Erzbischof Georg Gänswein (l.), Präfekt des Päpstlichen Hauses, küsst die Hand des aufgebahrten Leichnams von Benedikt XVI.
Schweiz

«Zum Paradies mögen Engel dich geleiten»: Martin Klöckener erklärt das Requiem für Benedikt XVI.

Der Vatikan hat den liturgischen Ablauf für Benedikts Requiem veröffentlicht. Liturgie-Experte Martin Klöckener geht von einem schlichten Begräbnis aus. Es gebe keine Hinweise auf Teile der Mozartmesse oder auf Mitwirkende aus der bayerischen Heimat Benedikts. Nur eine Fürbitte werde auf Deutsch gesprochen.

Martin Klöckener*

Das vatikanische Amt für die liturgischen Feiern des Papstes hat bereits zwei Tage vor der Beisetzung des emeritierten Papstes Benedikt XVI. ein Heft mit den Texten und Gesängen der Begräbnisliturgie veröffentlicht

Wie bei den grossen Feiern in der Petersbasilika üblich, wird die Feier vornehmlich auf Latein gehalten; als Verstehenshilfen für die Gläubigen sind in dem Heft jeweils auf der linken Seite die liturgischen Texte in englischer und italienischer Übersetzung wiedergegeben. 

Eine Liturgie ohne Aufwand

Der Messe wird Papst Franziskus vorstehen. Vorausgesetzt sind weitere Konzelebranten sowie eine Schola, ausserdem Lektoren und Lektorinnen in mehreren Sprachen, was auch für das Allgemeine Gebet (Fürbitten) gilt. 

Martin Klöckener
Martin Klöckener

Da dieses Heft wie bei allen Grossgottesdiensten in Rom lediglich eine Hilfe für die Mitfeiernden bieten soll, bietet es keine Informationen über andere Mitwirkende, ebenso wenig über die rituellen Vollzüge. Man wird diese also erst in der Feier selbst sehen. 

Durchwegs ist vom «emeritierten Papst Benedikt» die Rede

Sowohl im Titel des Heftes als auch in mehreren Gebeten wird durchwegs vom «emeritierten Papst Benedikt» gesprochen. Der Messverlauf bietet in Texten und Gesängen keine Besonderheiten, sondern scheint dem Wunsch des Verstorbenen nach einer schlichten Begräbnisliturgie vollauf zu entsprechen. 

Papst Franziskus und Benedikt XVI. am 15. April 2019, Benedikts 92. Geburtstag.
Papst Franziskus und Benedikt XVI. am 15. April 2019, Benedikts 92. Geburtstag.

Welche liturgische Inszenierung, welche besondere Symbolik, welche auch theologisch aussagekräftige Nutzung des liturgischen Raums und welcher zeremonielle Aufwand im Einzelnen zu erwarten sind, bleibt aufgrund dieses Behelfs offen; aber auch hier wird sicher mit Zurückhaltung und nicht mit grossem Aufwand zu rechnen sein. 

Die Eröffnung

Eröffnet wird die Eucharistiefeier mit der klassischen Antiphon für Begräbnismessen «Requiem aeternam dona ei, Domine» mit den Versen Ps 65(64),2-6. Nach der Begrüssung durch Papst Franziskus und dem Allgemeinen Schuldbekenntnis folgen das Kyrie (XVIII) im Wechsel von Schola und Gemeinde und das Tagesgebet aus den anlassbezogenen Orationen des Messbuchs. 

Die Worte der Heiligen Schrift als Ausdruck von Glaube und Vertrauen 

Die erste Lesung Jes 26,16-19 auf Spanisch spannt den Bogen zwischen dem Schöpferwirken Gottes am Menschen und der endzeitlichen Verheissung des von Gott her kommenden Heils, das auch die Blinden sehen werden. 

Waldbrand in Portugal: der gute Hirte.
Waldbrand in Portugal: der gute Hirte.

Sowohl der Anfang als auch der Schluss dieser Lesung scheinen für die Begräbnisliturgie besonders passend: der Mensch, der in seiner Vergänglichkeit in die Spannung zwischen Schöpfung und Vollendung gestellt ist. Der Antwortpsalm 23(22),1-9 bekennt den HERRN als den Hirten, angesichts dessen Sorge dem Beter nichts fehlen wird. So sehr dieser Psalm allgemein von der Geborgenheit menschlichen Lebens in Gott spricht, wird hiermit zweifellos auch auf den Hirtendienst angespielt, den Benedikt XVI. in seinem Dienst für die Kirche ausgeübt hat. 

