Toleranz bringt alle weiter
Schweiz

Die «Woche der Religionen» generiert zahlreiche lokale Netzwerke

Zürich, 3.11.17 (kath.ch) Die «Woche der Religionen» wird von der «Interreligiösen Arbeitsgemeinschaft in der Schweiz» (Iras cotis) jeweils im Monat November organisiert. Zahlreiche Religionsgemeinschaften beteiligen sich am Ereignis. Die Geschäftsleiterin von «Iras Cotis», Katja Joho, spricht über das Erfolgsrezept der Veranstaltungen und die Herausforderungen, denen sich die Arbeitsgemeinschaft gegenüber sieht. Die Woche dauert vom 4. bis 12. November und bietet ein reichhaltiges Programm.

Georges Scherrer

Die Woche der Religionen fand 2007 erstmals statt. Zehn Jahre später ist sie weiterhin unterwegs. Wie kam es zu dieser Erfolgsgeschichte?

Katja Joho: Vor zehn Jahren war das Bedürfnis nach einem Austausch zwischen Menschen aus unterschiedlichen Religionen sicher verbreitet und ein guter Nährboden für die damalige Idee von «Iras cotis». Die Überlegung ging anfänglich in Richtung eines schweizweiten Tages der Religionen. Dieser erwies sich über die Religionen hinweg als schwer festsetzbar und so wurde zugunsten einer grösseren Flexibilität bei der Wahl des Wochentages eine ganze Woche der Religionen aus der Taufe gehoben.

Erfolgsrezept des Projekts war und ist sicherlich, dass sie ideale Rahmenbedingungen für interreligiöse Veranstaltungen bietet. Dass die eigene Veranstaltung eingebettet ist in eine nationale Bewegung, ist für die lokalen Organisatorinnen und Organisatoren eine grosse Motivation.

Teil eines grossen Veranstaltungszyklus zu sein, motivierte viele, sich interreligiös zu organisieren.

Als der Veranstaltungszyklus im Jahr 2007 erstmals stattfand, gab es einerseits bestehende interreligiöse Strukturen. Für sie war die nationale Woche ein perfekter Aufhänger für ein Programm mit interreligiösen Begegnungsangeboten. Andere interreligiöse Gruppierungen entstanden erst durch die Woche der Religionen: Teil eines grossen Veranstaltungszyklus zu sein, motivierte sie, sich interreligiös zu organisieren und gemeinsam Angebote zu erarbeiten.

Hat sich die Idee der «Woche der Religionen» in den Schweizer Religionsgemeinschaften durchgesetzt oder wird sie lediglich wohlwollend akzeptiert?

Joho: Die Wirkung der Woche der Religionen geht weit über die eigentliche Novemberwoche hinaus. Denn schon lange vor der Organisation von konkreten Veranstaltungen müssen sich Trägerschaften bilden. Organisatorinnen und Organisatoren aus unterschiedlichen Religionen müssen ins Gespräch kommen und sich gemeinsam der Planung widmen. Es entstehen dabei tragfähige Strukturen, Netzwerke, die aus interreligiöser Motivation heraus zusammenarbeiten und auch jenseits der Woche der Religionen tragfähig sind. Diese neuen Netzwerke sind ein Nebeneffekt der Woche der Religionen, der sicher mindestens so wichtig ist wie die eigentlichen Veranstaltungen. In diesem Sinn wird die Idee sehr aktiv von den vielen beteiligten Religionsgemeinschaften getragen.

Diese neuen Netzwerke sind ein Nebeneffekt der Woche der Religionen.

Dabei ist die Grundidee für Veranstaltungen der Woche der Religionen anspruchsvoll: Sie sollen idealerweise von mindestens zwei Religionsgemeinschaften durchgeführt werden. So kann eine Selbstdarstellung vermieden werden. Ein Austausch findet statt – schon bei der Vorbereitung. Es ist um einiges anspruchsvoller, sich mit den oft ganz anderen Vorstellungen eines Partners bei der Planung einer Veranstaltung auseinander zu setzen, als allein etwas zu organisieren.

Wo sehen Sie Verbesserungsbedarf?

Joho: Eine ständige Herausforderung ist es, neue Organisatorinnen und Organisatoren für die Woche der Religionen zu finden. Oft ist der interreligiöse Dialog stark an Personen gebunden, die das Anliegen irgendwann nicht mehr tragen können. Lücken oder ein Abbruch können entstehen. Es ist für uns wichtig, auch neue Kreise anzusprechen, die gern einen Beitrag zur Woche der Religionen leisten möchten.

Wegen ihrer Wirkung im Bereich der Integration wird die Woche der Religionen von den Kantonen geschätzt.

Eine weitere grosse Herausforderung ist die Öffentlichkeitsarbeit. Es ist schwierig, die Medien für das Thema zu interessieren, und daher auch nicht einfach, mögliches neues Publikum zu erreichen.

Finden Sie in allen Religionsgemeinschaften genügend Unterstützung für das Anliegen «Woche der Religionen»?

Joho: Die Religionsgemeinschaften sind je nach Region unterschiedlich aufgestellt, die Situation lässt sich nicht verallgemeinern. Es gibt bei einzelnen die bekannten Ressourcenprobleme, sie müssen die meiste Arbeit ehrenamtlich neben der Berufstätigkeit leisten. Dennoch können sich fast alle interreligiösen Gruppen in der Deutschschweiz und in der Westschweiz  auf die Mitarbeit einer breiten Basis von Interessierten aus unterschiedlichen Religionen verlassen.

Gibt es eine staatliche Anerkennung für die Bemühungen zum Gelingen der «Woche der Religionen», etwa durch Kantone? Oder sogar einen finanziellen Zustupf?

Joho: Wegen ihrer Wirkung im Bereich der Integration wird die Woche der Religionen von den Kantonen geschätzt. Entsprechend erhält «Iras cotis» teilweise finanzielle Beiträge für die Koordination der über 100 Veranstaltungen. Aktuell sind es mehrere Kantone, die das Anliegen unterstützen, was wesentlich mit den unterschiedlichen Vergabekriterien der Lotteriefonds zusammenhängt. Für dieses Jahr hat die Woche der Religionen bis jetzt Gelder aus den Kantonen Basel-Stadt und Basel-Landschaft, Solothurn, Bern und Zug zugesagt erhalten.

Ist die «Woche der Religionen» ein Steckenpferd der Verantwortlichen in den Religionsgemeinschaften oder hat sie auch eine Basis direkt im «Kirchenvolk»?

Joho: Die Woche der Religionen wird sehr stark von engagierten Laien getragen. Ihr Anteil dürfte in den interreligiösen Gruppen mehr als zwei Drittel der Mitglieder ausmachen. Die Aufgabe der regionalen Koordination jedoch wird oft von kirchlichen oder kantonalen Stellen übernommen, um so auch unabhängig von einzelnen Personen Kontinuität zu garantieren.

 

Toleranz bringt alle weiter | © IRAS COTIS / HawasWorldwide
3. November 2017 | 09:28
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