Stefan Sigg
Konstruktiv

Stephan Sigg über Firmvorbereitung: «Bin fast ein bisschen eifersüchtig»

Der Theologe und Buchautor Stephan Sigg kann sich kaum noch an seine Firmung erinnern. Seine Firmvorbereitung war zudem wenig lebensnah. Eine Jugendgruppe hatte aber grossen Einfluss auf sein späteres Engagement in der Kirche.

Jacqueline Straub

Um Pfingsten herum werden viele junge Menschen gefirmt. Wie haben Sie Ihre Firmung in Erinnerung?

Stephan Sigg*: Ich wurde in der 1. Oberstufe gefirmt, also sehr früh. Ich kann mich deshalb auch an fast gar nichts mehr erinnern. Das bedauere ich eigentlich sehr. Ich wurde damals gefirmt, weil das einfach alle katholische Jugendlichen so gemacht haben.

«So etwas hätte ich als Jugendlicher auch gerne erlebt.»

Es war also keine bewusste Entscheidung?

Sigg: Es war alles andere als eine bewusste Entscheidung. Das einzige, was ich noch vor Augen habe: Die Kirche war total voll, festlich geschmückt, und der Firmspender war Bischof Ivo Fürer. Ich bin sehr froh, dass es heute vielerorts anders ist. Jugendliche werden mit 17 oder 18 Jahren gefirmt, sie entscheiden sich bewusst für das Sakrament und setzen sich in der Vorbereitung darauf intensiv mit dem Glauben, mit Gott, der Kirche und ihrer eigenen Identität auseinander. Wenn ich meine Firmvorbereitung mit den Jugendlichen heute vergleiche, bin ich fast ein bisschen eifersüchtig. So etwas hätte ich als Jugendlicher auch gerne erlebt.

Ivo Fürer im Jahr 2019.
Ivo Fürer im Jahr 2019.

Welche Themen wurden damals bei der Firmvorbereitung besprochen?

Sigg: Genauso wenig wie an die Firmung kann ich mich kaum bis gar nicht an die Vorbereitung erinnern. Es gab nur ein paar wenige vorbereitende Treffen. Dabei habe ich mich eigentlich immer schon für den Glauben interessiert: Sofort nach der Erstkommunion begann ich zu ministrieren und war voller Eifer Ministrant. Offensichtlich wurde uns die Firmung zu wenig lebensnah vermittelt oder wir waren in diesem Moment einfach noch nicht bereit für dieses Sakrament.

«Aber gerade das hat mich abgeholt.»

Welche Themen hätten Sie sich gewünscht?

Sigg: Ich hätte mir gewünscht, dass unsere Fragen zum Glauben, zur Kirche und zum Leben ganz offen diskutiert werden. Kurz nach der Firmung wurde in unserer Pfarrei eine Jugendgruppe gegründet. Etwa zehn bis 15 Jugendliche trafen sich einmal in der Woche im «Teenie-Club». Die beiden Leiterinnen waren nur ein paar Jahre älter als wir und hatten auch keine theologische oder pädagogische Ausbildung. Trotzdem war diese Gruppe für mich und die anderen sehr prägend: Wir konnten über alles sprechen, das uns beschäftigt – oft Themen, für die sonst in der Schule kein Platz war. Die beiden Leiterinnen diskutierten mit und brachten ihre Sicht ein, oft hatten sie auch noch keine Antwort gefunden. Aber gerade das hat mich abgeholt. Wir haben auf Augenhöhe miteinander diskutiert und wurden auch als Jugendliche ernst genommen. Zu einer der beiden Leiterinnen habe ich bis heute Kontakt, sie ist inzwischen eine gute Freundin. Diese Jugendgruppen-Erfahrung hatte sicher auch einen grossen Einfluss darauf, dass ich mich später in der Kirche engagiert und für das Theologiestudium entschieden habe.

Heiliger Geist als Taube, dargestellt in einer Kuppel.
Heiliger Geist als Taube, dargestellt in einer Kuppel.

Sie haben das Buch «Firmung for Future. Träumen und Nachdenken über eine faire Zukunft» geschrieben. Wie verbinden Sie dort Glauben und nachhaltiges Leben?

Sigg: Ich habe Geschichten geschrieben, die im Alltag von Jugendlichen spielen. Ich verknüpfe die Alltagserfahrungen von Jugendlichen mit der Frage der Schöpfungsverantwortung. Dieses Thema ist ein tolles Beispiel, um Jugendlichen zu zeigen: Glaube ist nicht etwas Theoretisches, Abstraktes, sondern es geht darum, das Christsein im Alltag konkret werden zu lassen.

