Nicht nur im Kloster fehlt der Nachwuchs. Auch die Kantonalkirchen haben Mühe, ihre Stellen zu besetzen.
Rauchzeichen

Bundesrat in Müstair, Alain de Raemy, Anselm Grün: Was diese Woche wichtig wird

Die Benediktinerin Johanna Steiner hat heute in Müstair ihren grossen Auftritt: Sie wird dem Bundesrat Tee einschenken. Der neue Posten von Weihbischof Alain de Raemy ist ein Misstrauensvotum gegen den Tessiner Klerus. Rosmarie Schärer arbeitet nicht mehr fürs Bistum Chur. Und Pater Anselm Grün kommt nach Einsiedeln.

Raphael Rauch

Ferienbedingt gibt’s das «Rauchzeichen» heute nicht zum Wochenstart, sondern zur Mitte der Woche – pünktlich zum Besuch des Bundesrats in Müstair.

Sitzung «extra muros»

Heute wird der Bundesrat «eine Sitzung extra muros in Graubünden abhalten», teilte das Gremium Ende September mit dem notwendigen Pathos mit. «Nach der Sitzung ist im Ortszentrum von Müstair in der Region Unterengadin/Münstertal eine Begegnung mit der Bündner Bevölkerung und der Kantonsregierung vorgesehen.»

Schwester Johanna Steiner in Müstair.
Schwester Johanna Steiner in Müstair.

Entsprechend aufgeregt sind die Benediktinerinnen des Klosters St. Johann. Die leibliche Schwester der Priorin Aloisia Steiner, Schwester Johanna Steiner, wird den Bundesrätinnen und Bundesräten heute reinen Tee einschenken. Wir werden berichten.

Jurassier trifft Waadtländer: Bischof Joseph Bonnemain und Bundesrat Guy Parmelin 2021 in Müstair beim Mittagessen.
Jurassier trifft Waadtländer: Bischof Joseph Bonnemain und Bundesrat Guy Parmelin 2021 in Müstair beim Mittagessen.

Die Benediktinerinnen von Müstair haben mit VIP-Besuchen Übung: Vor einem Jahr kam der damalige Bundespräsident Guy Parmelin nach Müstair. Heute bringt Bundespräsident Ignazio Cassis all seine Kolleginnen und Kollegen mit.

Mittagstisch mit Bischof Jean-Marie Lovey

Der Bischof von Sitten, Jean-Marie Lovey, lädt am heutigen Mittwoch zu einem «Mittagstisch mit dem Bischof» ein – und zwar im Bildungshaus St. Jodern. «Wir beginnen die Zusammenkunft um 11.45 Uhr in der Kapelle mit einem Mittagsgebet und werden anschliessend gemeinsam essen», heisst es in einer Ankündigung.

Jean-Marie Lovey ist Bischof von Sitten und Augustiner-Chorherr.
Jean-Marie Lovey ist Bischof von Sitten und Augustiner-Chorherr.

Klezmer-Gott Giora Feidman tritt heute Abend in St. Gallen auf – und zwar in St. Laurenzen. Am Mittwoch folgt ein Auftritt in Luzern und am Donnerstag in Bern.

Der Klarinettist von «Schindlers Liste» – und vom Weltjugendtag in Köln

Giora Feidman dürfte sich gut mit Papst Franziskus verstehen: Beide wurden 1936 in Buenos Aires geboren. Doch auch Papst Benedikt XVI. kannte Giora Feidman persönlich: 2005 trat er beim Weltjugendtag in Köln auf, wo er vor mehr als 800’000 jungen Menschen spielte. Seine Klarinetten-Musik ist bekannt aus den Kino-Erfolgen «Schindlers Liste» oder «Jenseits der Stille».

Der «King of Klezmer» hat gegenüber christlicher Musik keine Berührungsängste: «Wir sind alle Menschen, und wir Menschen haben eine Seele, die muss man ansprechen, darauf kommt es an», sagt er im Interview mit der «NZZ». «Wenn ich eine christliche Komposition wie «Ave Maria» spiele, dann erreiche ich die Leute ganz unabhängig von ihrem Glauben. Und das Gleiche gilt für eine jüdische Komposition wie «Kol Nidre». «Sind Sie ein religiöser Mensch?», werde ich manchmal gefragt. Ja, wenn Musik eine Religion ist, bin ich ein sehr religiöser Mensch.»

Ist Kurt Koch Gesprächsthema in Berlin?

Ebenfalls am heutigen Mittwochabend kommt in Berlin das «Who’s who» der katholischen Welt zusammen: beim St. Michael-Jahresempfang. Gastgeber ist der katholische Cheflobbyist in Berlin, Prälat Karl Jüsten. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, wird eine Ansprache halten. Erwartet werden Vertreterinnen und Vertreter der Bundesregierung sowie aus Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Medien. 

