Karin Iten und Stefan Loppacher sind die beiden Präventionsbeauftragten des Bistums Chur.
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Missbrauch: Noch nicht alle Bistümer haben einen Präventionsbeauftragten

Jedes Bistum muss eine Person einsetzen, die die Massnahmen im Bereich Missbrauchsprävention managt. So wollen es die Richtlinien der Bischofskonferenz. Drei von sechs Diözesen erfüllen die Vorgabe bislang nicht. Und die Stellenprozente sind sehr verschieden.

Barbara Ludwig

Seit 2002 regelt die Schweizer Bischofskonferenz (SBK) den Umgang der Kirche mit sexuellen Übergriffen in Richtlinien, die mehrfach überarbeitet wurden. Die vierte und aktuell gültige Auflage vom März 2019 legt ein besonderes Gewicht auf die Prävention, wie aus dem Vorwort hervorgeht.

Präventionsbeauftragte für jedes Bistum

Dort heisst es, das Engagement in diesem Bereich wäre nicht glaubwürdig, «würden wir nicht spezifische Massnahmen treffen, um eine wirksame Prävention kontinuierlich und systematisch in alle Bereiche des kirchlichen Lebens zu implementieren». Dies sei der Grund für die vierte Auflage der Richtlinien, so die Bischöfe und Höhern Ordensoberen im Vorwort.

Das Dokument listet denn auch eine ganze Reihe von Massnahmen zur Prävention von sexuellen Übergriffen auf. So muss jedes Bistum einen Beauftragten oder eine Beauftragte für die Prävention sexueller Übergriffe bestimmen. Dasselbe gilt auch für Ordensgemeinschaften.

Das Kloster Einsiedeln hat vergleichsweise früh Präventionsbeauftragte eingesetzt.
Das Kloster Einsiedeln hat vergleichsweise früh Präventionsbeauftragte eingesetzt.

Chur, St. Gallen und Basel haben Beauftragten eingesetzt

Zwei Jahre sind seither ins Land gegangen. Recherchen von kath.ch zeigen, dass mit Chur, St. Gallen und Basel mittlerweile drei von sechs Diözesen eine oder mehrere Personen mit dieser Funktion eingesetzt haben – allerdings mit unterschiedlich hohen Stellenprozenten. Bei den übrigen Bistümern gibt es zum Teil Pläne oder Ideen, die darauf hinauslaufen könnten – oder auch nicht.

Zwei Personen im Bistum Chur

Das Bistum Chur hat mit Stefan Loppacher und Karin Iten zwei Präventionsbeauftragte eingesetzt. Loppacher hat die Aufgabe bereits 2019 übernommen, Iten im Jahr 2020, wie die Kommunikationsverantwortliche Nicole Büchel mitteilt. Beide sind zu je einem 50-Prozent-Pensum angestellt.

Loppacher und Iten sind von der Römisch-katholischen Körperschaft im Kanton Zürich angestellt. Diese stelle auch die Infrastruktur zur Verfügung, teilt Sprecher Simon Spengler mit. Laut dem Bundesamt für Statistik ist das Bistum Chur mit rund 539’600 Katholikinnen und Katholiken ab 15 Jahren die zweitgrösste Diözese in der Schweiz. An den Lohnkosten beteiligen sich alle Körperschaften in den sieben Bistumskantonen anteilsmässig. Abgemacht haben sie dies in einer Vereinbarung, die am 1. Januar 2021 in Kraft getreten ist, wie Stefan Müller, Präsident der Glarner Landeskirche, mitteilt.

St. Galler Pastoralamtsleiter ist mit der Aufgabe betraut

Das Bistum St. Gallen hat Franz Kreissl als Präventionsbeauftragten eingesetzt. Er ist Pastoralamtsleiter und wendet für seine Aufgaben im Bereich Prävention zirka 30 Stellenprozente auf, wie Bistumssprecherin Sabine Rüthemann angibt. St. Gallen gehört mit rund 201’600 Katholikinnen und Katholiken zu den kleineren Diözesen der Schweiz.

Franz Kreissl, Leiter Amt für Pastoral und Bildung St. Gallen
Franz Kreissl, Leiter Amt für Pastoral und Bildung St. Gallen

Das Bistum Basel hat seit 2020 eine Präventionsbeauftragte. Christiane Weinand hat dafür ein Mandat im Umfang von 20 Stellenprozenten. Das teilt der Kommunikationsverantwortliche Hansruedi Huber mit. Basel ist mit rund 823’500 Mitgliedern das grösste Bistum.

Westschweizer Bistum hat Pläne

In der Romandie und im Tessin sieht die Situation anders aus. Das zweisprachige Bistum Lausanne, Genf und Freiburg hat bislang keinen Präventionsbeauftragten eingesetzt. Die Diözese hat nach Angaben der Kommunikationsverantwortlichen Laure-Christine Grandjean die Prävention gegen sexuelle Übergriffe an zwei Vereine und externe Psychologen ausgelagert, die obligatorische Sensibilisierungskurse für kirchliche Angestellte anbieten. Bislang gibt es also keine Präventionsbeauftragte im Westschweizer Bistum. Mit 479’000 Mitgliedern ist es das drittgrösste Bistum der Schweiz.

