Yolanda Oggier-Fux, Präsidentin des Katholischen Frauenbundes Oberwallis
Schweiz

Yolanda Oggier: «Wir haben ein Riesenproblem in der katholischen Kirche»

Heute feiert der Katholische Frauenbund Oberwallis (KFBO) sein 100-Jahr-Jubiläum. Präsidentin Yolanda Oggier-Fux versucht dem schwindenden Interesse am Verein mit attraktiven Kursen entgegenzuwirken. Und sie hofft, dass die Walliser Reforminitiative «Ufbrächu» der Kirche neuen Schub verleiht.

Regula Pfeifer

Die Walliser Bundesrätin Viola Amherd hat 2019 gesagt, sie gehe an Weihnachten nicht mehr in die Kirche. Ein Alarmzeichen für die Kirche im Wallis?

Yolanda Oggier-Fux*: Das habe ich nicht mitbekommen. Aber mit ihrer Einstellung ist die Bundesrätin nicht allein. Wir haben ein Riesenproblem in der katholischen Kirche. Viele sind nicht mehr in der Kirche anzutreffen. Im Wallis versucht das Bistum mit einer Gruppe von Seelsorgenden neue Wege zu lancieren unter dem Motto «Üfbrächu». Ob das erfolgreich ist, werden wir sehen.

Synodaler Prozess: Gruppen des Oberwalliser Seelsorgerates diskutieren Fragen des synodalen Prozesses.
Synodaler Prozess: Gruppen des Oberwalliser Seelsorgerates diskutieren Fragen des synodalen Prozesses.

Erlebt auch der katholische Frauenbund Oberwallis einen Mitgliederschwund?

Oggier: Wir haben 46 Ortsvereine und 200 Einzelmitglieder. Bei den Einzelmitgliedern läuft es gut, da haben wir einen leichten Zuwachs. Bei den Ortsvereinen hingegen haben wir einen Mitgliederverlust. Und auch das Engagement schwindet. So sind wir mit 6000 Mitgliedern zwar der grösste Frauenverein im Oberwallis. Für die Jubiläums GV haben sich rund 120 Frauen angemeldet, obwohl wir ein tolles Rahmenprogramm und ein feines Mittagessen offerieren.

«Junge Menschen wollen sich nicht mehr an Vereinsstrukturen binden.»

Woran liegt das schwindende Interesse?

Oggier: Junge Menschen wollen sich nicht mehr an Vereinsstrukturen binden. Darunter leiden auch Sport- und Kulturvereine im ganzen Kanton. Die Pandemie hat den Trend beschleunigt. Es schien, als ob Vereine überflüssig wären.

Was unternehmen Sie dagegen?

Oggier: An unserem jährlichen Vorständetreffen motivieren wir die örtlichen Vorstandsfrauen zur Selbstreflexion. Sie sollen sich überlegen, mit welchen Angeboten sie neue Interessentinnen gewinnen könnten. Das tun sie anhand einer Broschüre «neue Vorstandsfrauen finden» des Schweizerischen Katholischen Frauenbundes. Und wir haben unser Kursprogramm angepasst. Die Vorstandsfrauen erhalten kostenlose Weiterbildungen in Rhetorik, Konfliktmanagement, Führungskompetenz, Teammanagement, Vereinsführung, Aktuariat und Finanzplanung – durch unseren Verband KFBO und den SKF.

«Als Teil des Frauennetzwerks Oberwallis haben wir uns am Frauenstreik beteiligt.»

Welche Rolle hat der Frauenbund Oberwallis in Kirche und Politik?

Oggier: Politisch halten wir uns diskret zurück.  

Also kein politisches Engagement?

Oggier: Doch. Wir sind Teil des Frauennetzwerks Oberwallis. Und dieses engagiert sich politisch. So beteiligten wir uns am Frauenstreik. Und vor den Walliser Grossratswahlen riefen wir in einem Leserbrief alle Frauen dazu auf, wählen zu gehen und die Frauen zu unterstützen. Den gewählten Frauen gratulierte ich anschliessend und dankte für ihre Bereitschaft, politisch tätig zu sein.

