Die Schweizer Bischofskonferenz 1985.
Schweiz

Ermittlungen gegen Ex-Generalvikar: Fakultät in Lugano streicht Lehrveranstaltungen

Entführung, Nötigung, Körperverletzung: Seit drei Monaten ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den ehemaligen Generalvikar des Bistums Lugano. An der Fakultät hat das Semester begonnen – doch seine Lehrveranstaltungen sind vorerst gestrichen.

Raphael Rauch

Am Montag hat an der Theologischen Fakultät in Lugano das Frühjahrssemester begonnen. Laut Vorlesungsverzeichnis sollte der emeritierte Professor Azzolino Chiappini (80) zwei Kurse geben: «Einführung in das Theologiestudium» und «Vernunft und Glaube». Doch die Kurse seien «vorerst ausgesetzt», wie die Tageszeitung «La Regione» berichtet.

Drei Tage Untersuchungshaft

Der Grund ist ein laufendes Strafverfahren. Gegen den ehemaligen Generalvikar des Bistums Lugano ermittelt seit November die Staatsanwaltschaft. Der Monsignore war drei Tage in Untersuchungshaft. Die Behörden werfen ihm Entführung, Nötigung und Körperverletzung vor.

Valerio Lazzeri, Bischof von Lugano
Valerio Lazzeri, Bischof von Lugano

Für Chiappini gilt die Unschuldsvermutung. Er soll eine heute 48-jährige Frau finnischer Herkunft ohne Aufenthaltsgenehmigung in seiner Wohnung gefangen gehalten haben. Laut «La Regione» ist im Rahmen der Ermittlungen auch Chiappinis Büro an der Fakultät durchsucht worden. Chiappini war früher Rektor der Hochschule.

Finnische Botschaft ist informiert

Weder die Diözese Lugano noch Chiappini wollten zu den Vorwürfen Stellung nehmen. Die finnische Botschaft in Bern bestätigt kath.ch: «Wir haben Kenntnis über den Fall der finnischen Staatsbürgerin und bieten allen Staatsbürger/-innen sowie dauerhaft in Finnland wohnhaften Personen, die in der Schweiz Hilfe benötigen, konsularische Unterstützung an.»

Lugano
Lugano

Es gibt auch Hinweise, die Chiappini entlasten. «Ihm können keine strafbaren Handlungen vorgeworfen werden», sagt ein Kenner der Diözese. «Das mutmassliche Opfer ist psychisch krank. Die Finnin hat jeglichen Kontakt mit der Aussenwelt abgelehnt. Es ist nicht so, dass der Priester die Frau eingesperrt hat. Sie selber wollte die Wohnung seit Jahren nicht mehr verlassen und liess auch niemanden in die Wohnung.»

Elektrizitätswerk stellt den Strom ab

Selbst Elektrikern, die in der Wohnung eine Kontrolle vornehmen wollten, habe sie den Zugang verweigert. Chiappini und die Finnin hätten zeitweise ohne elektrisches Licht gelebt, weil das Elektrizitätswerk den Strom abgestellt habe. Die Frau hätte sich auch geweigert, Telefonanrufe entgegen zu nehmen. Das habe schliesslich die Polizei alarmiert.

Festrede zur Wiedereröffnung der Kathedrale Lugano
Festrede zur Wiedereröffnung der Kathedrale Lugano

Warum der Priester keine ärztliche Behandlung oder Sozialarbeiter hinzugezogen habe, ist unklar. Laut einem Kenner des Bistums wohnte der ehemalige Generalvikar mit der Finnin in einem Gebäude, das sich 200 Meter entfernt vom Sitz des Bischofs befindet.

Die Domherren schauten weg

«Darin wohnen alle Domherren. Keiner von ihnen ist eingeschritten, obwohl die Anormalitäten offenkundig waren», sagt der Insider. «Vor der Wohnung haben sich zum Beispiel Berge von Paketen getürmt.» Die Tessiner Behörden wollten den Vorfall nicht kommentieren.


Die Schweizer Bischofskonferenz 1985. | © Keystone
24. Februar 2021 | 07:37
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