Metropolit Hilarion am 27. Mai 2022 in Moskau.
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«Wie ein illegaler Migrant ausgeschafft»: Warum Hilarion nicht in die Schweiz einreisen durfte

Im März 2022 wollte sich der zweitmächtigste Mann der russisch-orthodoxen Kirche mit dem Erzbischof von Vilnius in der Schweiz treffen. Doch Hilarion durfte nicht in die Schweiz einreisen.

Raphael Rauch

Die Freiburger Ökumene-Expertin Barbara Hallensleben enthüllt in einem Aufsatz in der «Herder-Korrespondenz» ein brisantes Detail. Demnach wollte Metropolit Hilarion in die Schweiz einreisen – wurde allerdings am Flughafen Genf gestoppt. Das war gut einen Monat nach Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine.

Hilarion kann in Genf nicht einreisen

«Eine Reise in die Schweiz, unter anderem zu einem Treffen mit dem Präsidenten des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE), endete am 28. März 2022 am Genfer Flughafen, wo Metropolit Hilarion wie ein illegaler Migrant ausgeschafft wurde, weil ein europäisches Land – ohne sein Wissen – sein Schengen-Visum blockiert hatte», schreibt Barbara Hallensleben.

Barbara Hallensleben ist Professorin in Freiburg i.Ü.
Barbara Hallensleben ist Professorin in Freiburg i.Ü.

Diese Information ist insofern brisant, als Hilarion nicht auf den EU-Sanktionslisten steht. Auch sein Vorgesetzter, der russische Patriarch Kyrill, hat es nicht auf die EU-Sanktionslisten geschafft – weil Ungarns Premier Viktor Orban einen entsprechenden Vorstoss blockiert hatte

Veto eines EU-Landes

Lediglich Litauen, Grossbritannien und Kanada haben offiziell Sanktionen gegen Kyrill I. verhängt. Der Moskauer Patriarch gilt als enger Verbündeter Putins. In seinen Predigten hat er immer wieder den russischen Angriffskrieg metaphysisch legitimiert.

Der Moskauer Patriarch Kyrill I. (links) und Metropolit Hilarion.
Der Moskauer Patriarch Kyrill I. (links) und Metropolit Hilarion.

Eine Sprecherin des Schweizer Aussendepartements wollte die Blockade von Hilarions Einreise in die Schweiz weder bestätigen noch dementieren. Sie verwies gegenüber kath.ch auf die Schengen-Regelung, wonach ein einzelnes Land einer Person eine Einreise verweigern könne. Dann seien «alle Mitgliedstaaten verpflichtet, diese Massnahme umzusetzen und der ausgeschriebenen Person die Einreise in den Schengen-Raum zu verweigern». 

Die Schweiz könnte ein eigenes Visum ausstellen

Allerdings könne die Person eine Schweizer Vertretung im Ausland aufsuchen, «um ein territorial begrenztes Visum für die Einreise nur in die Schweiz zu beantragen». Nach einer «Abwägung der öffentlichen und privaten Interessen» könne dann einer Einreise in die Schweiz zugestimmt werden.

Wenn ein Schengen-Land ein Veto einlegt, muss das Staatssekretariat für Migration die Einreise in den Schengen-Raum verweigern.
Wenn ein Schengen-Land ein Veto einlegt, muss das Staatssekretariat für Migration die Einreise in den Schengen-Raum verweigern.

«Ein Schengen-Staat hat die Möglichkeit, einen sogenannten Alert in das System einzutragen, was in der Regel zur Ablehnung des Visums führt», sagt der Jurist Jonas Bornemann von der Uni Konstanz. «Die Schweiz kann in einem solchen Fall dennoch ein Visum ausstellen, das nur für die Schweiz gilt. Dies liegt allerdings im Ermessen der schweizerischen Behörden.»

Barbara Hallensleben nennt keine Quelle

Unklar ist, warum der Rat der Europäischen Bischofskonferenzen in St. Gallen (CCEE) von dieser Regelung nicht Gebrauch gemacht hat: Er hätte bei den Schweizer Behörden vorstellig werden und für Hilarions Besuch ein Schweiz-Visum beantragen können. Der CCEE liess eine Anfrage von kath.ch unbeantwortet.

Das Präsidium des CCEE: Von links Jean-Claude Hollerich, Gintaras Grusas, Laszlo Nemet.
Das Präsidium des CCEE: Von links Jean-Claude Hollerich, Gintaras Grusas, Laszlo Nemet.

Welches EU-Land Hilarion auf die rote Liste gesetzt hat, ist unklar. Barbara Hallensleben gibt in ihrer fussnotenreichen Dokumentation keinen Beleg an und wollte auch gegenüber kath.ch die Quelle für ihre Behauptung nicht verraten. 

Mittlerweile ist Hilarion in Budapest

Die Diplomatin eines EU-Landes sagte zu kath.ch, «Polen oder ein baltisches Land» könnten hinter der Hilarion-Blockade stecken. Die betroffenen Länder wollten sich gegenüber kath.ch nicht äussern.

Metropolit Hilarion
Metropolit Hilarion

Das Problem, nicht in die EU reisen zu können, hat sich für Hilarion inzwischen erledigt: Im Juni hat ihn Patriarch Kyrill entmachtet und zum Administrator der Diözese Budapest und Ungarn ernannt.

Kooperation zwischen der Schweiz und der russisch-orthodoxen Kirche?

Barbara Hallenslebens Aufsatz enthält übrigens ein weiteres Detail. Die Autorin erwähnt eine Kooperation zwischen der russisch-orthodoxen Kirche und der Schweizer Botschaft in Moskau. Sie zitiert Hilarion mit den Worten, er habe «viel Mühe und Energie investiert, um Versöhnung und Frieden zwischen dem russischen und dem ukrainischen Volk herbeizuführen und auch vielen Christen in der Ukraine geholfen zu überleben. Dies umfasst sowohl finanzielle als auch juristische und humanitäre Hilfe. Ein Teil dieser Arbeit wurde gemeinsam mit der Schweizer Botschaft in Moskau geleistet, ein anderer Teil in Partnerschaft mit christlichen humanitären Organisationen.»

Video-Konferenz in Rom im März 2022: Papst Franziskus und Kardinal Kurt Koch mit dem Moskauer Patriarchen Kyrill und Metropolit Hilarion.
Video-Konferenz in Rom im März 2022: Papst Franziskus und Kardinal Kurt Koch mit dem Moskauer Patriarchen Kyrill und Metropolit Hilarion.

Hilarion, der Friedensstifter und Brückenbauer, der mit der Schweizer Botschaft Gutes tut? Die Zusammenarbeit mit der russisch-orthodoxen Kirche beschreibt das Schweizer Aussendepartement gegenüber kath.ch nüchterner: «Die Beziehungen der Schweizer Botschaft in Moskau zur russisch-orthodoxen Kirche bestehen aus sporadischen Treffen mit hohen Würdenträgern, darunter Metropolit Hilarion, im Rahmen der Pflege der diplomatischen Beziehungen.»


Metropolit Hilarion am 27. Mai 2022 in Moskau. | © Keystone
12. August 2022 | 05:00
Lesezeit: ca. 3 Min.
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