Eucharistie-Feier


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Schweiz

Trotz Missbrauchsvorwurf: Chorherr von Saint-Maurice wieder als Priester eingesetzt

Der Chorherr, der im November von seinem Amt als Dekanpfarrer von Saint-Maurice suspendiert wurde, darf nun wieder arbeiten. Der Fall sei juristisch abgeschlossen, begründet die Abtei den Entscheid. Eine Frau hatte den Chorherrn in der RTS-Sendung vom letzten 19. November vorgeworfen, sie als Zwölfjährige missbraucht zu haben.

Regula Pfeifer

Die RTS-Sendung «Mise au Point» deckte am 19. November einen Missbrauchsskandal in der Abtei Saint-Maurice auf. Sie beschuldigte neun Chorherren des sexuellen Missbrauchs. Fünf davon seien verstorben, die übrigen im Ruhestand, berichtet RTS diesen Montag.

Priester des sexuellen Missbrauchs beschuldigt

Einer der vier lebenden beschuldigten Chorherren war als Pfarrer in Saint-Maurice eingesetzt. Ihm warf eine Frau in der RTS-Sendung vor, sie als Zwölfjährige sexuell missbraucht zu haben. Sie beschrieb, wie er sie mit einer Hand festhielt, mit der anderen Hand am Körper bis zu den Intimzonen berührte.

Die Frau beschuldigt den bisherigen Dekanpfarrer von Saint-Maurice des Missbrauchs, Sendung Mise au Point, RTS, 19. November 2023
Die Frau beschuldigt den bisherigen Dekanpfarrer von Saint-Maurice des Missbrauchs, Sendung Mise au Point, RTS, 19. November 2023

Die RTS-Reportage warf hohe Wellen. Das Bistum Sitten und die Abtei forderten darauf den Beschuldigten auf, sein Pfarramt vorläufig niederzulegen.

Diesen Montag hat die Abtei nicht nur eine unabhängige Untersuchung der Missbrauchsvorwürfe in ihrer Abtei angekündigt. Sie hat auch mitgeteilt, dass die vorläufige Amtsenthebung des Pfarrers aufgehoben werde. Der Chorherr darf also wieder als Priester wirken. Die Abtei wolle ihn aber nicht wieder als Priester im Pfarramt von Saint-Maurice einsetzen, schreibt die «Walliser Zeitung».

Vorwurf gerichtlich vom Tisch

Der Apostolische Administrator der Abtei, Jean-Michel Girard, begründet die Wiedereinsetzung mit den Gerichtsentscheiden von 2005, 2021 und Ende 2022, die alle die Vorwürfe gegen den als Pfarrer tätigen Chorherren betrafen. Und damit dessen mutmassliche Übergriffe gegen das damals zwölfjährige Mädchen behandelten. Der Fall sei 2005 eingestellt worden. 2021 folgte ein Entscheid über die Nichtwiederaufnahme des Verfahrens, 2022 wurde eine Beschwerde abgelehnt.

Jean-Michel Girard wird auf unbestimmte Zeit zum Apostolischen Delegaten ernannt.
Jean-Michel Girard wird auf unbestimmte Zeit zum Apostolischen Delegaten ernannt.

«Heute haben wir die objektive Gewissheit, dass der Fall abgeschlossen ist und keine weiteren Rechtsmittel ergriffen werden können», heisst es in der Mitteilung der Abtei Saint-Maurice.

Zeuge verneint Übergriff

Konkreter erklärt dies der Apostolische Administrator der Abtei, Jean-Michel Girard, gegenüber kath.ch: «Das Zivilgericht stellte fest, dass es keinen Vorwurf gegen den Chorherren von Saint-Maurice gab. Dabei stützte es sich insbesondere auf die Aussage einer Person, die während der gesamten Zeit anwesend war, in der der Priester in der Nähe des Mädchens war.» Diese Person habe bestätigt, dass es «keine verwerfliche Geste seitens des Priesters gegeben habe.»