Georg Bätzing und Kurt Koch bei der Ökumenischen Vollversammlung in Karlsruhe.
Georg Bätzing und Kurt Koch bei der Ökumenischen Vollversammlung in Karlsruhe.

Mit Spannung wird erwartet, ob der NS-Vergleich von Kurienkardinal Kurt Koch nach wie vor Gesprächsthema ist – oder ob Bischof Bätzing und Koch das Kriegsbeil tatsächlich begraben haben. Andernorts hält die Kritik an Kurt Koch an. In der NZZ ist am heutigen Mittwoch ein Leserbrief des Luzerner Titularprofessors Rafael Ferber erschienen. Er weist darauf hin, dass nicht nur die protestantischen «Deutschen Christen» für den Nationalsozialismus anfällig waren, sondern auch «Teile des katholischen Episkopats mit dem Naziregime» kollaborierten.

Hans Küng auf dem ersten, Kurt Koch auf dem sechsten Platz

Apropos Kurt Koch: Es ist kein Geheimnis, dass Kurt Koch und Hans Küng zwar beide Mitbrüder des Bistums Basel waren, ansonsten aber in herzlicher Abneigung zueinander standen. Ganz nach Hans Küngs Geschmack dürfte eine Statistik des finnischen Geografen Topi Tjukanov sein. Seine Website listet die weltweit bekanntesten Personen nach Geburtsort auf.

Hans Küng.
Hans Küng.

Im Kanton Luzern führt Hans Küng das Ranking an, gefolgt vom Theologen Hans Urs von Balthasar. Es folgen der Komponist Siegfried Wagner, der Fussballer Haris Seferović und der Schriftsteller Peter Bichsel, bevor – erst auf dem sechsten Platz – Kurienkardinal Kurt Koch landet, wie die «Luzerner Zeitung» berichtet.

25 Jahre lang Bischof von Lugano – nicht mit Valerio Lazzeri

Die Nachricht der Woche ist der Rücktritt von Bischof Valerio Lazzeri. Seine Demission verdient Respekt. Das Eingeständnis, überfordert zu sein, ist bemerkenswert. Auch zeigt die Biographie Valerio Lazzeris: Die Päpste tun Schweizer Bischöfen keinen Gefallen, sie im jungen Alter zu berufen.

Bischof Valerio Lazzeri
Bischof Valerio Lazzeri

In anderen Ländern können Bischöfe das Bistum wechseln und etwa Erzbischof werden – in der Schweiz kommt das jedoch höchst selten vor, etwa bei Amédée Grab, der vom Weihbischof in Genf zum Bischof von Chur befördert wurde. Oder bei Peter Bürcher, der vom Weihbischof in Lausanne zum Bischof von Reykjavík aufstieg.

Bischof Felix Gmür: 31 Jahre lang Bischof – oder Karriere in Rom

Laut kirchlicher Tradition hätte Valerio Lazzeri 25 Jahre lang Bischof von Lugano sein müssen. Noch schlimmer, wenn man so will, trifft es den Bischof von Basel, Felix Gmür: Wenn er nicht, wie manche behaupten, Karriere in Rom macht, müsste er 31 Jahre lang Bischof von Basel sein.

Bischof Felix Gmür.
Bischof Felix Gmür.

Dankesworte sind ein wenig wie Arbeitszeugnisse: Das Positive wird hervorgehoben, das Negative verklausuliert oder ganz weggelassen. Wenn der Präsident der Schweizer Bischofskonferenz, Felix Gmür, nun schreibt, die Zusammenarbeit mit Valerio Lazzeri sei «stets gut und fruchtbar» gewesen, dann verschweigt er, dass Valerio Lazzeri zu den Bremsklötzen der Schweizer Bischofskonferenz gehörte. 

Blockade beim Schweizer Synodalen Weg

Zusammen mit dem damaligen Bischof von Chur, Vitus Huonder, und dem damaligen Weihbischof von Chur, Marian Eleganti, zählte Valerio Lazzeri 2019 zu den Verhinderern eines Schweizer Synodalen Wegs. Dass das Pastoralpapier «Heiliger Boden» schweizweit keinen Konsens fand, dürfte auch auf Valerio Lazzeris Konto gehen.

Gruppenarbeit an der nationalen synodalen Versammlung in Einsiedeln – mit Bischof Valerio Lazzeri (Mitte) und Weihbischof Alain de Raemy.
Gruppenarbeit an der nationalen synodalen Versammlung in Einsiedeln – mit Bischof Valerio Lazzeri (Mitte) und Weihbischof Alain de Raemy.

