionsgemeinschaften begrüssen Reform

Fast dreissig Stellungnahmen sind im Rahmen der Vernehmlassung eingegangen. Das meldet «Das Liechtensteiner Vaterland» am Donnerstag. 17 würden den Vorschlag der Regierung überwiegend befürworten.

Mehrere Religionsgemeinschaften haben demnach ihre grundsätzliche Zustimmung zur Vorlage geäussert. Dazu zählen die Evangelische Kirche Liechtenstein, die Evangelisch-lutherische Kirche im Fürstentum Liechtenstein, die Christlich-Orthodoxe Religionsgemeinschaft, die Islamische Gemeinschaft sowie die Freie Evangelische Gemeinde Schaan.

Ungünstiger Zeitpunkt

Der Verein für eine offene Kirche erachtete den Zeitpunkt für ungünstig, so die Zeitung. Angesichts des bevorstehenden Wechsels auf dem Bischofsstuhl des Erzbistums sei es nachteilig, dass die neue Bistumsleitung noch nicht einbezogen werden könne.

Wolfgang Haas, ehemaliger Erzbischof von Vaduz und früherer Bischof von Chur.
Wolfgang Haas, ehemaliger Erzbischof von Vaduz und früherer Bischof von Chur.

Laut der Zeitung lehnen vier Akteure die Reformvorlage grundsätzlich ab. Dazu zählen unter anderem das Erzbistum Vaduz, das Römisch-katholische Pfarramt Ruggell und der Verein für Menschenrechte.

In seiner Stellungnahme vom 5. Juni hatte der unterdessen emeritierte Erzbischof Wolfgang Haas die Pläne der Regierung kritisiert. Durch ein «einseitig» vom Staat erlassenes Gesetz werde die Problematik einer «Verstaatlichung» von Religionen offenbar. Der Staat wäre mit dieser Aufgabe überfordert, fand Wolfgang Haas. Als problematisch erachtete er auch eine der Voraussetzungen, die Religionsgemeinschaften erfüllen müssen, wenn sie die staatliche Anerkennung erlangen wollen.

Generalvikar Markus Walser an der Fronleichnamsprozession in Ruggell.
Generalvikar Markus Walser an der Fronleichnamsprozession in Ruggell.

Das Römisch-katholische Pfarramt Ruggell monierte laut dem «Liechtensteiner Vaterland», die Vorlage entstamme einem überholten Konzept der «Staatskirchenhoheit», die den Staat als einzige Rechtsquelle auffasse.

Zudem sei der konfessionelle Religionsunterricht der Regierung ein Dorn im Auge, die Vorlage enthalte dazu nur schöne, aber unrealistische Worte und diene der verborgenen Absicht, ihn aus dem regulären Schulunterricht zu verbannen.

Pfarrer in Ruggell ist Markus Walser, der ehemalige Generalvikar des Erzbistums. Seit dem Rücktritt von Wolfgang Haas leitet vorübergehend Benno Elbs, der Bischof von Feldkirch, das Erzbistum Vaduz als Apostolischer Administrator.

Voraussichtlich im April wird sich laut dem «Liechtensteiner Vaterland» der Landtag mit der Vorlage befassen.


Kirche in Vaduz | © Christian Merz
8. Februar 2024 | 14:00
Lesezeit: ca. 3 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!