Jemand hat ein Hakenkreuz in die Türe der Synagoge von Biel eingeritzt.
Schweiz

Kommt nun das Hakenkreuz-Verbot in der Schweiz?

Seit Jahren wird in der Schweiz diskutiert, ob Nazi-Symbole in der Öffentlichkeit verboten werden. Nun hat der Bundesrat offenbar ein Einsehen und arbeitet eine gesetzliche Grundlage aus. Jonathan Kreutner vom Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund (SIG) meint dazu: «Die Politik muss sich jetzt in einem ersten Schritt auf eine klare, nachvollziehbare Liste von Nazi-Symbolen konzentrieren».

Sarah Stutte

Die jetzige Strafnorm in der Schweiz greift in Sachen Anti-Rassismus zu wenig weit. Ein Hakenkreuz oder andere rassistische Symbole in der Öffentlichkeit zu zeigen, ist bis heute nicht explizit verboten. Das monierten bereits verschiedene Politikerinnen und Politiker, wie beispielsweise die Aargauer Mitte-Nationalrätin Marianne Binder.

Marianne Binder
Marianne Binder

Vor zwei Jahren reichte sie deshalb eine Motion beim Bundesrat ein. Diese forderte ein Verbot für in der Öffentlichkeit gezeigte nationalsozialistische Gesten und Parolen. Aber auch für Schriften, Ton- oder Bildaufnahmen und Abbildungen mit diesem Inhalt. Doch der Bundesrat lehnte ein solches im Februar 2022 ab. Dabei stützte er sich auf das Argument, dass die Bestimmung bewusst offen formuliert wurde, um die Meinungsfreiheit nicht zu stark zu beschneiden.

Ständerat ist für eigene Motion

Doch der Druck, die Strafnorm zu ergänzen, wuchs seitens Bevölkerung und Politik stetig. Anfang Mai 2023 wurde die Motion von Marianne Binder deshalb gegen den Willen des Bundesrates im Nationalrat überraschend deutlich angenommen. Die ständerätliche Rechtskommission behandelte die Motion und zwei weitere parlamentarische Initiativen zur selben Thematik im Oktober und stellte dabei klar, dass sie ein Verbot extremistischer, insbesondere nationalsozialistischer Symbole für notwendig betrachtet.

Antisemitische Schmierereien prangen an der Mauer des jüdischen Friedhofs Basel.
Antisemitische Schmierereien prangen an der Mauer des jüdischen Friedhofs Basel.

Die Motion von Binder lehnte der Ständerat ab und beantragte stattdessen eine eigene, um das Verbot auch auf andere rassendiskriminierende Symbole auszuweiten. Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) befürchtet jedoch, dass dies wieder zu einer neuerlichen Diskussion darüber führe, was überhaupt alles an Symbolen verboten werden soll. Bisher scheiterte eine Verschärfung vor allem an der Uneinigkeit darüber.

Abklärung des Justizdepartements

Ein explizites Nazi-Symbol kann aber doch kaum anders verstanden werden, oder? «Die Politik in der Schweiz hat es sich hier in den letzten Jahrzehnten einfach gemacht. Die Diskussion um den Symbolkatalog wurde derart verkompliziert, dass schliesslich keine Einigung gefunden wurde», sagt Jonathan Kreutner.

Bundesrätin Karin Keller-Sutter
Bundesrätin Karin Keller-Sutter

Am 16. Dezember schrieb die NZZ in einem Artikel, dass Karin Keller-Suters Justizdepartement aufgrund des öffentlichen Drucks die Machbarkeit einer Verschärfung der Strafnorm in Auftrag gegeben habe. Der Bericht liege nun vor. Darin werden nochmals die Gründe genannt, die gegen ein explizites Verbot von Nazi-Symbolik sprechen.

Grauzone ist riesig

Eine Schlussfolgerung des Bundesamtes für Justiz ist es etwa, dass das geltende Strafgesetz in vielen Fällen von rassistischer Symbolik schon heute greife. Dem widerspricht Jonathan Kreutner: «Das stimmt so eben nicht. Die Grauzone ist hier riesig. Die Verwendung von Nazi-Symbolen ist nur strafbar, wenn öffentlich auch für diese Ideologie geworben wird. Die Verwendung unter Gleichgesinnten hingegen nicht und hier liegt dann der weite Interpretationsspielraum in der Schweiz.»

SIG-Generalsekretär Jonathan Kreutner
SIG-Generalsekretär Jonathan Kreutner

Kreutner erklärt weiter, was das heute im Alltag bedeute: «Bei Konzerten werden Nazi-Symbole verwendet oder bei halböffentlichen Auftritten. Auch ist der Missbrauch von Nazi-Symbolen für die Skandalisierung politischer Botschaften problemlos möglich».

Widersprüchliche Handhabung

Im Klartext heisst das: Wenn eine Gruppe von Menschen mit nationalsozialistischem und rassistischem Gedankengut unter sich bleibt, darf sie so viel Symbolik verwenden, wie sie möchte – ohne Konsequenzen. An einer rechtsextremen Demonstration ist das Schwenken der Nazi-Fahne dann aber strafbar.

Hakenkreuz-Plakat gegen Durchsetzungsinitiative
Hakenkreuz-Plakat gegen Durchsetzungsinitiative

Liegt in dieser inkonsequenten Handhabung nicht ein Widerspruch? «Das ist insofern ein Widerspruch, als hier genau dieser Graubereich zum Zug kommt. Wann ist etwas öffentlich, wann halb-öffentlich, wann privat. Genau damit spielen diese Leute und haben nur wenig zu befürchten», so Kreutner.

Bundesrat hat eingelenkt

Und wie geht es nun weiter? Eventuell schneller als erwartet. Auf der Parlamentsseite ist zur hängigen Motion der ständerätlichen Rechtskommission zu lesen, dass der Bundesrat die Variante anscheinend in aller Stille Ende November zur Annahme empfohlen hat. Der Bundesrat soll nun eine gesetzliche Grundlage ausarbeiten. Die aktuelle Situation hinsichtlich der zunehmenden antisemitischen Vorfälle in der Schweiz könnte zu diesem Kurswechsel beigetragen haben.

Dazu meint Jonathan Kreutner: «Wir fordern nun, dass sich die Politik in einem ersten Schritt auf eine klare, nachvollziehbare Liste von Nazi-Symbolen konzentriert. Ein Hakenkreuz ist klar, die SS-Rune ebenso».


Jemand hat ein Hakenkreuz in die Türe der Synagoge von Biel eingeritzt. | © zVg
18. Dezember 2023 | 16:30
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