Kurt Vogt
Schweiz

Streit in Näfels: Jetzt spricht Kurt Vogt

Die Römisch-Katholische Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ) feiert mit den Schweizer Bischöfen ihr 50-jähriges Bestehen. Ausgerechnet in Näfels tobt ein Streit über das duale System. Pfarrer Kurt Vogt (59) findet: Die Körperschaften kritisierten lieber die Bischöfe, als vor der eigenen Haustür zu kehren.

Raphael Rauch

Sie haben sich in Näfels nach einem Jahr nicht der Pfarrwahl gestellt und sind nach Schwyz gegangen. Warum?

Kurt Vogt*: Verschiedene Abmachungen und Versprechen wurden nicht eingehalten. Ich bin nach Näfels gekommen, um in der hungrigen Pfarrei und im Kanton Glarus mitzuhelfen, eine Kirche der Zukunft aufzubauen. Wir müssen als Kirche neue Wege gehen. Dazu gehört Bereitschaft zur Veränderung. Mit einem «Das haben wir schon immer so gemacht» kommen wir nicht weiter als Kirche.

«Zu mir hat die Kirchenpflege gesagt: ‘Das ist Amtsgeheimnis und geht den Pfarrer nichts an.’»

Wann war für Sie der Rubikon überschritten?

Vogt: Als klar wurde, dass die nötigen Instrumente für eine professionelle Personalführung fehlen und verweigert werden. Wie soll ein Pfarrer Personal führen, wenn er keinen Einblick in die Arbeitsverträge oder in die Pflichtenhefte erhält? Zu mir hat die Kirchenpflege gesagt: «Das ist Amtsgeheimnis und geht den Pfarrer nichts an.»

Die öffentlich-rechtlichen Körperschaften, ob auf Kirchenratsebene oder Kantonalkirche, haben die Aufgabe, im Miteinander des dualen Systems die Seelsorge und die eigentliche Arbeit des innerkirchlichen Bereiches zu unterstützen – nicht zu erschweren. Ich habe in Näfels 70 Prozent meiner Arbeitszeit für Sachen verwendet, für die ich in Dietikon-Schlieren fünf Prozent gebraucht habe – obwohl es da 45 Mitarbeitende waren. 

«Wir müssen als Kirche auch online attraktiv sein.»

Ich habe gehört, es gab auch Ärger wegen Ihrer Website.

Vogt: Mein damaliges Mitarbeiterteam hat positive Rückmeldungen erhalten für die Website, da offen und schnell über Vieles kommuniziert wurde. Sie liegt allerdings vollumfänglich in der Verantwortung des Pfarramtes und ist nicht Teil der Homepage der Kantonalkirche Glarus. Und sie beinhaltet auch Raumverwaltungen, Pfarreiblatt, Termine und so weiter. Ich bin der Ansicht: Wir müssen als Kirche auch online attraktiv sein. 

Wie kalt wird es diesen Winter beim Gottesdienst?: Pfarrkirche St. Hilarius in Näfels.
Wie kalt wird es diesen Winter beim Gottesdienst?: Pfarrkirche St. Hilarius in Näfels.

Was werfen Sie dem Kirchenrat vor?

Vogt: Über die jetzige Situation in Näfels kann und will ich nicht mitreden. Im Grundsatz geht es jedoch um mehr Offenheit, mehr Transparenz und um den Willen zu Veränderungen. Von den Seelsorgenden und dem Bischof können nicht Veränderungen eingefordert werden – und selbst werden längst fällige Veränderungen in den Körperschaften hinausgezogen. Die Kirchenräte und Kantonalkirchen sollten mehr Mut für Veränderung und Entscheidungen haben. 

Zum Beispiel?

Vogt: Seit über 20 Jahren gibt es Diskussionen über Verträge zwischen Kirchgemeinden und Kirchenstiftungen – teils über 20 Jahre! Würden solche Dinge geregelt, würden viele Probleme nicht entstehen. Die Frage ist, ob die Personen dies jedoch wollen. 

«Wenn man’s gut miteinander hat, spielen die Strukturen weniger eine Rolle.»

Sind die Strukturen das Problem oder der Faktor Mensch?

