Simon Spengler
Story der Woche

Simon Spengler: «Vitus Huonder wurde zum Schismatiker»

Nach Huonders Tod ist es auffällig ruhig. Niemand will reden. Der Grund für das Schweigen: Vitus Huonder outet sich im Tod als Schismatiker. Klare Worte zum emeritierten Churer Bischof findet immerhin Simon Spengler, Theologe und Kommunikationschef der Zürcher Kantonalkirche.

Annalena Müller

Sie haben in einem Interview mit der Südostschweiz gesagt, dass Huonders Wahl des Bestattungsortes ein Affront ist – warum?

Simon Spengler*: Seit vielen Jahrhunderten finden die Bischöfe von Chur ihre letzte Ruhe in der Kathedrale. Die Kathedrale ist der Sitz des Bistums und das Bistum Chur ist eines der ältesten Bistümer nördlich der Alpen. Dass jetzt ein Bischof ganz bewusst mit dieser langen Tradition bricht und sich stattdessen im Herzen einer schismatischen Bruderschaft bestatten lässt, das ist mehr als ein Affront. Vitus Huonder stellt damit eigentlich alle Werte der klassischen katholischen Hierarchie auf den Kopf.

Blick auf die Kathedrale Sankt Mariä Himmelfahrt (l.) und das Bischöfliche Schloss (r.)
Blick auf die Kathedrale Sankt Mariä Himmelfahrt (l.) und das Bischöfliche Schloss (r.)

Die Piusbrüder sind eine schismatische Bewegung. Können Sie konkreter sagen, was Bischof Huonders Wunsch neben dem – wohlgemerkt exkommunizierten – Gründer bestattet zu werden, bedeutet?

Spengler: Vitus Huonder möchte offenbar über seinen Tod hinaus in Erinnerung bleiben als ein Bischof, der sich zu dieser schismatischen Bewegung hin orientiert hat und sich über seinen Tod hinaus zu ihr bekannt hat. Das ist Huonders Erbe. Huonder teilte die Überzeugung der Bruderschaft, dass nur die Kirche der Vormoderne eine Zukunft hat. Die Kirche, die mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil die Hinwendung zur Moderne versucht hat, hielt er zum Untergang verurteilt.

«Die Piusbrüder lehnen wesentliche Reformen des Zweiten Vatikanums ab.»

Können Sie das präzisieren?

Spengler: Die Piusbrüder lehnen wesentliche Reformen des Zweiten Vatikanums ab. Das Offensichtlichste ist die Liturgiereform, also die Feier der Messe in der Volkssprache mit der Zuwendung des Priesters zum versammelten Volk Gottes. Es geht nicht darum, ob Latein oder Volkssprache, sondern um die liturgische Form vor oder nach Konzil. Verbunden damit sind zahlreiche weitere Fragen. Die Ablehnung der Ökumene, die Anerkennung des Judentums als Mutter und als tragende Säule der Kirche und als Teil der Offenbarung Gottes. Und natürlich jede Form von interreligiösem Dialog sowie jede Form einer Weiterentwicklung des katholischen Lehramts, vor allem in Sexualfragen.

Vitus Huonder, emeritierter Bischof von Chur.
Vitus Huonder, emeritierter Bischof von Chur.

Vitus Huonder teilte diese Ansichten der Piusbruderschaft vollumfänglich. Das ist schon früher offensichtlich geworden, zum Beispiel als er Homosexualität als Gräueltat bezeichnet hat.

Sind die Piusbrüder antisemitisch?

Spengler: Zumindest antijüdisch und sie beten nach wie vor für die Bekehrung der Juden.

Bischof Bonnemain ringt um Diplomatie, der Rest der Schweizer Kirche – mit Ausnahme von Rechtsaussen – zeichnet sich durch auffälliges Schweigen aus. Das erscheint ungewöhnlich beim Ableben eines Bischofs. Warum ist das so?

Spengler: Da kommt diese Sprachlosigkeit angesichts dieses doch unerwarteten Affronts zum Ausdruck. Die Kirchenmänner sind baff, dass Huonder über seinen Tod hinaus diese Konsequenz zeigt. Die Entscheidung Huonders, in Ecône bestattet zu werden, ist natürlich für die Hierarchie ein extremes Problem.

Der Churer Bischof Joseph Bonnemain ist der Nachfolger des emeritierten Bischofs Vitus Huonder.
Der Churer Bischof Joseph Bonnemain ist der Nachfolger des emeritierten Bischofs Vitus Huonder.

Inwiefern?

