Der Filmtipp verabschiedet sich von kath.ch.
In eigener Sache

Die letzte Vorstellung: Ende des Filmtipps auf kath.ch

Mit dem Filmtipp vom Donnerstag «Abbé Pierre» verabschiedet sich das Medientipp-Team auf kath.ch bis auf Weiteres erstmal von diesem Format. Auf Ende März wird die Rubrik Filmtipp vorübergehend eingestellt. Sie war seit 1998 fester Bestandteil der Berichterstattung des Katholischen Medienzentrums.

Sarah Stutte und Natalie Fritz

Am Schweizer Filmpreis 2024 wurden sie vergangene Woche geehrt, die besten inländischen Filme des Jahres. Zu den grossen Abräumern des Abends zählte mit insgesamt drei Trophäen das Drama «Blackbird Blackbird Blackberry». Die ungewöhnliche Coming of Age-Geschichte handelt von einer 48-Jährigen, die in ihrem georgischen Dorf das erste Mal die Liebe entdeckt. Der zweite Spielfilm (Erstling «Wet Sand», 2021) der in der Schweiz wohnhaften non-binären Regieperson Elene Naveriani wurde als Bester Spielfilm, für die beste Montage und das beste Drehbuch prämiert.

Etero (Eka Chavleishvili) und ihr Lieferant und Geliebter Murman (Temiko Chinchinadze)
Etero (Eka Chavleishvili) und ihr Lieferant und Geliebter Murman (Temiko Chinchinadze)

Eine weitere Gewinnerin war die schweizerisch-französische Schauspielerin Ella Rumpf, die den Quartz als beste Darstellerin für ihre Rolle in «Le Théorème de Marguerite» gewann – einer an sich selbst zweifelnden Mathematikerin in einer Männerwelt. Nominiert waren unter anderem die Filme «Las Toreras», «Prisoners of Fate» oder «L’amour du monde». Was all diese Filme gemeinsam haben? Über alle haben wir im Medientipp und im Rahmen der filmischen Berichterstattung auf kath.ch berichtet.

100 Jahre katholische Filmarbeit

Doch damit ist erstmal Schluss – denn der Medientipp wird offiziell auf Ende März eingestellt. Für die fast 100-jährige Geschichte der katholischen Filmarbeit in der Schweiz ein schwerer Schlag, ging doch die Filmkritik-Kultur überhaupt erst aus dem Engagement der reformierten sowie der katholischen Kirchen hervor. Zuerst als Mittel zum Schutze der Tugend und der Erziehung – insbesondere von jungen Gläubigen – entworfen, entwickelten sich die kirchliche Filmpublizistik und insbesondere deren Filmbeauftragte in der Schweiz bald schon zu wichtigen Playern in der nationalen Filmpolitik und in der Filmbildung; mit Ausstrahlung ins Ausland!

Die Zürcher Regisseurin Jackie Brutsche gewann mit "Las Toreras" den diesjährigen Filmpreis der Zürcher Kirchen.
Die Zürcher Regisseurin Jackie Brutsche gewann mit "Las Toreras" den diesjährigen Filmpreis der Zürcher Kirchen.

So publizierte der katholische Filmbeauftragte der Schweiz, Charles Reinert, 1946 mit «Kleines Filmlexikon» das erste Filmlexikon im deutschen Sprachraum. Spätere lexikalische Nachschlagewerke auf Italienisch (1948) und Deutsch (1960) basierten auf Reinerts sorgfältiger und professioneller Vorarbeit.

Von der Schutzfunktion zur Filmbildung

Die kirchlichen Filmpioniere in der Schweiz trieben in ihrem Bestreben, möglichst alle Filme, die ins Kino kamen, zu klassifizieren die Entwicklung der Filmkritik massgeblich an. Eine chronologische Durchsicht der verschiedenen Ausgaben der katholischen Zeitschrift «Der Filmberater», die 1941 zum ersten Mal erschienen war, verdeutlicht den Wandel konfessioneller Filmkritik. Das Medium Film, das zuerst mit grosser Skepsis betrachtet worden war, faszinierte die Filmbeauftragten zunehmend. Bald schon stellte die Qualität filmischen Schaffens einen zentralen Aspekt der Bewertung dar.

Marguerite (Ella Rumpf) bei ihrer wichtigen Präsentation.
Marguerite (Ella Rumpf) bei ihrer wichtigen Präsentation.

Zwar rückte die moralische Bewertung der Filme deshalb nicht in den Hintergrund, aber die Filmbeauftragten betrachteten den Film nun als Spiegel gesellschaftlicher Probleme und Krisen. Entsprechend wurden anspruchsvolle Filme, wie etwa Luis Buñuels «Belle de Jour» (FR 1967), der sich um eine Ehefrau dreht, die sich prostituiert, positiv bewertet, weil sie sowohl künstlerisch ansprechend als auch gesellschaftlich relevant waren.