Vogt: Die Tragik des dualen Systems der Kirche Schweiz ist: Es wurde gemacht für Zeiten, in denen beide Seiten wussten, um was es geht. Es wurde jedoch vergessen, Regelungen zu machen für die Zeiten, in denen es unterschiedliche Auffassungen gibt. Wenn man’s gut miteinander hat, spielen die Strukturen weniger eine Rolle. Man zieht an einem Strang und die Kirchgemeinde unterstützt die Pfarrei und umgekehrt. Wenn man’s nicht gut miteinander hat, sind klare Strukturen hilfreich. Ich frage mich zum Beispiel: Warum haben faktisch Kirchenräte ein Vetorecht bei Anstellungen – und nicht auch die pastorale Seite? Die Kirchenpflege kann gegen den Willen des Pfarrers Leute anstellen, obwohl er dann mit den Leuten zusammenarbeiten muss – oder die Stellenprozente gerne für andere Arbeitsfelder hätte. Mit moderner Personalführung haben solche Strukturen nichts zu tun.

Urs Brosi
Urs Brosi

Was stört Sie am dualen System?

Vogt: In der Zwischenzeit stören mich vor allem zwei Punkte. Erstens: Der designierte Generalsekretär der RKZ, Urs Brosi, hat in einem Interview mit Ihnen gesagt: «Es gehört zum dualen System, dass wir den Bischöfen manchmal auf die Füsse treten müssen.» Ist es nicht die Aufgabe der RKZ, die Arbeit der Bischöfe zu erleichtern, zu helfen und zu unterstützen?

«Die Körperschaften halten die Grundregeln der Demokratie nicht ein.»

Und zweitens: Das Nicht-Einhalten der zugewiesenen Aufgaben im dualen System. Immer mehr mischen sich die Körperschaften gerne in pastorale, theologische und kirchenpolitische Fragen ein – ohne das nötige Fachwissen. Da kommt ein Reformvorschlag nach dem anderen, was der Papst, die Bischöfe oder sonst wer machen soll. Aber die Körperschaften kehren nicht vor ihrer eigenen Haustür. Sie fordern Reformen im innerkirchlichen Bereich, wünschen sich mehr Demokratie, halten aber die Grundregeln der Demokratie nicht ein.

Zum Beispiel?

Vogt: Schauen Sie hin, wie in manchen Körperschaften Legislative, Judikative und Exekutive manchmal nicht getrennt sind – es sei denn, es tritt jemand in den Ausstand. Es gibt keine Amtszeitbeschränkung. Die Vertreterinnen und Vertreter können verschiedene Ämter kumulieren, in verschiedenen Gremien sitzen. Aufsichtskommissionen können mit denselben Leuten besetzt sein, die zugleich Rechtsberatung liefern.

Gruppenbild mit Dame: von links Markus Büchel, Felix Gmür, Renata Asal-Steger, Charles Morerod und Joseph Bonnemain.
Gruppenbild mit Dame: von links Markus Büchel, Felix Gmür, Renata Asal-Steger, Charles Morerod und Joseph Bonnemain.

Wie kann man das duale System voranbringen? 

Vogt: Das geht nur durch eine offene und ehrliche Selbstkritik und der Bereitschaft, Strukturen anzupassen und zusammen mit dem innerkirchlichen Bereich ungeklärte Fragen zu klären, die seit 50 Jahren der Klärung bedürfen. Es geht nur dann, wenn der Auftrag klar vor Augen ist und nicht, was man gerne wäre.

Haben Sie jetzt in Schwyz ähnliche Probleme wie in Näfels?

Vogt: Glücklicherweise nicht. Hier arbeite ich mit der Kirchenpflege gut zusammen. Aber auch im Kanton Schwyz ist nicht alles perfekt. Ich verstehe nicht, warum eine Katechetin im Kanton Schwyz 3.7 Prozent Arbeitszeit pro Religionsstunde erhält, im Kanton Zürich hingegen 5 Prozent. Das ist ein Missstand, für den die sieben Körperschaften des einen Bistums Chur verantwortlich sind und den sie einfach ändern könnten.

Ihr Fazit?

Vogt: Es gibt viele Orte, in denen die Zusammenarbeit im dualen System bestens funktioniert – und das durfte ich lange erleben. Doch Handlungsbedarf gibt es dort, wo es nicht funktioniert – und um Probleme im Voraus zu vermeiden.

* Kurt Vogt (59) ist Priester des Bistums Chur. Er war kurze Zeit Pfarradministrator in Näfels und verzichtete darauf, zum Pfarrer gewählt zu werden. Seit dem 1. November 2021 ist er in Schwyz tätig.


Kurt Vogt | © Screenshot
24. März 2022 | 12:00
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