Wallfahrtsgottesdienst des Oberwalliser Frauenbunds in der Muttergotteskirche auf dem Glisacker, Oktober 2021
Wallfahrtsgottesdienst des Oberwalliser Frauenbunds in der Muttergotteskirche auf dem Glisacker, Oktober 2021

Und wie sind Sie kirchlich engagiert?

Oggier: Wir vom Frauenbund Oberwallis führen die jährliche Wallfahrt zu unserer Schutzpatronin durch, der lieben Frau vom Glisacker in Brig-Glis. Daran beteiligen sich vor allem unsere älteren Mitglieder – rund 150 bis 200 Frauen jeweils.

«Sehr gefragt sind unsere spirituellen Wanderungen.»

Sehr gefragt sind unsere spirituellen Wanderungen. Einmal pro Jahr wandern wir unter der Leitung unserer geistlichen Begleiterin, Madeleine Kronig, zu einer Kapelle. Unterwegs gibt es spirituelle Impulse. Wir bereiten auch den Weltgebetstag der Frauen für die Ortsvereine vor. Und wir bieten ethisch-gesellschaftliche Weiterbildungen an, etwa zum Lebensanfang und Lebensende, zu Frauenritualen und anderem mehr. Referentinnen des SKF leiten diese Kurse.

Beliebt bei den Oberwalliser Frauen: spirituelle Wanderung
Beliebt bei den Oberwalliser Frauen: spirituelle Wanderung

SKF-Präsidentin Simone Curau-Aepli tritt mit Forderungen in der Öffentlichkeit auf. Etwa nach der Beteiligung von Frauen in allen Bereichen der katholischen Kirche. Gehen Ihnen diese zu weit?

Oggier: Zu diesem Thema möchte ich mich nicht gross äussern, dafür fehlt mir, ehrlich gesagt, das Wissen. Ich kann nur sagen, dass Simone Curau-Aepli den SKF in aller Munde gebracht hat. Sie setzt sich für Frauenthemen in allen Bereichen ein, sei es in Kirche, Politik oder Gesellschaft.

Simone Curau-Aepli vom Frauenbund am Netzwerken an der Frauensession im Bundeshaus, Oktober 2021
Simone Curau-Aepli vom Frauenbund am Netzwerken an der Frauensession im Bundeshaus, Oktober 2021

Wie arbeiten Sie zusammen?

Oggier: Die Zusammenarbeit zwischen dem KFBO und dem SKF läuft sehr gut. Der SKF bietet den Kantonalverbänden und Ortsvereinen viele Arbeitspapiere an, die uns bei der Vereinsarbeit unterstützen.

«Im abgelegenen Simplon-Dorf putzen die Frauen gratis die Kirche.»

Wie vielfältig sind die Frauenvereine im Oberwallis?

Oggier: Unsere Frauenvereine sind sehr unterschiedlich. Der Ortsverein im abgelegenen Bergdorf Simplon-Dorf mit seinen etwa 45 Frauen tickt ganz anders als der Verein in Brig-Glis, der etwa 950 Mitglieder umfasst. So putzen die Frauen im Bergdorf noch jedes Jahr gratis die Kirche und pflegen den Friedhof. Und im Lötschental rechnen die Frauen damit, irgendeinmal automatisch im Vorstand zu landen, wenn sie dem Verein beitreten.

Sprechen Sie vor allem Mütter an?

Oggier: Früher hiessen unsere Vereine Frauen- und Müttergemeinschaft. Doch wir merkten, dass damit unverheiratete und kinderlose Frauen nicht angesprochen sind. Deshalb motivieren wir die Ortsvereine seit etwa 15 Jahren, ihre Bezeichnung zu ändern. Viele haben es getan, einige nicht.

Blick vom Ober- aufs Unterwallis bei Leuk-Stadt.
Blick vom Ober- aufs Unterwallis bei Leuk-Stadt.

