Theo Schenkel
Religion anders

Theo wohnt im Aargau: «Ich bin katholischer Religionslehrer und trans»

Theo Schenkel (27) lebt mit seiner Verlobten im Aargau. Er ist Teil der «Out in Church»-Bewegung. Bei der Geburt wurde er als Mädchen eingeordnet. Seit zwei Jahren lebt er öffentlich als Mann. Warum er für die Kirche arbeiten möchte – und was er Bischof Felix Gmür sagen würde.

Jacqueline Straub

«Vielfalt ist keine Gefahr, sondern eine Chance», sagt Theo Schenkel (27). Er wohnt mit seiner Partnerin in Fislisbach im Kanton Aargau. Theo stammt aus dem deutschen Rheinfelden, seine Freundin aus dem Aargau. In Waldshut, unweit der Schweizer Grenze, macht Theo momentan die Lehrerausbildung.

Als Theo geboren wurde, dachten alle, er sei ein Mädchen. Theo sagt, er habe früh gespürt, ein Junge zu sein. Bis zu seinem 25. Lebensjahr hatte er einen weiblichen Namen. «In der Schulzeit habe ich viel mit mir gehadert und mir immer wieder die Frage gestellt: Wieso kann ich kein Junge sein?»

Als Theo geboren wurde, dachten alle, er sei ein Mädchen. Theo spürte früh, dass er ein Junge ist.
Als Theo geboren wurde, dachten alle, er sei ein Mädchen. Theo spürte früh, dass er ein Junge ist.

Im ersten Lockdown hat Theo seinen weiblichen Namen abgelegt. «Mein Umfeld hat auf mein Outing im Sommer 2020 und auf meine Transition durchweg positiv reagiert», sagt Theo. Mit Transition meint Theo den Weg der Geschlechtsangleichung, die die Namensänderung, Hormonbehandlung und Operationen umfassen kann. Durch die Hormontherapie wurde seine Stimme tiefer, der Bart begann zu wachsen.

Bedeutet Transition auch eine Operation? «Das ist eine typische Frage, die man trans Menschen nicht stellen sollte. Denn zum einen ist es sehr intim und geht niemanden etwas an, ob bereits Operationen stattgefunden haben oder nicht, zum anderen verläuft jede Transition unterschiedlich ab.»

Theo ist katholisch aufgewachsen. Nach der Erstkommunion wurde er Ministrant. «Bis Anfang 20», sagt er. Er engagiert sich in der kirchlichen Jugendarbeit und bei den Pfadfindern. «Kirche ist für mich Heimat.»

Nach dem Abitur beginnt Theo, Theologie und Französisch auf Lehramt in Freiburg im Breisgau zu studieren. Damals lebt Theo noch als Frau und ist mit einem Mann zusammen. «Ich dachte, dass ich dem entsprechen kann, was das katholische Lehramt von mir verlangt: eine heterosexuelle Beziehung.»

«Dass ich ein Mann bin, war für uns als Paar auch eine Herausforderung.»

Die Beziehung zerbricht und Theo outet sich während des Studiums als lesbisch. Vor über drei Jahren lernt er dann seine jetzige Freundin kennen: eine Aargauerin. «Nach dem Studium habe ich mich dann als trans geoutet.»

Wie fühlt sich sein zweites Outing an? Theo spricht von einem Befreiungsschlag – auch wenn der Schritt nicht einfach war. «Dass ich ein Mann bin, war für uns als Paar auch eine Herausforderung», sagt Theo. «Doch unsere Beziehung ist gewachsen.» Inzwischen ist das Paar verlobt und möchte nächstes Jahr heiraten.

Theo (r.) und seine Verlobte im Jahr 2018.
Theo (r.) und seine Verlobte im Jahr 2018.

Damit stellt Theo die katholische Kirche vor ein Problem: «Laut Zivilrecht bin ich ein Mann und lebe in einer heterosexuellen Ehe. Für die Kirche bin ich aber eine Frau, die mit einer Frau zusammenlebt und nicht kirchlich heiraten kann.»

Sein Studium hat Theo inzwischen abgeschlossen. Nun macht er den Vorbereitungsdienst, das Referendariat. Dafür gab es eine Einzelfallentscheidung: Das Ordinariat des Erzbistums Freiburg im Breisgau hat einer vorläufigen Lehrerlaubnis zugestimmt.

Ob er im Sommer, wenn sein Vorbereitungsdienst als katholischer Religionslehrer abgeschlossen ist, dauerhaft eine Missio canonica erhält, ist noch offen.

«Bei kirchlichen Äusserungen schwingt immer der Duktus mit: ‹Du armer kleiner Sünder, wir müssen dich retten.› Das brauche ich definitiv nicht. Mir geht es wirklich gut – und seit meiner Transition sogar besser denn je», sagt Theo. Er will kein Mitleid von der Kirche, sondern Akzeptanz.

«Wie es für mich nach dem Referendariat weitergeht, weiss ich noch nicht», sagt Theo. Er sei auf das Wohlwollen der Amtsträger angewiesen. «Das macht mich wütend und frustriert mich.»

Theo liebt es, Religion zu unterrichten. «Ich werde so lange unterrichten, wie es mir als trans Mann in der katholischen Kirche erlaubt ist.» Er möchte Vorbild sein für die Schülerinnen und Schülern und damit auch vermitteln, dass die Kirche nicht verstaubt sei: «Kirche kann jung und queer sein.»

«Zu sagen, wir werden deinen Taufnamen niemals verbessern, das verletzt sehr.»

Theo sagt, er habe weitgehend gute Erfahrungen mit der Kirche gemacht. Und trotzdem bleibe der Widerspruch: Die Kirche predige Nächstenliebe und Wertschätzung, tue sich aber mit trans Personen schwer. «Das ist meine Identität. Das ist ein enorm wichtiger Teil von mir selbst. Diesen Teil nicht anzuerkennen, sondern zu sagen, wir werden deinen Taufnamen niemals verbessern, zu wissen, dass der weibliche Name da immer steht, das verletzt sehr.»

Theo Schenkel: «Ich hoffe, dass die Bischöfe sich im Vatikan für queere Menschen stark machen.»
Theo Schenkel: «Ich hoffe, dass die Bischöfe sich im Vatikan für queere Menschen stark machen.»

Theo lebt im Aargau, das zum Bistum Basel gehört. Was würde er gerne dem Basler Bischof Felix Gmür sagen, der zugleich Präsident der Schweizer Bischofskonferenz ist? «Für manche Bischöfe ist Homosexualität und Transsein noch immer eine Sünde. Ihnen ist oft nicht klar, was das in Menschen wie mir auslöst und wieviel Leid das verursacht.» Hier zu sensibilisieren, sei umso wichtiger. «Ich hoffe, dass die Bischöfe sich im Vatikan für queere Menschen stark machen.» Damit seien nicht nur Schwule und Lesben gemeint, sondern auch trans Personen.

Von der Kirche wünscht sich Theo mehr Mut für Veränderung: «Ich wünsche mir, dass die Kirche sich traut weitere Schritte zu gehen.»

Theo Schenkel (27) ist Teil der Bewegung «Out in Church». 125 Menschen aus der katholischen Kirche in Deutschland haben sich in einer ARD-Dokumentation als queer geoutet – darunter auch der Schweizer Theologe Pierre Stutz.

Die meisten Teilnehmenden von «Out in Church» stehen in einem Arbeitsverhältnis mit der katholischen Kirche. Sie fordern, dass das kirchliche Arbeitsrecht geändert und Angst abgebaut wird.


Theo Schenkel | © Ueli Abt
26. Februar 2022 | 05:00
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