Prinz Stefan von und zu Liechtenstein
Story der Woche

Vaduz, Vatikan, Wörthersee: Ein Prinz vermittelt zwischen Liechtenstein und Rom

Von Österreich aus vertritt Prinz Stefan von und zu Liechtenstein (60) das Fürstentum am Heiligen Stuhl. Der Geschäftsmann und Diplomat hält sich bedeckt, was die Zukunft des Erzbistums Vaduz betrifft. Kürzlich traf Nuntius Martin Krebs Aussenministerin Dominique Hasler.

Raphael Rauch

Am 21. Februar 2008 steht Prinz Stefan von und zu Liechtenstein um 8.11 Uhr im Scheinwerferlicht der Bundesrepublik. Das ARD-»Morgenmagazin» bringt ein Live-Interview mit dem damaligen Botschafter Liechtensteins in Berlin.

Er kontert ungewöhnlich keck für einen Diplomaten

In den Augen der Deutschen ist Prinz Stefan ein Bankster. Ein Raubtier-Kapitalist, der den deutschen Staat um Milliarden Steuern prellt. Doch Prinz Stefan bleibt souverän und lässt sich nicht provozieren. 

Auf die Frage, ob er wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung ein schlechtes Gewissen habe, kontert er ungewöhnlich keck für einen Diplomaten: «Der einzige Grund, warum ich ein schlechtes Gewissen habe, ist, weil Ihre Kollegin sich bei meinem langen Namen fast verschluckt hat.» 

Der Botschafter mit den Steuer-Oasen

Drei Minuten später stellt der deutsche Moderator fest: «Sie sind erstaunlich entspannt heute morgen hier.» Prinz Stefan erwidert: «In unserer Welt ist jeder gleichzeitig Täter und Opfer.»

Vor 20 Jahren: Prinz Stefan von und zu Liechtenstein bei der Expo.02, der 6. Schweizer Landesausstellung in Neuenburg.
Vor 20 Jahren: Prinz Stefan von und zu Liechtenstein bei der Expo.02, der 6. Schweizer Landesausstellung in Neuenburg.

Die Bundesrepublik sieht das freilich anders. Für sie ist das kleine Liechtenstein Täter – und das grosse Deutschland Opfer. Das gibt auch Bundeskanzlerin Angela Merkel Prinz Stefan zu spüren, als er drei Tage zuvor am Neujahrsempfang für das Diplomatische Corps erscheint.

Nicht zu freundlich: Bundeskanzlerin Angela Merkel und Prinz Stefan von und zu Liechtenstein im Jahr 2008.
Nicht zu freundlich: Bundeskanzlerin Angela Merkel und Prinz Stefan von und zu Liechtenstein im Jahr 2008.

Während die Kanzlerin andere Botschafterinnen und Botschafter freundlich anlächelt, versucht sie, Prinz Stefan auf Distanz zu halten. Ein zu freundliches Bild hätte ihre Botschaft kaputt gemacht, alles gegen Steuer-Oasen zu unternehmen.

30 Polizisten schützen die liechtensteinische Botschaft

Berlin im Jahr 2008: Prinz Stefan hat keinen leichten Job. Erst durch die Verhaftung des CEO der Deutschen Post, Klaus Zumwinkel, scheint Deutschland zu realisieren, dass es zwischen der Schweiz und Österreich einen eigenen Staat gibt. In Berlin macht sich eine Anti-Liechtenstein-Stimmung breit. 

Ein Bild aus unbeschwerten Zeiten, als Liechtenstein noch nicht im Fokus der Steuerbehörden stand: Fürst Hans-Adam II. (links) mit Fürstin Marie im Jahr 2003.
Ein Bild aus unbeschwerten Zeiten, als Liechtenstein noch nicht im Fokus der Steuerbehörden stand: Fürst Hans-Adam II. (links) mit Fürstin Marie im Jahr 2003.

Zeitweise schützen bis zu 30 Polizisten die liechtensteinische Botschaft, weil Angriffe befürchtet werden: «Zwei Jahre lang wurden keine liechtensteinischen Regierungsmitglieder für bilaterale Besuche mehr in Deutschland empfangen und sowieso kam niemand aus Deutschland nach Liechtenstein. Das war mühsam», berichtet Prinz Stefan später in einem Interview.

Antrittsbesuch beim deutschen Bundespräsidenten: Prinz Stefan von und zu Liechtenstein (links) und Horst Köhler im Jahr 2006.
Antrittsbesuch beim deutschen Bundespräsidenten: Prinz Stefan von und zu Liechtenstein (links) und Horst Köhler im Jahr 2006.

Die Kunst als Brückenbauerin

Was macht ein Botschafter, mit dem niemand reden will? Er bemüht sich um Alternativen. Prinz Stefan ist kulturaffin. Klassische Musik schätzt er ebenso wie Kunst und Literatur. Statt Ministerinnen und Parlamentarier lädt er Autoren und Künstlerinnen in die Berliner Botschaft ein. Und die kommen gerne. Dass Kunst Brücken bauen kann, weiss die Fürstenfamilie seit Jahrhunderten.