Seit 2016 ist erstmals eine Frau die geistliche Begleiterin Ihres Verbandes, Madeleine Kronig. Hat das Auswirkungen?

Oggier: Ich kann das nicht selbst beurteilen, da ich erst seit 2018 im Vorstand bin. Aber unsere langjährigen Vorstandsfrauen haben mir gesagt: Mit Madeleine Kronig habe sich einiges geändert. Die spirituelle Wanderung habe nun viel stärker das Wirken der Frauen im Fokus und die weiblichen Heiligen. Als Frau sei sie natürlich auch sonst näher an den Frauenthemen als die männlichen geistlichen Begleiter früher.

«Wir sind sehr stolz auf unser grosses Baby: «La Boutique».

Wie sind Sie heute sozial engagiert?

Oggier: Wir sind sehr stolz auf unser grosses Baby: «La Boutique». Das ist die einzige Kleider-Ausgabestelle für Asylbewerbende und Sozialhilfebeziehende im Wallis. Sie befindet sich in Visp und ist an zwei Nachmittagen pro Woche offen. 2019 haben 480 Personen bei uns Kleider bezogen. Unsere Frauen haben dafür 2400 Stunden Freiwilligenarbeit geleistet.

Ein kleineres Projekt ist unsere Nothilfe. Wir helfen Familien in Notsituationen mit Überbrückungsgeldern. Etwa wenn sie die dringend notwendige Spange für ihr Kind nicht bezahlen können. Das Geld stammt aus Spenden – nach Anlässen von Ortsvereinen – aus Legaten und dem Verkauf unserer Trauerkarten. Und wir vergeben es in Zusammenarbeit mit den sozialen Institutionen.

«Ich möchte den Frauen zeigen, wovon sie profitieren können.»

Wie machen Sie Ihren Verband fit für die Zukunft?

Oggier: Ich habe gemerkt, dass der KFBO an der Basis der Ortsvereine noch wenig präsent und bekannt ist. Ich möchte das ändern und den Frauen zeigen, wofür sie zahlen und wovon sie profitieren können. Zum Jubiläum kann ich unsere Organisation im Walliser Boten und am Radio vorstellen. Ich zeige auf, was dank uns alles überhaupt entstanden ist. Die Fürsorge für Säuglinge, Blinden- und Taubstummenhilfe sowie die Winterhilfe: All diese Unterstützungsangebote sind in unserer Organisation entstanden und haben sich später eigenständig gemacht.

«Solidarität mit der Ukraine. Stoppt den Krieg jetzt!», lautet das Motto der Demonstration in Bern am 19. März 2022.
«Solidarität mit der Ukraine. Stoppt den Krieg jetzt!», lautet das Motto der Demonstration in Bern am 19. März 2022.

«Als Pfarreipräsidentin bin ich in eine Sammelaktion für die Ukraine involviert.»

Sind Sie anderswo kirchlich engagiert?

Oggier: Ich bin auch Pfarreiratspräsidentin in unserem Dorf, in Turtmann. Da bin ich gerade in eine Sammelaktion für die Ukraine involviert. Unser Pfarrer ist Pole und hat in der Ukraine gearbeitet. Deshalb hat er persönliche Kontakte dahin.

* Yolanda Oggier-Fux (59) ist seit 2018 im Vorstand des Katholischen Frauenbundes Oberwallis aktiv. Seit 2019 präsidiert sie ihn. Sie hat das Ressort Ortsvereine inne. Oggier ist aktive Netzballspielerin, fährt Velo und wandert gerne in ihrem «geliebten Turtmanntal». Da weilt sie im Sommer oft im eigenen Chalet.

Hinweis: Die Jubiläums-GV des KFBO findet ab 14 Uhr im La Poste in Visp statt. Weitere Informationen online.

Yolanda Oggier-Fux, Präsidentin des Katholischen Frauenbundes Oberwallis | © zVg
5. April 2022 | 09:35
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