Abtei Saint-Maurice
Abtei Saint-Maurice

Girard fügt an, dass auch der Heilige Stuhl das Gerichtsurteil anerkannt habe. «Daher habe ich nach meinem derzeitigen Kenntnisstand keinen Grund, die Suspensionsmassnahmen aufrechtzuerhalten.»

Chorherren-Lehrer verlangen Wiedereinstellung

Weiterhin von ihrer Aufgabe suspendiert sind auch die beiden Chorherren, die im Kollegium von Saint-Maurice als Lehrer beziehungsweise Rektor wirken.

Auf die Frage, ob auch sie wieder die Arbeit aufnehmen werden, bevor der Untersuchungsbericht steht, antwortet Girard: «Der Rektor des Kollegiums und ein junger Lehrerkollege haben sich zurückgezogen, um Zeit für Klarheit in Bezug auf das Kollegium zu lassen. Sie haben nun ihre Wiedereinstellung beantragt. Die Abtei unterstützt ihren Antrag. Es gibt keine Anschuldigungen gegen diese Mitbrüder.»

Jean Scarcella, Abt von Saint-Maurice
Jean Scarcella, Abt von Saint-Maurice

Kanton Wallis entscheidet

Der Apostolische Administrator betont, der Rektor habe in dieser Frage «weitgehend die Unterstützung des Lehrkörpers, der Elternvereinigung, der Studentenvereinigung und der Vereinigung ehemaliger Lehrkräfte». Laut Girard liegt die Entscheidung hier beim Kanton Wallis, dem die Bildungsinstitution gehört. Der Kanton hat auch angekündigt, die Zusammenarbeit mit der Abtei zu überprüfen.

Dem bisherigen Abt von Saint-Maurice, Jean Scarcella, werden ebenso sexuelle Übergriffe vorgeworfen. Mit der Untersuchung dieser Angelegenheit ist der Bischof von Chur, Joseph Maria Bonnemain, beauftragt. Die kanonische Voruntersuchung der Vorwürfe gegen Scarcella und weitere Mitglieder der Schweizer Bischofskonferenz (SBK) und andere Geistlichen ist abgeschlossen. Der Bericht liegt aktuell bei den Verantwortlichen im Vatikan.

Auch Roland Jaquenoud wird Missbrauch vorgeworfen.
Auch Roland Jaquenoud wird Missbrauch vorgeworfen.

In der RTS-Sendung vom letzten November wurde zudem dem Chorherrn und früheren Prior Roland Jaquenoud sexueller Missbrauch an einem Novizen vorgeworfen. Er musste deshalb von der interimistischen Leitung der Abtei zurücktreten, die er nach dem Rücktritt von Scarcella übernommen hatte.


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27. Februar 2024 | 17:15
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Reaktionen auf den Entscheid

Der Sprecher des Bistums Sitten für das Oberwallis, Paul Martone, rechnet nicht mit einem grossen Echo auf den Entscheid der Abtei Saint-Maurice, den Chorherren wieder ins Amt zu setzen. Er schreibt: «Im Oberwallis hat der ‘Walliser Bote’ diesen Entschied bereits gestern auch auf seiner Homepage veröffentlicht. Bis jetzt sind darauf nur drei Kommentare eingetragen worden, sodass ich dann ausgehe, dass dieser Entscheid keine grossen Wellen wirft. Zudem ist es ja eine Frage der Gerechtigkeit, dass auch kommuniziert wird, wenn ein Priester fälschlicherweise nicht nur angeklagt worden ist, sondern auch vorverurteilt.»

Er stelle aufgrund der Kommentare einen «grundsätzlichen Vertrauensverlust der Kirche gegenüber» fest, so Martone. Die Kirche werde an der Wiedergewinnung dieses Vertrauens arbeiten müssen. (rp)