Es spricht Bände, dass ein von diversen Missbrauchsskandalen geplagtes Bistum wie Lugano allen Ernstes behaupten konnte, keine Pläne zur Einsetzung einer oder eines Präventionsbeauftragten zu haben

Kein Vertrauen in den Tessiner Klerus

Es ist zu hoffen, dass Weihbischof Alain de Raemy als Apostolischer Administrator nun hart durchgreift. Er sollte unverzüglich den Präventionsbeauftragten der Schweizer Bischofskonferenz, Stefan Loppacher, ins Tessin einladen, um dort eine wirksame Präventionsarbeit aufzubauen. Dazu gehört auch, die Skandale der letzten Jahre aufzuklären.

Von links Sprecher Luca Montagner, Bischof Valerio Lazzeri, Nuntius Martin Krebs und Weihbischof Alain de Raemy.
Von links Sprecher Luca Montagner, Bischof Valerio Lazzeri, Nuntius Martin Krebs und Weihbischof Alain de Raemy.

Es ist kein Zufall, dass Papst Franziskus keinen Tessiner Kleriker, sondern Weihbischof Alain de Raemy mit der Aufgabe des Apostolischen Administrators betraut hat. Einen Übergang zu managen, das könnte eigentlich auch der lokale Generalvikar. Doch ein Generalvikar, der nichts davon mitbekommen haben will, dass einer seiner Vorgänger ein toxisches Nähe-Distanz-Problem mit einer finnischen Frau in der Nähe des Bischofssitzes pflegte, ist im Jahr 2022 nicht tragbar.

Alain de Raemy ist in die Frochaux-Affäre verwickelt

Für Weihbischof Alain de Raemy indes dürfte Franziskus’ Ernennung eine Art Rehabilitierung sein. Die Westschweizerin Adrienne Cuany wirft Alain de Raemy vor, gewusst zu haben, dass sein Mitbruder Paul Frochaux einen 17-Jährigen im gemeinsamen Chalet in Torgon VS missbraucht hatte. De Raemy beteuerte gegenüber Medien, von einem Vorfall gewusst, nicht aber das Alter des Opfers gekannt zu haben. Was in Deutschland wohl als Pflichtverletzung bewertet würde, scheint in Rom kein Hindernis für eine Ernennung zu sein.

Eine Zeugin in der Frochaux-Affäre: Adrienne Cuany.
Eine Zeugin in der Frochaux-Affäre: Adrienne Cuany.

Am Donnerstag steht vor dem Amtsgericht Rottenburg ein Kirchenhistoriker vor Gericht. Es geht um einen Sexting-Fall: Der verheiratete Familienvater, der in Heiligenkreuz sein Theologie-Studium begonnen hatte und später in Tübingen fortsetzte, soll Sex mit einer Frau gehabt und davon ein Foto gemacht haben – welches er einem anderen Mann schickte. 

Sex im Seminarraum

Der Fall ist deswegen interessant, weil er zeigt, wie schwierig die Strafverfolgung bei MeToo-Fällen ist. Die Präventionsbeauftragte des Bistums Chur, Karin Iten, weist immer wieder auf den Unterschied zwischen «Graubereich» und «Rotbereich» hin. Der «Graubereich» umfasst sämtliche Nogos, die gar nicht gehen – aber strafrechtlich nicht relevant sind. Der Rotbereich hingegen ist ein Fall für die Staatsanwaltschaft.

Präsentation des Verhaltenskodex im Bistum Chur: Der Graubereich ist nicht strafrechtlich relevant, der Rotbereich schon.
Präsentation des Verhaltenskodex im Bistum Chur: Der Graubereich ist nicht strafrechtlich relevant, der Rotbereich schon.

Gegen den jungen Kirchenhistoriker gibt es viele Vorwürfe – die Uni Tübingen hatte hierzu im Dezember 2020 eine ausführliche Medienmitteilung verfasst. Und die Uni Frankfurt hat, nachdem der Kirchenhistoriker mutmasslich Sex in einem Seminarraum hatte, das Arbeitsverhältnis mit ihm aufgelöst. Es gilt die Unschuldsvermutung. Wir werden berichten.

Pater Anselm Grün in Einsiedeln

Der bekannteste Benediktiner des deutschsprachigen Raums, Pater Anselm Grün, kommt am Samstag nach Einsiedeln. Er ist Hauptreferent beim «Fest für liturgische Dienste» und hält um 10.30 Uhr einen Vortrag zum Thema «Gebet und Geheimnis». Der Ankündigung ist zu entnehmen: «Die liturgischen Texte erscheinen uns manchmal fremd.» Damit die «Gebete unsere Sehnsucht nach Gott und nach Gotteserfahrung wecken können, braucht es ein Verständnis für die bildhafte Sprache». Wie das genau geht, wird Pater Anselm Grün erläutern.

Pater Anselm Grün im Mai beim Katholikentag in Stuttgart.
Pater Anselm Grün im Mai beim Katholikentag in Stuttgart.

