Miki Herrlein
Schweiz

Familienvater, verheiratet, queer: Miki Herrlein hat den Basler Bischofsrat beraten

Auf den ersten Blick ist Miki Herrlein (42) gut katholisch: mit einer Frau verheiratet, drei Kinder, alle getauft. Doch Miki Herrlein ist non-binär, empfindet sich also nicht als männlich oder weiblich. Miki Herrlein war beim Bischofsrat in Basel zu Gast und kam zum Auftakt des synodalen Prozesses nach Prag.

Raphael Rauch

Sie sind mit einer Frau verheiratet und haben drei Kinder. Was machen Sie bei «#OutInChurch»?

Miki Herrlein*: Das Empfinden, queer zu sein, habe ich schon immer in mir getragen. Ich bin seit über 25 Jahren in der Kirche aktiv – zuerst ehrenamtlich und später hauptberuflich. Als queerer Mensch war ich in der Kirche lange unsichtbar. Das hat sich mit «#OutInChurch» geändert. Durch das öffentliche Coming-Out konnte ich endlich authentisch die Person sein, die ich bin.

"Love is Love"
"Love is Love"

Wenn Sie queer sind: Heisst das, dass Sie nicht nur mit Ihrer Frau Sex haben?

Herrlein: Nein, wir leben unsere Ehe sehr katholisch, also monogam. Ich bin für ein vielfältiges Geschlechterbild. Bei meiner Geburt wurde mir das männliche Geschlecht zugewiesen. Ich bin wie ein Junge aufgewachsen. Ich habe Fussball gespielt, James Bond geschaut – und konnte mich aber trotzdem nicht mit den klassischen Männlichkeits-Anforderungen identifizieren: «Du musst dich durchsetzen! Du darfst nicht weinen! Du darfst nur auf Frauen zu stehen.» Es hat bei mir lange gedauert, bis ich Non-Binarität als Label überhaupt für mich entdeckt habe.

«Es wäre für mich okay, wenn meine Kinder mich Mapa oder Mama nennen würden.»

Sie sind Vater – wie nennen Sie Ihre Kinder?

Herrlein: Papa. Es wäre für mich aber auch okay, wenn sie mich Mapa oder Mama nennen würden. Wenn im Café ein Kellner beim Servieren zu mir sagt «Der Kaffee, der Herr», dann korrigieren meine Kinder den Kellner.

Haben Sie Ihren Geschlechtseintrag ändern lassen?

Herrlein: Nein, noch nicht. Aber ich werde das noch tun.

Bischof Felix Gmür
Bischof Felix Gmür

Sie waren im Basler Bischofsrat zu Gast. Wie kam’s dazu?

Herrlein: Der Basler Bischofsrat hat mich und andere Transpersonen eingeladen, über Geschlechtervielfalt zu sprechen. Wir haben den Bischofsrat gecoacht und über ganz Basales gesprochen: Was steckt hinter den Buchstaben LGBTIQA? Wie können wir wertschätzend kommunizieren? Der Tag in St. Niklausen war super. Ganz anders, als ich das in Deutschland erlebe.

Bischof Felix Gmür und sein Generalvikar Markus Thürig.
Bischof Felix Gmür und sein Generalvikar Markus Thürig.

Was machte den Unterschied aus?

Herrlein: Es war von Anfang an auf Augenhöhe. In Deutschland duze ich keinen Bischof – im Bischofsrat haben sich alle geduzt. Alle hatten den Wunsch, etwas zu lernen und sich auf den Weg zu machen. Und die Learnings wurden schnell umgesetzt. Ich habe später Predigten im Internet gefunden, wo zum Beispiel Generalvikar Markus Thürig «Liebe Geschwister» und nicht «Liebe Schwestern und Brüder» sagte. Das war eine kleine, aber wichtige Anregung.

Die queere Theologin Susanne Birke beim Auftakt des synodalen Prozesses in Prag.
Die queere Theologin Susanne Birke beim Auftakt des synodalen Prozesses in Prag.

Was liesse sich noch leicht umsetzen?

Herrlein: Gerade in der spirituellen Sprache gibt es viele Narrative, die vergeschlechtlicht sind. Dafür braucht es Sensibilität.

