Statement von Alain de Raemy an der Jugendsynode im Wortlaut

Rom, 22.10.18 (kath.ch) kath.ch dokumentiert das Statement von Alain de Raemy, Weihbischof von Lausanne, Genf und Freiburg und Schweizer Jugendbischof, vom 18. Oktober 2018 an der Jugendsynode im Wortlaut in einer von ihm autorisierten deutschen Übersetzung.

Liebe Freundinnen, liebe Freunde: Guten Morgen!
Heiliger Vater,
Am Sonntag haben Sie uns in Ihrer Predigt gesagt: «Jesus ist radikal. Er gibt alles und bittet um alles: Er gibt totale Liebe und bittet um ein ungeteiltes Herz. (….) Ihm (….) können wir nicht nur antworten, indem wir einige Regeln beachten. (….) Jesus begnügt sich nicht mit einem ‹Prozentsatz der Liebe›: Wir können ihn nicht nur zu zwanzig, fünfzig oder sechzig Prozent lieben. Entweder alles oder nichts.»

Ja, Heiliger Vater, genau dies ist manchmal unser Problem als erwachsene Christen im Umgang mit den jungen Menschen. Oft sind wir nicht ganz mit Jesus. Wenn wir uns nur zu 20, 50 oder 60 Prozent mit Christus verbinden, vermitteln wir nur Vorschriften, die heute als Werte bezeichnet werden: sprich eine schöne Verpackung, aber ohne die gute Schokolade drin (selbstverständlich aus der Schweiz…).

In Ihrer Predigt am vergangenen Sonntag haben Sie, Heiliger Vater, uns ermahnt: «Lasst uns fragen, wo wir in unserer Liebesgeschichte mit Gott stehen. »Ja, fragen wir uns das! Nicht nur, inwieweit wir in unserer theologischen, katechetischen und pädagogischen Vorbereitung sind, sondern auch, wo wir in unserer Liebesgeschichte mit Gott stehen.

Aber oft wird gerade das, was uns trägt, was die Schönheit unseres Lebens in Gemeinschaft mit Gott ausmacht, leider beiseite geschoben, um sozusagen näher bei den Jugendlichen zu sein. Lasst uns stattdessen vielmehr einander helfen, in unserer Liebesgeschichte mit Jesus zu bleiben. Lasst uns einander helfen. Ohne falsche Scham. Wenn unsere Strukturen nicht dafür benötigt werden, wozu sind sie dann gut?

Für die grosse Mehrheit der jungen Menschen auf der Welt ist es unvermeidlich, sozusagen «zu zwanzig, fünfzig oder sechzig Prozent» bei Jesus zu sein. Es ist Teil des Reifungsprozesses, den viele junge Menschen, auch getaufte, durchlaufen müssen. Wir müssen daher alles in unserer Macht Stehende tun, um niemanden abzuweisen, wirklich niemanden. Um niemanden zu entmutigen. Wir haben das hier schon oft gesagt: Zuhören, besser verstehen, nicht urteilen, nie verurteilen. Das bedeutet, nicht den kleinsten «Prozentsatz von Jesus» bei jungen Menschen zu gefährden! Aber ums Himmels willen: ohne etwas von Jesus zu verbergen! Alle verdienen alles!

Und im Evangelium gibt es auch Maria, die Mutter Gottes. Und Maria Magdalena. Und viele andere Frauen. Jesus vollständig bezeugen bedeutet auch, alle diese Frauen zu berücksichtigen. Leider tun wir das nicht oft genug. Und wir tun es auch nicht in dieser Aula. Ich verstehe nicht, warum 80 Prozent der Ordensleute, nämlich die Frauen, hier durch drei Schwestern ohne Stimmrecht vertreten sind, während 20 Prozent, nämlich die Männer, durch zehn Väter und Brüder repräsentiert werden, die Mitglieder der Synode sind, und zwar mit allen Rechten!

Deshalb schlage auch ich vor, um zu den Jugendlichen zurückzukehren, einen Päpstlichen Jugendrat hier in der Römischen Kurie einzurichten, der sich aus Jugendlichen der fünf Kontinente, Mädchen und Jungen, zusammensetzt. Dessen Präsident, ein junger Mann oder eine junge Frau, würde nicht anders behandelt als die anderen Leiter der Kurienämter (Dikasterien).
Das wäre ein schönes Zeichen.  Die Jugendlichen hätten ein Zuhause beim Nachfolger Petri, der uns hilft, Jesus zu sagen: «Du bist der Messias, du bist der Sohn des lebendigen Gottes!»

Ein Päpstlicher Jugendrat, der im ständigen Dialog mit den anderen Abteilungen der Kurie wäre, um eine bessere Sprache und Kommunikationsweise, aber auch die richtigen Haltungen und Inhalte zu finden, damit die Jugendlichen weltweit besser erreicht werden können. Diese jungen Menschen, die sich in ihrem «Prozentsatz» der Nähe zu Jesus unterscheiden, aber dennoch alle Söhne und Töchter Gottes sind. (sys)

Link zum italienischen Originaltext.

22. Oktober 2018 | 11:52
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