Giuseppe Gracia, Ex-Medienbeauftragter im Bistum Chur
Schweiz

Gracias Mail als Mittel der Intrige in der Nachfolge Bischof Huonder?

Zürich, 24.2.17 (kath.ch) Der Churer Bistumssprecher Giuseppe Gracia habe Medien gezielt und insgeheim mit Informationen versorgt, wurde diese Woche gemutmasst. Nun ist klar: Er hat. Dies machte die «Luzerner Zeitung» am Donnerstag bekannt. Der Schweizer Kapuziner Willi Anderau vermutet, dass im Fall, der am Donnerstag bekannt wurde, eine Intrige um die Nachfolge des Bischofs von Chur, Vitus Huonder, steckt.

Georges Scherrer

Die Luzerner Zeitung erhob im Fall des Pädophilen Kapuziners Joël Allaz am 18. Februar eine schwere Anklage gegen unbekannt. «Ein Insider der katholischen Kirche, der anonym bleiben möchte, äussert gegenüber unserer Zeitung die Mutmassung, dass vielmehr ein anderer Kirchenmann die Hauptverantwortung dafür trägt», heisst es im Bericht. Die Rede sei von «Ephrem Buchers Vorgänger, der seit 2006 als Chef der Kapuziner weltweit in Rom amtet», also um Mauro Jöhri, wie ein Blick in die Liste der Kapuziner Provinziale schnell enthüllte.

Am Donnerstagabend gab die Zeitung online bekannt, dass es  sich bei diesem anonymen Informanten um den Sprecher des Bistums Chur, Giuseppe Gracia handelt. Gracia nennt in seinem Mail an die Zeitungen den Namen Mauro Jöhri.

Am Freitag bestätigte Gracia in einem Mail an die Medien, darunter kath.ch , den Sachverhalt: «Ohne Wissen von Bischof Vitus Huonder, aus persönlichen Gründen, habe ich letzte Woche zwei Medienschaffende unter Verweis auf Quellenschutz auf mögliche höhere Verantwortliche im Vertuschungsskandal um Pater Joël aufmerksam gemacht.» Er habe «anonym» gehandelt, weil er nicht wollte, dass die Sache mit dem Pädophilen Joël Allaz ein Fall «Bistum Chur» werde.

Gracia erneuerte seine Kritik an Mauro Jöhri. «Ich weiss nur, dass er als Provinzial (1995-2001 und 2005-2006) für P. Joël verantwortlich war und dass er sich bisher nicht dazu äussern musste.» Er habe bisher auch nicht von sich aus Stellung genommen.

Laufendes Verfahren

Mauro Jöhri liess letztes Wochenende auf Anfrage von kath.ch über den Informationsbeauftragen der Schweizer Kapuziner, Willi Anderau, ausrichten, dass er «sich zu diesem laufenden Verfahren und zu den Diskussionen und Verdächtigungen, welche in der Schweiz herumgeboten werden, nicht äussert». Für diesbezügliche Auskünfte stehe der Schweizer Provinzial Agostino Del-Pietro zur Verfügung.» Jöhris Vorgänger als Provinzial, Paul Hinder, erklärte auf Anfrage, dass er die Hintergründe zum «Fall Allaz» nicht gekannt habe.

Gracia beklagt zudem, dass eine Person «den Quellenschutz missachtet und meinen Namen preisgegeben» habe. Ein «Schweizer Kapuziner», der seinen Vorgesetzten in Rom decke, habe ihn auf dem Portal «kath.ch» angegriffen. Für Gracia ist dies der Beweis, dass «kath.ch nicht an echter Aufklärung gelegen ist, sondern dass auch dieses angeblich progressive Portal die Vertuschung unterstützt».

«Missbrauch» eines tragischen Falls

In die Aufarbeitung des Falls Joël Allaz ist eine ganze Reihe kirchlicher Vorgesetzter involviert, sowohl im Orden wie auch in verschiedenen Diözesen in der Schweiz und in Frankreich. Die Kapuziner wollen den Fall «Allaz» von einer unabhängigen Kommission aufarbeiten lassen. Willi Anderau, Informationsbeauftragter der Schweizer Kapuziner, erklärte am Freitag gegenüber kath.ch, Gracia habe Mauro Jöhri herausgepickt und eine «Kampagne gegen ihn lanciert».

Weiter schreibt Anderau: «Und weshalb anonym?» Offenbar sollten die Leser der Zeitungen «nicht merken, dass der Angriff aus Chur kommt». Anderau fragt sich weiter: «Weshalb pickt er aus einer ganzen Reihe von Verantwortlichen ausgerechnet Mauro Jöhri heraus?» Anderau sieht kirchenpolitische Zusammenhänge im Bistum Chur, wo im kommenden April Diözesanbischof Vitus Huonder aus Altersgründen seinen Rücktritt einreichen muss.

«Offensichtlich hat man in Chur grosse Angst, dass Rom nach dem Rücktritt von Bischof Huonder einen Administrator einsetzen könnte, ein möglicher Kandidat ist Mauro Jöhri», schreibt Anderau weiter. Das versuche Gracia «mit fast allen Mitteln zu verhindern». Er missbrauche dazu «einen tragischen Fall von Kinderschändung, um seinerseits Personalpolitik um die Bischofsnachfolge in Chur zu betreiben». Er schrecke «nicht einmal vor anonymen Machenschaften, Intrigen und Desinformation zurück» und «erfindet gar noch ein Bauernopfer».

Für den Informationsbeauftragten der Schweizer Kapuziner stellt sich die Frage, «wie lange ein solcher Informationsbeauftragter in der Diözese noch tragbar ist». Und auch, «wer diesen Mann eigentlich deckt».

Facebook-Diskussion läuft heiss

Auf Facebook herrschte diese Woche eine geharnischte Diskussion über die «anonyme» Informationsquelle, nachdem kath.ch am 20. Februar schrieb, bei diesem Informanten könnte es sich um Giuseppe Gracia handeln. Ein Facebook-User schrieb, kath.ch habe «einen polemischen und verleumderischen Artikel» veröffentlicht. Ein anderer schrieb: «Journalismus beruht, wenn er seriös ist, auf Fakten, nicht auf Unterstellungen.»

Aber auch die Gegenseite der Kritiker meldete sich zu Wort. So schrieb ein User: «Den konservativen Kreisen um Bischof Vitus ist alles zuzutrauen!» Kath.ch habe «journalistisch einwandfrei gearbeitet». Es wird zudem darauf hingewiesen, dass kath.ch nicht anonyme Quellen verbreitet habe, sondern den Informationsbeauftragten der Schweizer Kapuziner zu Wort kommen liess.

Chur stellt sich hinter Bischofssprecher

Der Bischof von Chur wertet das selbständige Handeln seines Medienverantwortlichen im Missbrauchsskandal um Pater Joël als Versuch, der vollen Aufklärung zu dienen. Auch der Bischof sei an der Wahrheit interessiert und habe Verständnis für das Handeln des Medienverantwortlichen, heisst es in einer Stellungnahme des Bistums, die mit «Bischöfliche Kanzlei Chur» gezeichnet ist.

Der Präsident der Schweizer Bischofskonferenz hat bisher auf eine Anfrage von kath.ch zur Entwicklung in der Sache «Allaz» nicht reagiert. (sys)

 

Giuseppe Gracia, Ex-Medienbeauftragter im Bistum Chur | © Bistum Chur
24. Februar 2017 | 14:12
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