Spengler: Huonder stellt sich damit ausserhalb der kirchlichen Gemeinschaft. Gleichzeitig war er bis zu seinem Tod Bischof. Eigentlich müsste die Schweizer Bischofskonferenz jetzt klarstellen, was das bedeutet – wenn sich ein katholischer Bischof bewusst ausserhalb der Gemeinschaft stellt und damit letztlich auch mit der Kirche Roms bricht.

«Wegducken und Schönreden ist heute die beliebteste Kommunikationsstrategie der Kirchenleitung.»

Die Bischöfe schrecken davor zurück und schweigen daher lieber. Wegducken und Schönreden ist heute die beliebteste Kommunikationsstrategie der Kirchenleitung. Allerdings muss man auch sagen, dass die Causa Huonder wirklich vor allem ein Problem der Hierarchie, nicht der Kirche allgemein ist. Die Kirche hat gerade andere Probleme.

Vitus Huonder hat bereits 2022 das Bistum Chur informiert, dass er wünscht, in Ecône bestattet zu werden. Warum sind jetzt alle so überrascht?

Spengler: Weil er es tatsächlich macht. Und er sich damit so demonstrativ aus dem Kreis seiner Mitbrüder und dem der katholischen Hierarchie verabschiedet.

Erzbischof Marcel Lefebvre, Gründer der Priesterbruderschaft St. Pius X., am 1. Juli 1976 in Econe (Schweiz).
Erzbischof Marcel Lefebvre, Gründer der Priesterbruderschaft St. Pius X., am 1. Juli 1976 in Econe (Schweiz).

Vitus Huonder und die Piusbrüder würden wohl argumentieren, dass der eigentliche Bruch das Zweite Vatikanum war und sie mit dem Bruch des Traditionsbruchs quasi wieder traditionstreu sind. Minus mal Minus gibt Plus und so…

Genau. Die Überzeugung Huonders war, dass mit der Hinwendung der Kirche zur Moderne, zur Gesellschaft des 20. und jetzt zum 21. Jahrhundert, die Kirche auf Abwege geraten ist und ins Verderben läuft. Alles ist nur noch schlecht, was in der Kirche passiert, und es wird immer schlimmer. Das ist die Grundwahrnehmung der Traditionalisten.

«Die Frage ist, wenn ein Bischof sich von der Kirche abwendet, wie die Kirche darauf reagiert.»

Und deshalb bleibt ihnen nur, in dieser vormodernen Form zu verharren und da die angeblich wahre Lehre zu leben und zu bewahren. Die Frage ist aber trotzdem, wenn ein Bischof sich von der Kirche derart abwendet, wie die Kirche darauf reagiert. Und ob Schweigen um des vermeintlichen Friedens willen die Lösung ist.

Die Piusbruderschaft nutzt dieses Schweigen. In einer ausführlichen Medienmitteilung, in der Informationen zur Beerdigung des Bischofs bekannt gegeben werden, teilen sie gegen die Kirche und den Papst aus. Wäre es nicht besser, das Bistum Chur, die SBK und Rom würden sich äussern?

Spengler: Das fände ich schon angemessen, ja. Mit ihrem Schweigen überlassen sie die Deutungshoheit den Piusbrüdern. Das ist nicht unbedingt die beste Kommunikationsstrategie. Was ich aber sehr fragwürdig finde ist, dass Bischof Bonnemain an der Beerdigung teilnehmen möchte.

50 Jahre Priester: Altbischof Vitus Huonder feiert mit den Piusbrüdern (2021)
50 Jahre Priester: Altbischof Vitus Huonder feiert mit den Piusbrüdern (2021)

Wieso fragwürdig?

Spengler: Der Gottesdienst wird, das wurde ja angekündigt und von Bischof Bonnemain auch bestätigt, im Alten Ritus gefeiert. Das bringt eine Reihe liturgischer Probleme mit sich. Als Bischof kann Bonnemain nicht gemeinsam mit Schismatikern die Messe zelebrieren. Wie soll man sich das dann konkret vorstellen? Da sitzt dann der amtierende Nachfolger Huonders in der Bank und wohnt einer tridentinischen Messe bei. Das wäre dann auch wieder ein Zeichen, das noch mehr Verwirrung stiften würde.

Vitus Huonder war auch Ihr Bischof, Herr Spengler. Werden Sie zur Bestattung reisen?

Spengler: Ich fahre immer gerne ins Wallis, aber nicht um an Beerdigungen von Bischöfen teilzunehmen.

*Simon Spengler (62) ist Theologe und leitet die Kommunikation der Katholischen Kirche im Kanton Zürich. Vorher war der frühere BLICK-Journalist Informationsbeauftragter der SBK.

Anzeige ↓ Anzeige ↑

Simon Spengler | © Christian Merz
5. April 2024 | 12:00
Lesezeit: ca. 4 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!