Erzbischof Georg Gänswein (r.) bei der Trauermesse für Benedikt XVI..
Theologie konkret

Georg Gänswein kämpft wie ein Löwe für Benedikt XVI.

Er galt als schönster Altenpfleger Roms – und ist derzeit arbeitslos: Erzbischof Georg Gänswein, der langjährige Privatsekretär von Papst Benedikt XVI. Sein neues Buch «Nichts als die Wahrheit» enthält Tratsch und Theologie.

Raphael Rauch

«Sie können auf mich zählen in vita et in morte», also «im Leben wie im Tod». Das versprach Georg Gänswein (66) seinem Förderer Joseph Ratzinger, als dieser 2005 Papst wurde. Und an dieses Versprechen hält er sich nach wie vor.

Was Benedikt XVI. zum Frühstück ass

Am 31. Dezember 2022 ist Benedikt XVI. um 9.34 Uhr im Alter von 95 Jahren gestorben. Seitdem hat der Kampf um Deutungshoheit begonnen. Don Giorgio, wie Gänswein im Vatikan heisst, kämpft wie ein Löwe für seinen Ex-Chef. Das Buch «Nichts als die Wahrheit» gibt Einblick in die Arbeit eines umstrittenen Papstes und seines willigen Dieners.

Ein gebrechlicher Ex-Papst lässt sich seinem Privatsekretär Kurienerzbischof Georg Gänswein stützen (Aufnahme von 2015).
Ein gebrechlicher Ex-Papst lässt sich seinem Privatsekretär Kurienerzbischof Georg Gänswein stützen (Aufnahme von 2015).

Zu lesen ist, wie Gänswein als Jugendlicher Rockmusik hörte und lange, lockige Haare hatte. Dass Benedikt XVI. zum Frühstück Zitronentee, Brot mit Marmelade und Joghurt zu sich nahm – und niemals Verdauungsprobleme hatte. Wollten wir das wirklich wissen?

Versagen in der Missbrauchskrise

Laut Gänswein hatte Benedikt XVI. kein Handy, dafür ein eigenes Festnetztelefon. An diesen Apparat ging nur Benedikt XVI. ran. Die Nummer war nur wenigen Menschen bekannt.

Trauer um den Papa emeritus: Ein Foto zeigt Papst Benedikt XVI. und Georg Gänswein.
Trauer um den Papa emeritus: Ein Foto zeigt Papst Benedikt XVI. und Georg Gänswein.

Benedikt XVI. wird vorgeworfen, zu wenig gegen den sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche getan zu haben. Dem widerspricht Gänswein entschieden. Er stellt seinen Chef als ersten Papst dar, der auf seinen Auslandsreisen Missbrauchsopfer traf.

Benedikt XVI. begünstigte Vertuschung

Gleichwohl räumt Gänswein ein, Rom sei vom Missbrauchskomplex überfordert gewesen. Was er aber nicht schreibt: Sein Chef hat aktiv zur Vertuschung beigetragen. So wies Joseph Ratzinger 2001 die Bischöfe auf der ganzen Welt an, dass Missbrauchsfälle nicht an die Öffentlichkeit gelangen sollten, sondern nach Rom gemeldet werden müssen. Was gut gemeint war, nämlich von Rom aus hart durchzugreifen, begünstigte jedoch Vertuschung.

Holocaust-Leugner Richard Williamson
Holocaust-Leugner Richard Williamson

Gänswein verteidigt in seinem Buch die vielen Fauxpas in Benedikts Amtszeit. Etwa die Entscheidung, den Holocaust-Leugner Richard Williamson (83) von den traditionalistischen Piusbrüdern wieder in die katholische Kirche aufzunehmen. Der Fall hat 2009 auch die Schweiz bewegt, schliesslich haben die Piusbrüder ihre weltweite Zentrale in Menzingen ZG. Gänswein beteuert, er und sein Chef seien falsch informiert gewesen. Es habe geheissen, Williamson sei an Krebs erkrankt und werde bald sterben. Gänswein spricht von einer «falsch verstandenen Milde».

Gänsweins Buch spielt Franziskus’ Kritikern in die Hände

Benedikts Nachfolger Papst Franziskus steht unter starkem Druck. Konservative Kreise dürften Gänsweins Buch als Aufforderung lesen, den Druck zu erhöhen. Gänsweins Beteuerung, er sei Papst Franziskus gegenüber loyal, dürfte da nicht helfen. «Sie können auf mich zählen in vita et in morte» – diese Formel hat er nur Benedikt XVI. versprochen, nicht Franziskus.

Gänsweins «Nichts als die Wahrheit» ist im Herder-Verlag erschienen. 


Erzbischof Georg Gänswein (r.) bei der Trauermesse für Benedikt XVI.. | © KNA
12. März 2023 | 07:14
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