Der Wörthersee in Kärnten. Rechts ist das gelbe Schloss am Wörthersee zu sehen – Drehort einer ZDF-Serie.
Der Wörthersee in Kärnten. Rechts ist das gelbe Schloss am Wörthersee zu sehen – Drehort einer ZDF-Serie.

Verglichen mit Berlin hat Prinz Stefan heute einen leichten Job. Im Ehrenamt ist er Botschafter Liechtensteins am Heiligen Stuhl. Er ist ein nicht-residierender Botschafter. Das bedeutet: Er lebt nicht in Rom, sondern arbeitet von Kärnten aus. Im Vatikan sagt niemand, dass Liechtenstein eine Steueroase sei. Verglichen mit den undurchsichtigen Vatikan-Finanzen erscheint Liechtenstein als transparentes Eldorado. 

Papst Franziskus und Vaduz' Vatikan-Botschafter Prinz Stefan von und zu Liechtenstein im Jahr 2017.
Papst Franziskus und Vaduz' Vatikan-Botschafter Prinz Stefan von und zu Liechtenstein im Jahr 2017.

Aussenministerin Dominique Hasler beim Papst

Wie es sich für einen Diplomaten gehört, legt Prinz Stefan Wert auf Diskretion. Worüber sich Aussenministerin Dominique Hasler und Papst Franziskus bei ihrer Begegnung am 27. Oktober unterhalten haben? Prinz Stefan verweist auf das offizielle Communiqué: Die Aussenministerin sei für einen «Antrittsbesuch beim Heiligen Stuhl und für ein Arbeitsgespräch beim Aussenministerium Italiens» nach Rom gereist.

Papst Franziskus und die Liechtensteiner Aussenministerin Dominique Hasler. Rechts: Prinz Stefan von und zu Liechtenstein.
Papst Franziskus und die Liechtensteiner Aussenministerin Dominique Hasler. Rechts: Prinz Stefan von und zu Liechtenstein.

Im Vatikan traf sie den vatikanischen Aussenminister, Erzbischof Paul Richard Gallagher, Kardinal Michael Czerny und – im Rahmen einer Generalaudienz – auch Papst Franziskus. Für wen sich Papst Franziskus mittwochs Zeit nimmt, hängt auch davon ab, wer gerade alles Schlange steht. Dominique Hasler hatte Glück: Am 27. Oktober 2021 war sie die ranghöchste Politikerin – und kam als erste zum Papst.

Der Heilige Stuhl ist «not amused» über Erzbischof Wolfgang Haas

Ob sich die Aussenministerin beim Papst über Erzbischof Wolfgang Haas beschwerte und sich nach der Zukunft des Erzbistums Vaduz erkundigte? Hierzu schweigt Prinz Stefan eisern.

Wolfgang Haas ist noch Erzbischof von Vaduz.
Wolfgang Haas ist noch Erzbischof von Vaduz.

Wer sich in Rom umhört, weiss aber, dass der Heilige Stuhl «not amused» ist über Erzbischof Wolfgang Haas. Vor allem seine Weigerung, sich am synodalen Prozess zu beteiligen, gab in Rom zu reden.

Haben Walser und Haas vertuscht?

War der Missbrauchsfall in Ruggell Thema zwischen der Aussenministerin und dem Papst? Die Eltern eines Mädchens werfen Generalvikar Markus Walser und Erzbischof Wolfgang Haas Vertuschung vor und haben sich in Rom beschwert. Prinz Stefan lässt durchblicken, dass die Regierung mit grosser Sorge den Fall beobachte – und verweist auf das laufende Verfahren. Die Justiz arbeite nach bestem Wissen und Gewissen. Auch von Kärnten aus bekommt Prinz Stefan jede Kontroverse im Erzbistum mit.

Aussenministerin Dominique Hasler empfängt die in Vaduz akkreditierten Botschafterinnen und Botschafter – darunter auch Nuntius Martin Krebs (rechts).
Aussenministerin Dominique Hasler empfängt die in Vaduz akkreditierten Botschafterinnen und Botschafter – darunter auch Nuntius Martin Krebs (rechts).

Bislang schweigt das Aussenministerium zur Zukunft des Erzbistums. Was Aussenministerin Dominique Hasler und Nuntius Martin Krebs beim Botschafter-Treffen besprochen haben, bleibt ein Geheimnis. Doch beide dürften ein grosses Interesse daran haben, dass sich 1997 nicht wiederholt. 

Das Drama von 1997

Damals traf der Nuntius in Bern, Erzbischof Oriano Quilici, auf verschlossene Türen, als er in Vaduz vorfuhr. Statt des Fürsten empfing ihn schliesslich Aussenministerin Andrea Willi. Der Nuntius stellte diese vor vollendete Tatsachen: Papst Johannes Paul II. hatte entschieden, Liechtenstein zum Erzbistum zu erheben und den Churer Bischof Wolfgang Haas zum ersten Erzbischof von Vaduz zu ernennen.

