Ministerpräsident Silvio Berlusconi und Papst Benedikt XVI. im November 2005 in einer Privataudienz im Vatikan.
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Skandal-Politiker und Kirchen-Verbündeter: Berlusconi ist tot

Silvio Berlusconi ist am Montag Morgen im Alter von 86 Jahren gestorben. 30 Jahre hat er Italiens Politik geprägt. Als Unternehmer wurde er zum Milliardär. Sein Privatleben sorgte für Schlagzeilen. Er selbst stand oft vor Gericht. Für die Kirche war er ein politischer Verbündeter.

Zehn Orden hat Silvio Berlusconi als Unternehmer und Politiker erhalten; den letzten verlieh ihm Papst Benedikt XVI. am 11. Juli 2006. Neben anderen italienischen Politikern wurde Berlusconi das «Grosse Kreuz» des Heiligen Stuhls zugesprochen.

Erfolgreichster italienischer Ministerpräsident

Im selben Jahr hatte er die Vollendung einer kompletten Legislaturperiode von fünf Jahren geschafft. Dies war vor ihm keinem Regierungschef Italiens seit dem Zweiten Weltkrieg gelungen.

Nach verlorener Wahl 2006, kehrte er 2008 nochmals als Ministerpräsident zurück. Und hielt sich immerhin drei Jahre bis 2011.

Effiziente Allianz mit der Kirche

Fundament seines politischen Erfolgs war die chronische Zerstrittenheit der italienischen Linken auf der einen Seite und Berlusconis Talent zum Schmieden ungewöhnlicher Mitte-Rechts-Bündnisse auf der anderen. Ein weiterer Faktor war seine lautlose, aber effiziente Allianz mit der katholischen Kirche.

Strategische Partner: Kardinal Camillo Ruini entdeckte Silvio Berlusconi als Alliierten 1994.
Strategische Partner: Kardinal Camillo Ruini entdeckte Silvio Berlusconi als Alliierten 1994.

Seit 1945 hatten die Bischöfe zunächst die rein katholische Partei der italienischen Christdemokraten unterstützt. Aber seit sich die «Democrazia Cristiana» Anfang der Neunziger Jahre in mehrere Flügel zerlegt und dann aufgelöst hatte, suchte die Kirche einen neuen Alliierten. Der strategisch denkende römische Kardinal Camillo Ruini, von 1991 bis 2007 Vorsitzender der Bischofskonferenz, fand ihn 1994 im politischen Senkrechtstarter Berlusconi.

Eine strategische Allianz

Berlusconi war nicht gerade ein Vorzeige-Katholik. Das lag nicht nur an seiner ersten Scheidung und der folgenden zivil geschlossenen Ehe mit der Schauspielerin Veronica Lario. Auch sonst hätte der Kontrast zum frommen christdemokratischen Ministerpräsidenten Giulio Andreotti kaum grösser sein können.

Berlusconi suchte aktiv die Nähe des Papst Johannes Paul II.
Berlusconi suchte aktiv die Nähe des Papst Johannes Paul II.

Doch Berlusconi suchte gleich nach seinem ersten Wahlerfolg im Mai 1994 den Kontakt zur Kirche. Den damals in der Gemelli-Klinik liegenden Papst Johannes Paul II. besuchte der frisch gekürte Ministerpräsident am Krankenbett und sprach fast eine Stunde mit ihm.

In gesellschaftspolitischen Fragen auf Kirchenlinie

Politisch setzte er sich für die Verteidigung gesellschaftlicher Normen ein, die auch der Kirche am Herzen lagen. Auf sozialpolitischem Gebiet führte er eine Mindestrente ein und verschaffte damit Millionen Schwarzarbeitern, die in dramatischer Altersarmut lebten, eine menschenwürdige Mindestsicherung.

Silvio Berlusconi - bei gesellschaftspolitischen Fragen strikt auf Kirchenlinie.
Silvio Berlusconi - bei gesellschaftspolitischen Fragen strikt auf Kirchenlinie.

In der Familien- und Gesellschaftspolitik waren die grossen Schlachten um die straffreie Abtreibung und das Scheidungsrecht längst abgehakt. In der Ära Berlusconi ging es um Themen wie Leihmutterschaft und aktive Sterbehilfe, aber auch um die gleichgeschlechtliche Ehe. Auf diesen Politikfeldern legte sich Berlusconi in Italien und der EU auf einen Kurs fest, mit dem die Kirche leben konnte: Einführung der eingetragenen Partnerschaft ja, aber keine «Ehe für alle»; künstliche Befruchtung nur innerhalb einer bestehenden Ehe; Sterbehilfe nur passiv.

Eine Hand wusch die andere

Im Gegenzug verzichteten die Bischöfe darauf, erotische Eskapaden Berlusconis oder seine Schwierigkeiten mit dem Gesetz wegen Steuerhinterziehung, Bestechung oder mutmasslicher Förderung der Prostitution lautstark zu kommentieren.

Die unausgesprochene Allianz Berlusconi-Ruini trug dazu bei, dass Italien bis heute auf dem Gebiet von Familienpolitik und Bioethik zu den konservativeren EU-Ländern gehört. Die derzeitige Regierungschefin Giorgia Meloni, mit der Berlusconi im Oktober 2022 als Juniorpartner eine Koalitionsregierung bildete, hat diesen Kurs fortgesetzt und sich ebenfalls kirchen- und papsttreu positioniert.

Meloni führt Kirchenpolitik fort

In dem von Meloni geführten rechten Parteienbündnis versuchte sich Berlusconi als Garant eines liberal-konservativen und proeuropäischen Kurses zu inszenieren. Das war auch seine Linie im EU-Parlament, dem er von 2019 bis 2022 als Mitglied der EVP-Fraktion angehörte.

Italiens Premierministerin Giorgia Meloni zu Besuch bei Papst Franziskus
Italiens Premierministerin Giorgia Meloni zu Besuch bei Papst Franziskus

Sein grösster persönlicher Triumph in der Spätphase seines politischen Lebens war die aus eigener Kraft gelungene Wahl in den italienischen Senat, dem er seit Oktober angehörte. Eine mehrjährige Sperre für politische Ämter nach seiner Verurteilung wegen Steuerbetrugs 2013 war bereits 2019 abgelaufen.

Auch vor Gericht hatte der trotz Schönheitschirurgie stark von Alter und Krankheit gezeichnete Berlusconi in seinem letzten Lebensabschnitt noch einmal Erfolg: In der «Bunga-Bunga-Affäre» wurde er im Februar in letzter Instanz nach einem insgesamt zehn Jahre dauernden Verfahren vom Vorwurf der Förderung von Prostitution freigesprochen. Es sei nichts dergleichen geschehen, urteilte Italiens Oberstes Gericht. Berlusconi, der zeitlebens von Verfolgung seiner Person durch linke Medien und Staatsanwälte gesprochen hatte, nahm das Urteil mit grosser Genugtuung zur Kenntnis.

Die letzten Monate seines Lebens waren geprägt durch schwere gesundheitliche Probleme und immer neue Einlieferungen in die Spezialklinik San Raffaele nahe Mailand. Seine politischen Verbündeten, aber auch manche Gegner, liessen ihm Genesungswünsche zukommen. Der wichtigste Vertreter von Forza Italia in der Regierung Meloni, Aussenminister Antonio Tajani, übernahm in diesen Monaten faktisch die Führung der Berlusconi-Partei. (cic/ am)


Ministerpräsident Silvio Berlusconi und Papst Benedikt XVI. im November 2005 in einer Privataudienz im Vatikan. | © KNA
12. Juni 2023 | 12:10
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