Raphael Rauch ist Redaktionsleiter von kath.ch.
Kommentar

Erzbischof Wolfgang Haas betreibt spirituelle Erpressung

Der Erzbischof von Vaduz, Wolfgang Haas, sagt einen Gottesdienst mit Politikerinnen und Politikern ab, weil diese nicht sein Weltbild teilen. Diese spirituelle Erpressung ist empörend. Die Politik in Vaduz, die Bischöfe in der Schweiz und Österreich, aber auch Nuntius Martin Krebs sind jetzt gefordert.

Raphael Rauch

Wie tief kann ein Bischof sinken? Tief, tiefer, Erzbischof Wolfgang Haas! Das jüngste «Wort des Erzbischofs» liest sich wie eine Kampfansage gegen die Politik in Liechtenstein, gegen Rom – und gegen den gesunden Menschenverstand.

Haas und Walser versagen in der Missbrauchskrise

Der Erzbischof hetzt gegen die angebliche «Gender- und LGBT-Propaganda», anstatt vor der eigenen Haustüre zu kehren. Dazu gehört etwa eine externe Untersuchung, die den Liechtensteiner Missbrauchskomplex aufarbeitet. In mindestens einem Fall haben Erzbischof Wolfgang Haas und Generalvikar Markus Walser bei einem mutmasslichen Missbrauchsfall nicht sofort reagiert, waschen jedoch nach wie vor ihre Hände in Unschuld.

Generalvikar Markus Walser an der Fronleichnamsprozession in Ruggell.
Generalvikar Markus Walser an der Fronleichnamsprozession in Ruggell.

Intellektuell ebenso entlarvend wie verstörend ist die Argumentation des Erzbischofs gegen die «Ehe für alle». Diese widerspreche «dem natürlichen Empfinden». Nicht vorstellbar, was der wuchtige Wolfgang Haas für natürlich hält. Auch das «vernunftgemässe Naturrecht» taugt nicht für pauschales Gender-Bashing, von naturwissenschaftlichen und anthropologischen Erkenntnissen ganz zu schweigen.

Die Menschen wichtiger als die «doctrina»

Hat Papst Franziskus nicht erst vor ein paar Jahren seinen Segen zur «convivencia civil» gegeben, also zu einer zivilen Homo-Ehe? Selbst wenn er damit nur eine eingetragene Partnerschaft gemeint haben könnte: Wenn diese ethisch wertvoll sein kann, gilt das dann nicht auch für die «Ehe für alle»? Und hat Kardinal Luis Ladaria nicht erst kürzlich sein Veto gegen den «Segen für alle» beim Ad-limina-Besuch der belgischen Bischöfe zurückgezogen?

Der Erzbischof von Vaduz, Wolfgang Haas, mit der Ernennungsurkunde am 21. Dezember 1997 in der Sankt-Florin-Kirche in Vaduz.
Der Erzbischof von Vaduz, Wolfgang Haas, mit der Ernennungsurkunde am 21. Dezember 1997 in der Sankt-Florin-Kirche in Vaduz.

Kurienkardinal Walter Kasper hat vor einigen Tagen erneut betont: Für Papst Franziskus steht nicht die «doctrina», also die Lehrmeinung, an oberster Stelle, sondern das Evangelium. Es geht ihm nicht um das Kirchenrecht, sondern um Menschen. Dieser Paradigmenwechsel wird in Liechtenstein weder verstanden noch gelebt.

Spirituelle Erpressung

Mit seinem Schritt, den traditionellen Gottesdienst zur Eröffnung der Landtagssession abzusagen, könnte sich Wolfgang Haas allerdings endgültig verzockt haben. Es gleicht einer spirituellen Erpressung, das Feiern eines Gottesdienstes von einer bestimmten politischen Agenda abhängig zu machen. Gegen diese erzbischöfliche Selbstgefälligkeit sollten sechs Akteure nun unbedingt aktiv werden.