Wenn es um das Thema «Segen für alle» geht, dann fällt in der Schweiz meistens der Name Meinrad Furrer. Die Offene Kirche in Basel weist gelegentlich darauf hin, dass sie schon länger als Meinrad Furrer einen «Segen für alle» anbietet. 

LGBTQ-Gottesdienst in Basel

Seit 1991 feiern Lesben und Schwule in der Offenen Kirche in Basel Gottesdienste: «Offene und lebendige Feiern, bei denen alle herzlich willkommen sind», steht auf der Website. Am Sonntag findet um 17.00 Uhr der nächste Regenbogen-Gottesdienst der Lesbisch-schwulen Basiskirche statt.

Bischof Markus Büchel
Bischof Markus Büchel

Das Bistum St. Gallen feiert am Sonntag den Gallustag. Bischof Markus Büchel steht dem Pontifikalamt vor. Als Festprediger hat er Korbinian Birnbacher gewinnen können, den Erzabt von St. Peter in Salzburg. «Selbstverständlich gehört auch das traditionelle Galluslied zum Festgottesdienst», ist der Bistums-Website zu entnehmen. «Wie jedes Jahr werden auch Trachtenleute aus den Bistumskantonen in die Kathedrale einziehen.»

Rosmarie Schärer ist nicht mehr Mentorin in Chur

Letzte Woche hat kath.ch über Rosmarie Schärers berufliche Zukunft berichtet. Die geweihte Jungfrau hat bekanntlich eine Änderungskündigung von Generalvikar Markus Thürig ausgeschlagen und ihre Tätigkeit bei der Schweizerischen Kirchenzeitung beendet. Künftig arbeitet sie für den konservativen Theologen Niklaus Herzog.

Die geweihte Jungfrau Rosmarie Schärer im Churer Seminar-Oratorium.
Die geweihte Jungfrau Rosmarie Schärer im Churer Seminar-Oratorium.

Nun wird bekannt: Rosmarie Schärer hat auch ihre 20-Prozent-Tätigkeit für das Priesterseminar St. Luzi aufgegeben. «Bis zum Ende des letzten Studienjahrs war sie als Mentorin beim Priesterseminar St. Luzi beschäftigt, im Moment ist die Stelle vakant und wird mit dem Regenswechsel neu besetzt», teilt der Rektor der Theologischen Hochschule Chur, Christian Cebulj, kath.ch mit. Ob Rosmarie Schärer St. Luzi freiwillig verlassen hat oder gehen musste, ist unklar. Wir haken nach.

Niklaus Herzog und Roland Graf verwechselt

Anders als Bischöfe oder Kardinäle, die sich schwertun, Fehler einzusehen und zuzugeben, möchte ich mich für einen Fehler entschuldigen, der mir letzte Woche passiert ist: Ich habe die Theologen Niklaus Herzog und Roland Graf miteinander verwechselt. 

Die Domherren Martin Bürgi (li.) und Roland Graf auf dem Weg ins bischöfliche Schloss im November 2020.
Die Domherren Martin Bürgi (li.) und Roland Graf auf dem Weg ins bischöfliche Schloss im November 2020.

Zwar sind die beiden Brüder im Geiste – und doch ist es falsch, wenn ich behauptet habe, Niklaus Herzog sei Mitglied der Bioethik-Kommission der Schweizer Bischofskonferenz gewesen. Richtig ist, dass dies Roland Graf war – dieser aber die Kommission aus unbekannten Gründen verlassen hat

Richter und Ehebandverteidiger der Diözese Sitten

Zurecht weist Niklaus Herzog darauf hin, dass er eine andere Tätigkeit aufgehört hat – und zwar jene am Interdiözesanen Schweizerischen Kirchlichen Gericht. Stattdessen wechselt er ans Gericht der Diözese Sitten, wo «Not am Mann» herrsche, wie Niklaus Herzog gegenüber kath.ch mitteilt. «Ich bin auch heute noch als Richter und Ehebandverteidiger der Diözese Sitten tätig.» Ich bitte Niklaus Herzog und Roland Graf um Entschuldigung für die Verwechslung!

Niklaus Herzog
Niklaus Herzog

Was wird nächste Woche wichtig – ausser einer Fachtagung zum Thema Porno an der Theologischen Fakultät in Freiburg? Ich freue mich über Ihren Input an rauchzeichen@kath.ch.

Einen herzlichen Gruss zur Wochenmitte

Ihr

Raphael Rauch


Nicht nur im Kloster fehlt der Nachwuchs. Auch die Kantonalkirchen haben Mühe, ihre Stellen zu besetzen. | © Mattia Vacca
12. Oktober 2022 | 07:36
Lesezeit: ca. 8 Min.
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