Freiburgs Altstadt mit Kathedrale.
Freiburgs Altstadt mit Kathedrale.

«Zurzeit sind wir allerdings daran, unser Konzept der Prävention im weiteren Sinne zu überarbeiten», erklärt Grandjean. Demnach sollen auch Machtmissbrauch und spiritueller Missbrauch davon erfasst werden. Im Zusammenhang mit der Arbeit am neuen Konzept gebe es auch die Idee, eine Person als Präventionsbeauftragte einzusetzen oder mehrere Personen als Team mit der Aufgabe zu betrauen.

Sittener Fachgremium auch für Prävention zuständig

Im kleinen Bistum Sitten leben rund 196’500 Katholikinnen und Katholiken. Die zweisprachige Diözese hat bislang keine Person angestellt, «die sich ausschliesslich mit der Prävention in Sachen sexuelle Übergriffe befasst», schreibt Richard Lehner. Er ist Generalvikar für den deutschsprachigen Teil der Diözese. Sämtliche Fragen würden vom diözesanen Fachgremium «sexuelle Übergriffe im Umfeld der Kirche» behandelt. Ob dies so bleiben wird, ist derzeit offen.

«Das neue Fachgremium wird diese Frage diskutieren.»

Richard Lehner, Generalvikar für den deutschsprachigen Teil des Bistums Sitten

Lehner teilt mit, das Bistum habe neue Mitglieder ins Fachgremium berufen, «um ein von der Bistumsleitung unabhängiges Arbeiten zu ermöglichen». Der Bischof oder der Generalvikar seien nicht mehr Mitglied des Gremiums.

In Sachen Präventionsbeauftragter habe das Bistum Sitten jedoch keinen definitiven Entscheid getroffen, so Lehner. «Das neue Fachgremium wird diese Frage diskutieren und soll uns Vorschläge machen. Wir werden sehen.»

Lehner versichert, man sei im Bereich Prävention nicht untätig geblieben – und verweist auf Veranstaltungen für Mitarbeitende. Eine solche habe im März 2019 im französischsprachigen Teil des Bistums stattgefunden. Im deutschsprachigen Teil musste der Anlass coronabedingt verschoben werden und soll laut Lehner nun im März stattfinden.

Knappe Finanzen im Tessin

Im Bistum Lugano leben rund 185’700 Katholiken. Auch die kleinste Diözese der Schweiz hat keinen Präventionsbeauftragten. Dies teilte Balbo Dante mit. Er ist Mitglied des diözesanen Fachgremiums «sexuelle Übergriffe im kirchlichen Umfeld» und dessen Sprecher. Als Grund dafür nennt er insbesondere die knappen finanziellen Ressourcen der Diözese. Er versichert indes, dass dem Thema Prävention in der Ausbildung des Klerus grosse Aufmerksamkeit gewidmet werde. Die Pandemie habe jedoch entsprechende Initiativen in der Weiterbildung gebremst.

Turm der Kathedrale von Lugano
Turm der Kathedrale von Lugano

Pläne zur Einsetzung einer Präventionsbeauftragten gibt es in Lugano keine. Dante geht aber davon aus, dass aktuelle Entwicklungen wie der synodale Prozess dem Anliegen der Prävention Impulse verleihen können. Explizit erwähnt er etwa das Hören auf die Basis und die Laien.

Kloster Einsiedeln hat seit 2010 Präventionsbeauftragte

Die Richtlinien der Bischofskonferenz gelten auch für die Territorialabteien Einsiedeln und Saint-Maurice. Einsiedeln hat 2010 eine externe Kommission eingesetzt, um sexuellen Übergriffen durch Mitglieder der Klostergemeinschaft auf die Spur zu kommen. Zu diesem Zeitpunkt setzte das Kloster auch zwei Koordinatoren für die Prävention ein, den Abt für die Gemeinschaft und den Novizenmeister für die jungen Mitbrüder. Dies teilt Verwaltungsdirektor Marc Dosch mit. «Die wichtigste Präventionsarbeit sehen wir bei den neuen Mitgliedern in Ausbildung.» Prävention werde beim Aufnahmeverfahren und im Noviziatsunterricht thematisiert, so Dosch.

Mit zum Programm in Sachen Prävention gehört für die jungen Mitbrüder eine Fortbildung zum Thema «Affektivität – Sexualität – Zölibat». Diese wird von auswärtigen Fachpersonen geleitet. Weiter gebe es eine externe Fachperson, an die Grenzverletzungen gemeldet werden könne.

Laut dem Verwaltungsdirektor arbeite das Kloster im Bereich der Prävention mit der Diözese Chur zusammen, deren Territorium das Klostergebiet umschliesst. Einige Einsiedler Mönche seien im Bistum Chur tätig, entsprechend seien die Aktivitäten der diözesanen Präventionsbeauftragten für das Kloster von Interesse.

Von der Gebietsabtei Saint-Maurice im Wallis war zurzeit keine Auskunft zu erhalten. (bal)


Karin Iten und Stefan Loppacher sind die beiden Präventionsbeauftragten des Bistums Chur. | © zVg
18. Februar 2022 | 05:00
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