Ökumenische Jurys an Filmfestivals

Mit der Zusammenlegung der beiden konfessionellen Filmzeitschriften «Der Filmberater» und «Film und Radio» zur ökumenischen Publikation «ZOOM Filmberater» 1972 begann eine Erfolgsgeschichte, die bis Ende der 1990er Jahre andauerte. «ZOOM», wie die Zeitschrift ab den 1980ern hiess, rezensierte eine grosse Bandbreite an internationalen Filmen und trumpfte mit hintergründigen Themenschwerpunkten auf. In den 1990ern war «ZOOM» die wichtigste Schweizer Filmzeitschrift.

Die Ökumenische Jury von Locarno 2023 im Kreuzgang der Chiesa: v.l. Petra Bahr, Micah Bucey, Marie-Therese Mäder u. Joachim Valentin
Die Ökumenische Jury von Locarno 2023 im Kreuzgang der Chiesa: v.l. Petra Bahr, Micah Bucey, Marie-Therese Mäder u. Joachim Valentin

Das ökumenische Engagement beschränkte sich in der Filmarbeit aber längst nicht nur auf die Publizistik, sondern auch auf die Juryarbeit an nationalen und internationalen Filmfestivals. Durch die Arbeit der beiden grossen kirchlichen Filmorganisationen Interfilm und SIGNIS sind die ökumenischen, bisweilen auch interreligiösen Jurys heute an unzähligen Festivals in ganz Europa und darüber hinaus tätig und verleihen ihre Preise bis zum heutigen Tag an Filme, die einen besonderen Wert für die Gesellschaft haben und zum Nachdenken über die Würde jedes Menschen anregen. In der Schweiz sind in Locarno, Nyon und Freiburg ökumenische und interreligiöse Jurys tätig. Zudem lobt Interfilm eigene nationale Preise am Festival du Film Français d’Helvétie in Biel und am Human Rights Filmfestival in Zürich aus.

Ruhe in Frieden, lieber Filmtipp

Doch auch für die langjährige Kultur der Filmberichterstattung auf dem Portal kath.ch – der erste Filmtipp erschien hier 1998, noch auf der Webseite Medientipp, und war «Journal de Rivesaltes 1941-1942» – bedeutet die Einstellung, dass es somit keine katholische Filmkritik hierzulande mehr geben wird. Der Medientipp, der heute zur Newsplattform kath.ch gehört, wurde nach dem Ende der Filmzeitschrift «ZOOM» als ökumenische Informationsplattform für Filmpublizistik gegründet. Der scheidende Direktor und Chefredaktor des katholischen Medienzentrums, Charles Martig, war dabei von Anfang an massgeblich an der Förderung der Filmberichterstattung beteiligt. Trotz finanziellem Rückzug der reformierten Seite Ende der 2010er Jahren, blieb die ökumenische Zusammenarbeit für den Medientipp weiterhin bestehen.

Die Medientipp-Crew sagt Tschüss. Filmstill aus "Ma vie de Courgette"
Die Medientipp-Crew sagt Tschüss. Filmstill aus "Ma vie de Courgette"

Bis zum 28. März 2024 hat die Redaktion des Medientipps jede Woche einen Film als Tipp besprochen und monatlich einen «Film des Monats» an die Abonnentinnen und Abonnenten versandt; auch in Zeiten von Corona, wo die Kinos zu waren und nur gestreamt werden konnte, war auf den wöchentlichen Filmtipp verlass. Nun wird diesem wichtigen Teil kirchlicher und kultureller Arbeit in der Schweiz der Stecker gezogen, zumindest vorläufig. Offensichtlich gibt es aktuell für die katholische Kirche wichtigere Baustellen als das Filmschaffen. In diesem Sinne: Ruhe in Frieden, lieber Filmtipp… und auferstehe in Bälde, schliesslich ist bald Ostern.

Einen grossen Dank der treuen Leserschaft, den engagierten Schreiberinnen und Schreibern der zahlreichen Filmtipps, den Pfarreiblättern, Verleihern und allen, die über die Jahre mit Herzblut am Projekt «Medientipp» beteiligt waren. Natalie Fritz wird nach siebenjähriger Tätigkeit als Redaktorin für den Medientipp und kath.ch die Redaktion auf Ende März verlassen. (sas)

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Der Filmtipp verabschiedet sich von kath.ch. | © Sarah Stutte
28. März 2024 | 14:00
Lesezeit: ca. 4 Min.
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