«Die Geschlechtervielfalt ist in der Bibel divers.»

Was ist mit der Geschichte von Joseph und seinen Brüdern: Ist die noch Okay – oder sollte sie umgeschrieben werden in «Joseph und seine Geschwister»?

Herrlein: Man kann sich schon die Frage stellen: Sind wirklich nur Brüder gemeint – oder nicht eher Geschwister? Gerade Joseph mit dem Prinzessinnen-Kleid würde ich eher als Transperson lesen. Wir wollen aber nicht die Bibel umschreiben, sondern Sensibilisierungsarbeit leisten. Die Geschlechtervielfalt ist in der Bibel divers. In der Bibel tauchen mehrere Eunuchen auf. 

Barbara Kückelmann ist Teil der Basler Bistumsleitung.
Barbara Kückelmann ist Teil der Basler Bistumsleitung.

Trotz Ihres Coachings müssen queere Seelsorgende im Bistum Basel um eine Missio canonica bangen. Was sagen Sie dazu?

Herrlein: Auch diese Frage haben wir im Bischofsrat besprochen. Doch mit Rücksicht auf Rom wollte das Bistum Basel hier noch nicht vorwärts machen. Wenn Deutschland das kann, sollte es die Schweiz auch können.

«Dem Bistum Basel würde ich den Mut zusprechen, einfach mal zu machen.»

Die Schweiz ist in vielen Bereichen Trendsetter. Enttäuscht Sie hier die Zurückhaltung?

Herrlein: Ja. Das Problem mit Rom ist nun mal da. Dem Bistum Basel würde ich den Mut zusprechen, einfach mal zu machen. Was soll Bischof Felix Gmür schon passieren? Gekündigt werden kann er nicht. 

Felix Gmür soll sich beim Papst für ein Schweizer Partikularrecht einsetzen (Aufnahme von 2020).
Felix Gmür soll sich beim Papst für ein Schweizer Partikularrecht einsetzen (Aufnahme von 2020).

Sind Sie weiterhin in der Schweiz aktiv?

Herrlein: Immer wieder gerne, ich fühle mich in der Schweiz sehr willkommen. Ich habe in Olten für die Jugendseelsorgekonferenz einen Workshop zur diversen Gottesrede gestaltet: Wir müssen uns Gott nicht nur als Mann oder Vater vorstellen. Die Bibel kennt viele Umschreibungen für Gott. Zusammen mit dem Bistum Basel entwickle ich zurzeit Weiterbildungsformate.

Auf der Karlsbrücke in Prag.
Auf der Karlsbrücke in Prag.

Sie sind zum Auftakt des synodalen Prozesses nach Prag gereist. Wann wird der ein Erfolg?

Herrlein: Wenn Allianzen gebildet werden, wenn mehrere Delegationen sich offen zu erkennen geben. Wenn Inklusion auch wirklich breit gedacht und verstanden wird. Kirche hat nicht nur ein Problem mit Queer-Feindlichkeit, sondern diskriminiert in vielen anderen Bereichen – auch Rassismus und Klassismus sind Themen. Wenn darüber in einem offenen Dialog gesprochen wird mit dem Wunsch, sich weiterzuentwickeln, dann wäre es für mich ein Erfolg. 

Ein Demonstrant auf der Zurich Pride kritisiert die Homophobie, die von Religionen ausgeht.
Ein Demonstrant auf der Zurich Pride kritisiert die Homophobie, die von Religionen ausgeht.

Es gibt auf dem synodalen Prozess sicher auch Vertreterinnen und Vertreter aus Osteuropa, die Angst vor «Gayropa» haben. Was sagen Sie denen?

Herrlein: Ich hüte mich davor, mit Menschen zu sprechen, deren Haltung grundsätzlich nicht dialogbereit ist. Das bringt wenig. Es braucht eine Allianz der Mehrheit. Wer mir meine Existenz abspricht, ist für mich kein Gesprächspartner. 

* Miki Herrlein (42) stammt aus Frankfurt. Miki Herrlein arbeitet im Erzbistum Freiburg im Breisgau in der Erwachsenenpastoral im Referat «Ehe, Familie, Diversität». 


Miki Herrlein | © Raphael Rauch
6. Februar 2023 | 05:00
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