Schweiz
Zwölf eigenwillige Töchter Gottes: Hildegard von Bingen kritisierte den Klerus scharf
Frauen haben in der Geschichte der Kirche und des Glaubens seit jeher mitgemischt. Sie waren Apostelinnen, Klostergründerinnen, Befreierinnen und Philosophinnen. Sie haben Grenzen ausgetestet und diese (bewusst) übertreten. kath.ch stellt zwölf Beispiele vor. Heute: Hildegard von Bingen, die Benedikt XVI. zur Kirchenlehrerin ernannte.
Annalena Müller*
Dem edelfreien Adel entstammend, wuchs Hildegard in der Frauenklause auf dem Disibodenberg bei Bingen auf. 1136 wurde Hildegard an die Spitze der mittlerweile zum Konvent angewachsenen Klause gewählt.
Kritik am Klerus
Bereits zu Lebzeiten war die Gelehrte und Mystikerin Hildegard weit über die Grenzen ihres Klosters bekannt. Zwischen 1160 und 1163 ging sie auf ausgedehnte Predigerreisen, die sie unter anderem in die Bischofsstädte Mainz, Trier, Metz und Würzburg brachte.
Auf ihren Predigerreisen hielt sich die Äbtissin nicht mit Kritik an den Mächtigen zurück. Sie geisselte unter anderem den Klerus aufs Schärfste: «Ihr seid Nacht, die Finsternis aushaucht (…) Und wegen eures ekelhaften Reichtums und Geizes sowie anderer Eitelkeiten unterweist ihr eure Untergebenen nicht (…). Deshalb wird eure Ehre schwinden und die Krone euch von eurem Haupte fallen.» Die so angegriffenen nahmen es sich zu Herzen – der Kölner Klerus bat die berühmte Nonne um eine Abschrift ihrer Predigt, damit sie sich künftig bessern konnten.
Benedikt XVI. machte die heilige Hildegard zur Kirchenlehrerin
Zu diesem Zeitpunkt war Hildegard bereits berühmt und ihre Visionen, von Konzilien und Papst geprüft, waren als von Gott eingegeben anerkannt. Ihr Werk, darunter die Visionstrilogie sowie ihre naturhistorischen und medizinischen Schriften, hat die mittelalterliche Theologie und Wissen nachhaltig geprägt. In Anerkennung dessen ernannte Benedikt XVI. Hildegard von Bingen (+1179) im Jahr 2012 zur Kirchenlehrerin.
* Die Historikerin Annalena Müller forscht an der Uni Freiburg zur wirtschaftlichen und politischen Macht von Äbtissinnen und Frauenklöstern im mittelalterlichen Europa.
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