"Firmung for Future"
"Firmung for Future"

Wo beginnt das?

Sigg: Das beginnt zum Beispiel schon bei der Rettung von Lebensmitteln oder dem Visualisieren von positiven Zukunftsbildern. Spannend finde ich gerade, dass beim Engagement für Nachhaltigkeit Gemeinschaft gefragt ist. Einzelne können wenig bewegen, aber wenn man sich zusammentut, kann sich etwas verändern. Bei der Firmung setzen wir uns ja auch damit auseinander, welche Werte in meinem Leben eine Rolle spielen sollen und wo und wie ich Verantwortung übernehme. Dazu gehört auch die Schöpfungsverantwortung.

«Nicht resignieren, sondern auf die Hoffnung setzen.»

Warum haben Sie das Thema Nachhaltigkeit für Ihr Firm-Buch aufgegriffen?

Sigg: Das Thema beschäftigt viele Jugendliche sehr. Bei manchen löst der Klimawandel sogar regelrecht Angst und Ohnmacht aus. Mir ist es ein Anliegen, Jugendlichen zu zeigen, dass sie sich als Christinnen und Christen einbringen können: Nicht resignieren, sondern auf die Hoffnung setzen – auch wenn niemand von uns die Welt verändern kann, kann jeder Teil eines Anfangs sein.

Firmung einer Jugendlichen
Firmung einer Jugendlichen

Sie wollen mit Ihren Geschichten auch Mut machen.

Sigg: Genau. Die Jugendlichen sollen aber auch Ideen liefern, wie viele Möglichkeiten es gibt. Es ist ja das Schöne, dass sich Jugendliche jeweils gemeinsam mit anderen auf die Firmung vorbereiten – sie sind als Gruppe unterwegs. Vielleicht wird ihnen durch diese gemeinsamen Erfahrungen auch bewusst: Wenn ich mich mit anderen zusammentue, können wir alle gemeinsam sehr viel erreichen und die Zukunft prägen.

«Bei einer Lesung hat eine Geschichte viele Fragen ausgelöst.»

Was für Rückmeldungen haben Sie von jungen Menschen oder Firmbegleitenden erhalten?

Sigg: Das Buch ist erst vor ein paar Wochen erschienen. Deshalb habe ich damit bis jetzt erst ein paar wenige Lesungen machen können und noch nicht so viele «O-Ton»-Rückmeldungen von Jugendlichen erhalten. Bei einer Lesung in Österreich hat die Geschichte «Kein Blablabla» viele Fragen und Kommentare ausgelöst. Es geht in dieser Geschichte um eine Firmgruppe, die sich ärgert, dass zu viel über Klimawandel gesprochen wird, aber zu wenig Massnahmen ergriffen werden. In der Geschichte probieren die Jugendlichen das «Containern» aus. Sie fischen weggeworfene Lebensmittel aus Mülltonnen.

Lebensmittel mit Mäkeln lassen sich weniger gut verkaufen - das fördert die Verschwendung.
Lebensmittel mit Mäkeln lassen sich weniger gut verkaufen - das fördert die Verschwendung.

Wie waren die Reaktionen darauf?

Sigg: Da kam es bei der Lesung unter den Jugendlichen gleich zu einer Diskussion, ob Containern verboten ist oder nicht. Wie kann es verboten sein, wenn man etwas für die Umwelt tun will? Wie viel bringen so kleine Massnahmen wirklich – während es viel entscheidender wäre, dass Grosskonzerne etwas ändern? Ich war erstaunt, wie viele der Jugendlichen da gleich eine Ohnmachts-Haltung propagierten, nur wenige hatten ein Bewusstsein für die Macht der einzelnen Konsumentinnen und Konsumenten. Ansonsten zeigen mir die Reaktionen von Firmverantwortlichen und Religionslehrpersonen: Obwohl das Thema Schöpfungsverantwortung so aktuell ist und viele Zugänge möglich sind, wird es gerade in der Jugendpastoral und Religionsunterricht noch zu wenig aufgegriffen. Ich hoffe, dass meine Geschichten einen kleinen Beitrag leisten, damit sich das ändert.

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* Stephan Sigg ist St. Galler Theologe und Buchautor. Sein jüngstes Buch heisst «Firmung for Future. Träumen und Nachdenken über eine faire Zukunft».


Stefan Sigg | © zvg
22. Mai 2024 | 06:00
Lesezeit: ca. 4 Min.
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