Kyrill I., Russisch-Orthodoxer Patriarch von Moskau und Russland, Dezember 2016.
International

Warum schützt Ungarn den Moskauer Patriarchen Kyrill?

Wäre es nach den meisten EU-Staaten gegangen, dann stünde der Moskauer Patriarch Kyrill längst auf einer EU-Sanktionsliste. Doch der ungarische Premier Viktor Orbán hat das verhindert. Der ungarische Lutheraner Vilmos Fischl kann dem etwas Positives abgewinnen.

Raphael Rauch

Was halten Sie von der Entscheidung des Weltkirchenrats, keine Sanktionen gegen die russisch-orthodoxe Kirche zu erlassen?

Vilmos Fischl*: Im Zentralausschuss gab es eine ernsthafte Diskussion zu diesem Thema. Ich selbst habe mich dazu geäussert und betont, dass es von grösster Bedeutung ist, den Dialog aufrecht zu erhalten. Ein Ausschluss ist keine Lösung. Als kirchliche Institution müssen wir nicht weltlichen Erwartungen, sondern Gott und der Nächstenliebe gerecht werden. Der Zentralausschuss hat zu Recht beschlossen, den Kontakt zur russisch-orthodoxen Kirche aufrechtzuerhalten.

Der ungarische Lutheraner Vilmos Fischl.
Der ungarische Lutheraner Vilmos Fischl.

Sie stammen aus Ungarn. Premier Viktor Orbán hat verhindert, dass Patriarch Kyrill auf die EU-Sanktionsliste gesetzt wird. Was halten Sie davon?

Fischl: Viktor Orbán hat das verhindert, weil sonst der gesamte Dialog mit der russisch-orthodoxen Kirche beendet wäre. Die Meinung Ungarns zu einer möglichen Sanktionierung des russischen Patriarchen Kyrill ist seit langem bekannt – und niemand hat sich auf dem EU-Gipfel gegen die ungarische Position ausgesprochen.

«Viktor Orbán pocht auf die Religionsfreiheit.»

Warum schützt Orbán Kyrill?

Fischl: Viktor Orbán pocht auf die Religionsfreiheit. Nicht auszudenken, welcher Prozess ins Laufen gekommen wäre, hätte man das Oberhaupt einer der wichtigsten christlichen Kirchen in Europa auf eine Sanktionsliste gesetzt.

Wladimir Putin bekreuzigt sich in der Osternacht 2022.
Wladimir Putin bekreuzigt sich in der Osternacht 2022.

Nimmt Orbán auch Putin in Schutz?

Fischl: Nein, Putin muss nicht verteidigt werden. Viktor Orbán hat Putin und Selenskyj zu Verhandlungen nach Budapest eingeladen. 

Sie sind Lutheraner. Was können Sie tun, um zwischen den Konfliktparteien zu vermitteln?

Fischl: Ich bin Generalsekretär des Ökumenischen Rats der Kirchen in Ungarn. Dieser hat elf Mitgliedskirchen. Die russisch-orthodoxe Kirche ist eine unserer Mitgliedskirchen. Was wir tun können: die Möglichkeit von Verhandlungen aufrechtzuerhalten.

* Vilmos Fischl (50) gehört der evangelisch-lutherischen Kirche in Ungarn an und ist Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen in Ungarn. Er hat an der Sitzung des Zentralausschusses der Weltkirchenrats teilgenommen, der von Mittwoch bis Samstag getagt hat.


Kyrill I., Russisch-Orthodoxer Patriarch von Moskau und Russland, Dezember 2016. | © KNA
19. Juni 2022 | 05:00
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