Joseph Maria Bonnemain
Schweiz

Bischof Joseph Bonnemain widerspricht Churer Priesterkreis

Der Bischof von Chur, Joseph Bonnemain, hat sich mit Kritikern des Verhaltenskodex getroffen. Überzeugen konnte er die konservativen Priester nicht. Am 13. Juni soll ein weiteres Gespräch stattfinden.

Raphael Rauch

Nach wie vor rumort es im Bistum Chur. Der Churer Priesterkreis bekräftigt seine Kritik am neuen Verhaltenskodex und hat darüber am Montag mit Bischof Joseph Bonnemain gesprochen. 

Priesterkreis erhebt zwei Forderungen

Wie viele Menschen die Kritik des Priesterkreises teilen, ist unklar. Offiziell bekannt ist nur die Kritik der Priester Roland Graf und Franz Imhof. Die beiden Domherren haben versucht, an der Domkapitelsitzung im November 2020 Bonnemain als Bischof von Chur zu verhindern.

Wie die «Luzerner Zeitung» berichtet, gingen die Kritiker des Verhaltenskodex mit zwei Forderungen in das Gespräch.

Forderungen des Churer Priesterkreises

  • Der Bischof zieht seine Unterschrift unter dem Verhaltenskodex zurück und sistiert dessen Umsetzung. So solle sichergestellt werden, dass niemand gezwungen werde, das als verbindlich geltende Dokument trotz Gewissenskonflikt zu unterschreiben.
  • Der Bischof richtet eine Kommission ein mit Priestern, Diakonen und pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Der Churer Priesterkreis soll zwei Mitglieder entsenden können. Die Kommission solle den Verhaltenskodex so überarbeiten, dass die kirchliche Lehre respektiert werde. Gemeinsames Ziel sei und bleibe eine verbesserte Prävention von Missbrauch in der Kirche.

Quelle: Luzerner Zeitung

Bischof Joseph Bonnemain hat laut Bistumssprecherin Nicole Büchel den Dialog mit den Priestern gesucht, hält am Verhaltenskodex aber weiterhin fest: «Das Gespräch, das vergangenen Montag stattfand, war ein Beginn der erforderlichen Klärung der entstandenen Missverständnisse. Die Gespräche werden weitergeführt. Es wurde keine Entscheidung getroffen. Um diesen Prozess der Verständigung nicht zu belasten, möchte sich der Bischof gegenwärtig nicht in der Öffentlichkeit äussern.»

«Unbedenklich für die römisch-katholische Lehre»

Der Bischof von Chur sei der Überzeugung, «dass die Implementierung und Umsetzung des Verhaltenskodex viel Zeit und Gespräche erfordert. Die entsprechenden Einführungsveranstaltungen sind für die zweite Hälfte des Jahres vorgesehen, dort können sich alle über die einzelnen Aspekte des Verhaltenskodex austauschen und sich damit auseinandersetzen», sagt Nicole Büchel.

Sie gehören dem "Churer Priesterkreis" an und kritisieren den Verhaltenskodex: die Domherren Roland Graf (l.) und Franz Imhof.
Sie gehören dem "Churer Priesterkreis" an und kritisieren den Verhaltenskodex: die Domherren Roland Graf (l.) und Franz Imhof.

Wie die «Luzerner Zeitung», berichtet, hat Bischof Joseph Bonnemain beide Forderungen des Churer Priesterkreises abgelehnt. Laut dem Priesterkreis hat der Bischof «den Standpunkt vertreten, dass die vom Priesterkreis kritisierten Textpassagen so erklärt werden könnten, dass sie unbedenklich für die römisch-katholische Lehre seien», schreibt das Blatt.

Bonnemain erhält Rückenwind aus Rom

Während die konservativen Priester Stimmung gegen Bischof Joseph Bonnemain machen, erhält dieser Rückenwind aus Rom. Bundespräsident Ignazio Cassis sagte am Freitag nach der Papst-Audienz, Franziskus sei mit Bischof Joseph Bonnemain «sehr zufrieden». 

Papst Franziskus und Ignazio Cassis (r.), Bundespräsident der Schweiz, mit seiner Frau Paola Rodoni Cassis (l.), am 6. Mai 2022 im Vatikan.
Papst Franziskus und Ignazio Cassis (r.), Bundespräsident der Schweiz, mit seiner Frau Paola Rodoni Cassis (l.), am 6. Mai 2022 im Vatikan.

Bischof Joseph Bonnemain kommentierte am Montag auf Facebook einen Bericht über einen Brief von Papst Franziskus an den Jesuiten James Martin mit den Worten: «Ich schliesse mich den Antworten des Papstes aus tiefer Glaubensüberzeugung an.» In dem Brief wendet sich Franziskus wohlwollend an die LGBTQ+-Community.

«Die Kirche des Anfangs ist vielfältig und bunt»

In dem Brief verweist Franziskus unter anderem auf die Apostelgeschichte und auf das Matthäus-Evangelium. Laut dem Exegeten Markus Lau kann man die Aussagen des Papstes dahingehend verstehen: «Die Kirche des Anfangs ist vielfältig und bunt.»

Bischof Joseph Bonnemain unterschreibt den neuen Verhaltenskodex am 5. April 2022.
Bischof Joseph Bonnemain unterschreibt den neuen Verhaltenskodex am 5. April 2022.

Jesus verurteile keine LGBTQ+. «Bischof Joseph Bonnemain hat Recht, wenn er darauf hinweist: Eine Sexualmoral gemäss dem Evangelium diskriminiert nicht. Engführende Deutungen des Evangeliums drohen zu diskriminieren», sagt Markus Lau.

Domherren halten an Kritik am Verhaltenskodex fest

Die Domherren Roland Graf und Franz Imhof stehen nach eigenen Angaben zu 95 Prozent hinter dem Verhaltenskodex, der sexuellen Missbrauch, spirituellen Missbrauch und Machtmissbrauch verhindern will. Die Domherren kritisieren allerdings Passagen, die aus ihrer Sicht «mehrfach die Lehre und Disziplin der katholischen Kirche» verletze und zu einer «institutionalisierten Doppelmoral und damit zur Heuchelei» führe.

Roland Graf (Mitte) gehört zu den Domherren, die die Bischofswahl platzen liessen.
Roland Graf (Mitte) gehört zu den Domherren, die die Bischofswahl platzen liessen.

So heisst es im Kodex etwa: «In Seelsorgegesprächen greife ich Themen rund um Sexualität nicht aktiv auf.» Oder: «Ich unterlasse jegliche Form von Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung oder Identität.»

Die meisten Priester stehen hinter Bischof Joseph Bonnemain

Der Churer Priesterkreis steht nur für eine Minderheit der Priester im Bistum Chur. Die Priester Mario Pinggera und Josip Knežević haben in Gastbeiträgen das Verhalten des Priesterkreises scharf kritisiert und Bischof Joseph Bonnemain aufgefordert, Kurs zu halten.


Joseph Maria Bonnemain | © Bernard Hallet
12. Mai 2022 | 11:21
Lesezeit: ca. 3 Min.
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