Prinz Stefan von und zu Liechtenstein
Prinz Stefan von und zu Liechtenstein

Erstens steht die Liechtensteiner Regierung in der Pflicht. Der Vaduzer Botschafter am Heiligen Stuhl, Prinz Stephan von und zu Liechtenstein, sollte schnellstens dem Staatssekretariat in Rom mitteilen, dass Vaduz es zutiefst bedauert, dass Erzbischof Wolfgang Haas das Heilig-Geist-Amt zur Eröffnung der Landtagssession einseitig aufgekündigt hat. Eine staatliche Intervention bringt bekanntlich mehr als hunderte kircheninterne Petitionen.

Der Landtag sollte die Regierung in die Pflicht nehmen

Zweitens sollte der Liechtensteiner Landtag aktiv werden. Bislang glänzte die Vaduzer Regierung ähnlich wie die katholische Kirche mit maximaler Intransparenz. Es ist höchste Zeit, dass das Volk den Mächtigen auf die Finger schaut und die Regierung in die Pflicht nimmt, ihre Interessen am Heiligen Stuhl lautstark und öffentlich zu artikulieren.

Der Landtag des Fürstentums Liechenstein in Vaduz.
Der Landtag des Fürstentums Liechenstein in Vaduz.

Drittens ist der Klerus in Liechtenstein gefragt. Einem ordentlich installierten Pfarrer kann kirchenrechtlich fast nichts passieren. Warum meldet sich nicht ein Pfarrer und hält trotzdem die Messe mit den Landtagsmitgliedern?

Der Nuntius schweigt

Viertens sollte der Nuntius in Bern, Erzbischof Martin Krebs, aktiv werden. Anders als der legendäre Nuntius Karl-Josef Rauber fremdelt Martin Krebs nach wie vor mit Schweizer und Liechtensteiner Laiinnen und Laien. Es wird höchste Zeit, dass Martin Krebs die Anliegen des Volkes Gottes öffentlich anhört, entgegennimmt – und den Druck auf Erzbischof Wolfgang Haas erhöht. Er könnte doch bereits vor seinem 75. Geburtstag am 7. August 2023 seine Demission einreichen.

Martin Krebs, Apostolischer Nuntius, am traditionellen Neujahrsempfang 2022 im Bundeshaus.
Martin Krebs, Apostolischer Nuntius, am traditionellen Neujahrsempfang 2022 im Bundeshaus.

Fünftens: Die Schweizer Bischofskonferenz kann nicht tatenlos zusehen, wie Erzbischof Wolfgang Haas ein Pamphlet nach dem anderen produziert. Laut dem Rat der europäischen Bischofskonferenzen in St. Gallen CCEE steht die Schweizer Bischofskonferenz in der Pflicht, die Kirche in Liechtenstein beim synodalen Prozess mitzunehmen. Das heisst auch, sie vor weiterem Schaden zu bewahren.

Alle Augen warten auf die österreichischen Bischöfe

Sechstens: Auch die österreichische Bischofskonferenz ist von Wolfgang Haas’ Scherbenhaufen betroffen. Es bleibt zu hoffen, dass der Abt von Wettingen-Mehrerau – immerhin ein Liechtensteiner – und der Bischof von Feldkirch zusammen mit Kardinal Christoph Schönborn das Erzbistum Vaduz beim Gespräch mit Papst Franziskus zum Thema machen. 

Kardinal Christoph Schönborn
Kardinal Christoph Schönborn

Die österreichischen Bischöfe treffen am morgigen Freitag den Papst im Rahmen ihres Ad-limina-Besuchs. Schönborn dürfte sich mit Grauen an Wolfgang Haas zurückerinnern, schliesslich hat er in seiner Zeit als Professor in Freiburg tief in das «geistig-geistliche Antlitz» des aufstrebenden Wolfgang Haas blicken müssen – um einen besonders geschwollenen Ausdruck aus dem jüngsten «Wort des Erzbischofs» aufzugreifen.

Es ist ein Antlitz voller Abgründe und wenig Geist. Es reicht, Erzbischof Wolfgang Haas!


Raphael Rauch ist Redaktionsleiter von kath.ch. | © Christian Merz
15. Dezember 2022 | 09:07
Lesezeit: ca. 3 Min.
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