Demonstration in Liechtenstein 1997 gegen die Inthronisation von Wolfgang Haas als Erzbischof von Vaduz.
Demonstration in Liechtenstein 1997 gegen die Inthronisation von Wolfgang Haas als Erzbischof von Vaduz.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass das fürstliche Haus sich von Rom überrumpelt fühlte. Die Fürstenfamilie schätzte den Churer Bischofssitz – einen der ältesten überhaupt nördlich der Alpen. 

Bleibt «alles beim Alten»?

Aus der Zwangsehe mit Wolfgang Haas wurde auch später keine Liebesheirat. Seit Jahren bleibt der Erzbischof den Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag am 15. August fern. Früher gehörte ein Pontifikalamt zum festen Programmteil auf der Fürstenwiese.

Generalvikar Markus Walser an der Fronleichnamsprozession in Ruggell.
Generalvikar Markus Walser an der Fronleichnamsprozession in Ruggell.

Wie stark die Nachfolgefrage bereits vorangeschritten sei – über diese Frage lächelt Prinz Stefan ebenso hinweg wie über die These des Theologen Paul Zulehner, wonach das Erzbistum Vaduz aufgelöst werden könnte. Auch die Aussage des Priesters Adriano Burali, wonach Erzbischof Wolfgang Haas davon ausgehe, dass «alles beim Alten» bleibe, will Prinz Stefan nicht kommentieren.

Über fünf Ecken mit dem Fürsten verwandt

Botschafter im Nebenamt: Das bedeutet, dass auch noch Zeit für anderes bleibt. Klar, ab und zu ist Prinz Stefan in Rom. Da Liechtenstein keine eigene Residenz hat, übernachtet er dort in einem einfachen Hotel.

Tempi Passati: Erzbischof Wolfgang Haas 1998 mit Fürst Hans-Adam II. (links), Fürstin Marie und Erbprinz Alois.
Tempi Passati: Erzbischof Wolfgang Haas 1998 mit Fürst Hans-Adam II. (links), Fürstin Marie und Erbprinz Alois.

Über fünf Ecken ist Prinz Stefan mit dem Fürsten verwandt. Er steht in den Diensten des Fürstentums, obwohl er praktisch sein ganzes Leben im Ausland verbracht hat. Für ihn ist Liechtenstein ohnehin mehr als der Kleinstaat am Rhein. Für ihn ist Liechtenstein eine Chiffre für Europa. 

Paul M. Zulehner
Paul M. Zulehner

Ein Schloss in der Nähe des Wörthersees

Prinz Stefan erinnerte in einem Interview an seine Vorfahren, die in Italien, Ungarn, Österreich und Deutschland lebten. «Liechtenstein ist etwas, das über das Land hinaus geht», sagte Prinz Stefan vor Jahren der «Kleinen Zeitung». 150 Menschen weltweit würden den Namen Liechtenstein tragen. Noblesse oblige.

Schloss Rosegg in Kärnten/Österreich.
Schloss Rosegg in Kärnten/Österreich.

Gemeinsam mit seinem Bruder betreibt Prinz Stefan in der Nähe des Wörthersees das Schloss Rosegg. Es ist eine grosse Anlage, bestehend aus einem klassizistischen Schloss und einem Tierpark. Prinz Stefan ist mehr für die Kunstausstellungen zuständig, sein Bruder für die Tiere.

Geschäfte mit Karl-Theodor zu Guttenberg und Philipp Amthor

Prinz Stefan geniesst das Privileg, mit 60 Jahren nicht mehr alles machen zu müssen. Einst hatte er in Innsbruck BWL studiert. Es folgten verschiedene Posten bei Banken und Investment-Gesellschaften, unter anderem bei der UBS. Danach ging’s in den diplomatischen Dienst: 2001 wurde er Botschafter in Bern, 2007 in Berlin – und seit 2017 ist der vierfache Vater für den Heiligen Stuhl zuständig.

Ein Schloss am Wörthersee - bekannt aus der gleichnamigen ZDF-Serie.
Ein Schloss am Wörthersee - bekannt aus der gleichnamigen ZDF-Serie.

Geschäftsmann ist Prinz Stefan ein Leben lang geblieben. Auch wenn er sich heute wohl nicht mehr auf so manche Konstellationen einlassen würde. So sorgte er mit der Firma «Augustus Intelligence» für Schlagzeilen. Prinz Stefan wollte im Bereich Künstliche Intelligenz gross durchstarten. Doch schillernde Namen wie der frühere CSU-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg oder der CDU-Abgeordnete Philipp Amthor brachten dem Projekt negative Presse.

Auf diskreter Mission

Der Countdown läuft. Am 7. August 2023 wird Erzbischof Wolfgang Haas 75 Jahre alt. Dann muss er Papst Franziskus seinen Rücktritt anbieten. Gut möglich, dass Prinz Stefan bis dahin noch mehrere Gespräche in Rom führt. Auch wenn er den Medien davon niemals erzählen würde.


Prinz Stefan von und zu Liechtenstein | © Raphael Rauch
28. Oktober 2022 | 05:00
Lesezeit: ca. 6 Min.
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