Zweite Lesung auf Englisch

Die zweite Lesung 1 Petr 1,3-9 auf Englisch ist eine eindringliche Verkündigung der Hoffnung auf die Auferstehung am Ende der Zeit; auch wenn die Menschen Gott in dieser Zeit nicht sehen können, ist ihr Leben von der Liebe zu ihm bestimmt und erfüllt von Hoffnung und Freude angesichts der Verheissung eines guten, von Gott bestimmten Ausgangs am Ende der Tage. 

Kruzifix
Kruzifix

Das Halleluja, gesungen im Wechsel von Schola und Gemeinde während der Prozession zum Ambo, verkündet in seinem Vers Joh 6,40 wiederum den festen Glauben auf die Auferstehung: «Denn das ist der Wille meines Vaters, dass jeder, der den Sohn sieht und an ihn glaubt, das ewige Leben hat und dass ich ihn auferwecke am Jüngsten Tag.» 

Evangelium auf Italienisch

Das von einem Diakon auf Italienisch verkündete Evangelium Lk 23,39-46 greift das Gespräch der beiden Schächer am Kreuz mit Jesus und dessen Paradies-Verheissung auf und gipfelt in dem Wort, das Jesus dem Evangelisten Lukas zufolge im Sterben gesprochen hat: «Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist», ein Wort des Vertrauens und der Gottesliebe im Tod. Dem Vernehmen nach hat Benedikt in ähnlicher Weise in seinem letzten Wort ein von Liebe getragenes Christusbekenntnis formuliert

Die Antwort auf die Heilige Schrift in Predigt und fürbittendem Gebet

Man darf auf die Predigt gespannt sein, ob Papst Franziskus sich auf eine Auslegung der Liturgie und besonders der biblischen Lesungen beschränkt oder ob er darüber hinaus das Wirken seines Vorgängers würdigen wird. Nach einem Moment der Stille folgt das Allgemeine Gebet, das die Fürbitte in den grösseren Rahmen der Auferstehungshoffnung stellt. 

Fürbitte auf deutsch für Benedikt XVI.
Fürbitte auf deutsch für Benedikt XVI.

Die Intentionen werden auf Deutsch als der Muttersprache Benedikts, Französisch, Arabisch, Portugiesisch und Italienisch vorgetragen, was die Sprachen vieler Gläubigen auf mehreren Kontinenten respektiert. An erster Stelle steht eine Bitte für den Verstorbenen, während die anderen Intentionen gemäss dem Charakter dieses Gebetstyps die Gemeinde zur Fürbitte für die Hirten der Kirche, die Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft, dass sie sich für Gerechtigkeit und Frieden einsetzen, sowie für die vielen Menschen in Not einladen. 

Gesänge aus der gregorianischen Tradition auch im Eucharistieteil

Während der Gabenbereitung singt die Schola den überlieferten gregorianischen Gesang «Domine, Iesu Christe, Rex gloriae», der auch in den aktuellen liturgischen Quellen für Verstorbenenmessen vorgesehen ist. 

Möglicherweise übernimmt ein anderer Bischof oder Kardinal und nicht Papst Franziskus (wegen seiner körperlichen Behinderung?) den faktischen Vorsitz ab der Gabenbereitung bis einschliesslich der Kommunion, eine Möglichkeit, die in der bischöflichen Liturgie vorgesehen ist; denn das Heft nennt für diesen Teil der Messe den sprechenden Priester immer den «Zelebranten», während zuvor und wiederum ab dem Schlussgebet in analogen Zusammenhängen von «Il Santo Padre», also Papst Franziskus, gesprochen wird. 

«Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser…»

Das Eucharistische Hochgebet III wird eröffnet mit einer der Präfationen für Messen für Verstorbene sowie dem Sanctus (XVIII) mit Beteiligung der Gemeinde und sieht ebenfalls im Memento für die Verstorbenen einen Einschub mit dem Gedächtnis des verstorbenen emeritierten Papstes Benedikt vor. 

Der gesamte Kommunionteil verläuft in üblicher Form; das Agnus Dei (XVIII) wird wiederum im Wechsel von Chor und Gemeinde gesungen. Zur Kommunionausteilung singt die Schola die gregorianische Antiphon «Lux aeterna luceat ei, Domine» mit Ps 130(129) «De profundis»: «Aus den Tiefen rufe ich, HERR, zu dir; mein Herr, höre doch meine Stimme» (EÜ 2016) sowie Ps 42(41): »Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser, so lechzt meine Seele, nach dir, Gott», beides Gesänge, die in der Tradition genauso wie heute zur Totenliturgie gehören. 

