Pascal Gregor, Geschäftsführer von Seelsorge.net
Schweiz

Pascal Gregor: «Unsere Internet-Seelsorge würde eine halbe Million Franken kosten»

Die kirchliche Internet-Seelsorge von Seelsorge.net bietet kostenlose Lebenshilfe. Die Seelsorgenden arbeiten ehrenamtlich. Wäre eine Entlöhnung nicht angebracht – angesichts der kirchlichen Kernkompetenz? «Unrealistisch», sagt Geschäftsleiter Pascal Gregor und beziffert die Kosten.

Regula Pfeifer

Die Internet-Seelsorge wird im Ehrenamt getätigt. Weshalb?

Pascal Gregor*: Richtig. Alle Seelsorgenden leisten ehrenamtliche Arbeit. Viele von ihnen sind pensioniert und leisten gerne Freiwilligenarbeit. Sie waren zum Beispiel in einer Pfarrei tätig, konnten aber kaum seelsorgerische Arbeit leisten, da ihr Pensum mit Administrativem und Organisatorischem gefüllt war. Oder weil kaum mehr Ratsuchende ins Pfarrhaus kamen. Bei Seelsorge.net können sie ausschliesslich als Seelsorgende tätig sein, das ist für viele sehr befriedigend. Für diejenigen im Erwerbsalter ist die Tätigkeit bei Seelsorge.net eine Bereicherung und eine Abwechslung zu ihrer Berufstätigkeit in der Beratung oder in der Seelsorge.

Per Handy in Kontakt mit der Seelsorgerin, dem Seelsorger
Per Handy in Kontakt mit der Seelsorgerin, dem Seelsorger

Gibt es Bestrebungen, die Internet-Seelsorge künftig zur bezahlten Arbeit zu machen?

Gregor: In der Trägerschaftskommission ist das immer wieder ein Thema. Vor allem ist es anspruchsvoll junge Menschen für die ehrenamtliche Tätigkeit zu gewinnen.

«Bestrebungen zur Entlöhnung scheitern an den Finanzen.»

Woran scheitert es?

Gregor: Diesbezügliche Bestrebungen scheitern an den Finanzen. Im Jahr 2023 haben die Seelsorgenden insgesamt rund 6500 Mails geschrieben. Durchschnittlich wenden die Seelsorgenden eine Stunde pro Mail auf. Das entspricht etwa vier Vollzeitstellen, was inklusive Sozialleistungen und Personalnebenkosten zusätzlich etwa eine halbe Million Franken ausmacht. Unrealistisch, wenn man bedenkt, dass wir aktuell mit je 70’000 Franken von der Römisch-katholischen Zentralkonferenz (RKZ) und der reformierten Deutschschweizer Kirchenkonferenz (KIKO) auskommen müssen.

«Die Kirchenräume leeren sich und Menschen tragen ihre Probleme kaum mehr ins Pfarrhaus.»

Seelsorge ist quasi die Kernkompetenz der Kirchen. Wäre da ein finanzielles Engagement der Kirchen nicht angesagt?

Gregor: Die Dienstleistungen von Seelsorge.net treffen den Kern der kirchlichen Aufgaben. Die Kirchenräume leeren sich und Menschen tragen ihre Probleme kaum mehr ins Pfarrhaus. Viele melden sich bei Seelsorge.net, weil der Zugang einfach und das Seelsorgeangebot anonym, kostenlos und professionell ist. Ich habe aber Verständnis für die Kirchen, die wegen ihrer durch Kirchenaustritte strapazierten Budgets keine weiteren Finanzierungen übernehmen können. Wenn die Seelsorge-Stellen in den Pfarreien nicht mehr zu besetzen sind, werden wir die Frage nach einer neuen Finanzierung von Seelsorge.net wieder stellen.

Leere Bänke in der Heiliggeistkirche in Bern
Leere Bänke in der Heiliggeistkirche in Bern

Auf der Suche nach jüngeren Seelsorgenden könnte die Entlöhnung eine entscheidende Frage spielen. Sehen Sie das auch so?

Gregor: Glücklicherweise ist die Entlöhnung nicht die entscheidende Frage. Wir haben immer noch genügend Interessentinnen und Interessenten, sodass wir auswählen können. Auch bei den Jungen. Wir haben ein strenges Aufnahmeverfahren und nicht jede Person mit einem theologischen, seelsorgerlichen oder psychologischem Hintergrund eignet sich für diese anspruchsvolle Arbeit.

*Pascal Gregor ist Geschäftsleiter der Internet-Seelsorge im Mandat und arbeitet bei Camino Consulting.

Anzeige ↓ Anzeige ↑

Knapp über 2000 Ratsuchende im Jahr 2023

Im vergangenen Jahr haben insgesamt 2067 ratsuchende Menschen die Dienstleistung von Seelsorge.net genutzt, heisst es in einer Mitteilung. Dies entspreche einem Anstieg von knapp einem Prozent im Vergleich zum Vorjahr. «Das bedeutet, dass wir durchschnittlich 172 neue User pro Monat verzeichnen konnten.»

Die Anzahl der von den 35 mitarbeitenden Seelsorgenden verfassten Mails ist im Vergleich zum Vorjahr um 24,95 Prozent zurückgegangen, von 9217 auf 6915. So wurden also durchschnittlich 576 Mails pro Monat versendet. Den Rückgang führt Seelsorge.net auf den steigenden Bedarf an Kurzberatungen zurück.

Die Anfragen von 2023 hätten sich vor allem um Persönlichkeit, Partnerschaft und Beziehung sowie psychische Beeinträchtigungen gedreht, heisst es. (rp)


Pascal Gregor, Geschäftsführer von Seelsorge.net | © zVg
24. April 2024 | 12:00
Lesezeit: ca. 2 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!