Die Begräbnisriten

Nach dem Schlussgebet folgen unmittelbar die Begräbnisriten. Papst Franziskus lädt die Gemeinde zum Gebet für den Verstorbenen ein, dass sie den «Gott unserer Väter» anrufen und Maria, «die Königin der Apostel und das Heil des römischen Volkes» (»Regina Apostolorum et Salus populi romani») um ihre Fürsprache bei Gott dem Vater bitten. 

Das erste Auferstehungskreuz von Josua Boesch (Morschach SZ): inspiriert vom Kreuz in der Kirche von San Damiano in Assisi.
Das erste Auferstehungskreuz von Josua Boesch (Morschach SZ): inspiriert vom Kreuz in der Kirche von San Damiano in Assisi.

Der Papst besprengt daraufhin den Sarg des Verstorbenen mit Weihwasser und inzensiert ihn, während die Schola den Gesang aus dem gregorianischen Repertoire »Ich weiss, dass mein Erlöser lebt» (»Credo quod Redemptor meus vivit…») vorträgt. 

«Zum Paradies mögen Engel dich geleiten…»

Papst Franziskus spricht sodann ein längeres Gebet für den Verstorbenen, dass Gott ihm sein Erbarmen und die Teilhabe an der ewigen Freude schenke, zugleich aber auch den Gläubigen in ihrer Trauer Trost im Glauben und Kraft in der Hoffnung gewähre. 

Adam und Eva im Paradies: Glasfenster der Kapelle am Zürcher Unispital.
Adam und Eva im Paradies: Glasfenster der Kapelle am Zürcher Unispital.

Danach singen Schola und Gemeinde gemeinsam den altkirchlichen Begräbnisgesang «In paradisum deducant te Angeli…» (»Zum Paradies mögen Engel dich geleiten…»). Der Sarg wird zur Begräbnisstätte getragen, während die Schola, abermals zusammen mit der ganzen Gemeinde, das Magnificat als das grosse Lied der Verheissung an alle Armen, Gebeugten und Unterdrückten singt. Damit endet das Textheft. 

Die Liturgie als Verheissung, nicht schon als Erfüllung

Ohne nähere Auskunft über die Mitwirkenden sowie über die rituellen Vollzüge zu geben, vermittelt das Heft von den Texten und Gesängen her im Wesentlichen eine sehr schlichte Begräbnisliturgie nach dem aktuellen lateinischen Messbuch und mit Gesängen aus dem gregorianischen Repertoire, die ebenfalls in der erneuerten Liturgie nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil für Verstorbenenmessen vorgesehen sind. 

Es gibt keine Hinweise auf andere Gesangselemente, wie beispielsweise aus einer Mozartmesse oder unter Mitwirkenden aus der bayerischen Heimat Benedikts.

Erst in der Feier zeigt sich die Kraft der Liturgie

Bekanntlich ist der «Text» noch nicht die «Liturgie». Die tatsächlichen liturgischen Vollzüge werden dann zeigen, welche rituellen Besonderheiten möglicherweise auf die Person des Verstorbenen und seinen Hirtendienst sowie auf die spezifische Situation näher eingehen. Dabei wird auch auf die Rolle der Feiergemeinde aus Zehntausenden von Gläubigen unter Berücksichtigung der ranghohen Vertreterinnen und Vertreter aus Kirche, Politik und Gesellschaft zu achten sein. 

König Philippe und Königin Mathilde von Belgien (Archiv-Bild von 2013) werden in Rom erwartet.
König Philippe und Königin Mathilde von Belgien (Archiv-Bild von 2013) werden in Rom erwartet.

Bei aller Schlichtheit darf man damit rechnen, dass die Liturgie selbst in dieser besonderen Situation die ihr innewohnende Kraft entfalten und ein starkes Zeichen des Glaubens und der Hoffnung auf die Vollendung bei Gott setzen wird.

* Martin Klöckener (67) ist emeritierter Professor für Liturgiewissenschaft an der Universität Freiburg i.Ü. Kürzlich ist das Handbuch «Wissenschaft der Liturgie» im Pustet-Verlag erschienen, das Martin Klöckener zusammen mit Reinhard Messner herausgegeben hat.


Erzbischof Georg Gänswein (l.), Präfekt des Päpstlichen Hauses, küsst die Hand des aufgebahrten Leichnams von Benedikt XVI. | © KNA
4. Januar 2023 | 05:00
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