Christina Caprez
Schweiz

Schweizer Autorin: «Katholische Kirchgemeinden sind offen für Familienvielfalt»

Zürich, 17.7.15 (kath.ch) Christina Caprez ist Mitautorin des Buchs «Familienvielfalt in der katholischen Kirche». Am interessantesten fand die Journalistin, dass die Kirchgemeinden entgegen der katholischen Lehre meist recht offen mit der existierenden Familienvielfalt umgehen, wie sie im Interview mit kath.ch sagt. Caprez ist im reformierten Milieu aufgewachsen und beschäftigt sich seit einiger Zeit mit dem Thema Familienvielfalt im katholischen Kontext.

Regula Pfeifer

Vor drei Jahren haben Sie im Buch «Familienbande» die unterschiedlichsten Familienformen der heutigen Gesellschaft beschrieben, jene Porträtierten waren meist kirchenfern. Welche Unterschiede haben Sie zur Familienvielfalt im katholischen Milieu festgestellt?

Christina Caprez: Weniger, als man denken würde. Wir haben für «Familienvielfalt in der katholischen Kirche» die ganze Bandbreite von Familien gesucht, wie sie in der Realität im katholischen Milieu existieren. Darunter war ein älteres heterosexuelles Ehepaar, das zeitlebens nach katholischen Normen lebte, inklusive natürlicher Familienplanung, aber auch ein Frauenpaar, das mit Kindern zusammen lebt. Was sie verbindet, ist der Glaube, von dem sie Werte wie Nächstenliebe oder Gastfreundschaft ableiten. Die Werte von konventionell und unkonventionell lebenden Menschen sind sich also ähnlich.

Wie zeigte sich das konkret?

Caprez: Eine Kirchenpflegerin erzählte, wie die Kirchenpflege Mieter für das leerstehende Pfarrhaus suchte und sich für ein lesbisches Paar entschied. «Ich lebe schliesslich auch nicht nach den Vorgaben aus Rom – wer tut das heute noch, exgüsi?» begründete sie den Entscheid im Gespräch. Sie selbst lebt zwar mit Mann und Kindern, fühlt sich aber offensichtlich dem Frauenpaar näher als der Kirchendoktrin.

Welchen Bezug haben die Personen, die Sie interviewt haben, zur Kirche?

Caprez: Alle haben einen Bezug zum Glauben, einige aber haben sich von der Kirche entfernt, wobei diese Distanzierung relativ ist. Einige sagten, sie würden wieder zur Kirche gehen, wenn diese sich änderte. Andere schicken ihre Kinder in den Religionsunterricht, wenn ihnen die Katechetin sympathisch ist.

Fühlen sich die Leute in ihrer Sexualmoral eingeengt?

Caprez: Wie ich festgestellt habe, kann man in vielen katholischen Kirchgemeinden relativ frei leben. Beispielsweise spenden Priester und Pastoralassistentinnen die Kommunion vielerorts auch Geschiedenen und Reformierten. Diese Offenheit in den Kirchgemeinden gegenüber der existierenden Familienvielfalt – entgegen der katholischen Lehre – fand ich am interessantesten. Trotzdem ist den Leuten nicht egal, was die katholische Kirche offiziell sagt. Sie wollen anerkannt werden in ihrer Lebenswirklichkeit. Das Signal, das die katholische Kirche in diesen Fragen offiziell aussendet, schreckt die Menschen ab.

Wie sind Sie zum Auftrag für dieses Buch gekommen?

Caprez: Der Verleger von «Familienvielfalt in der katholischen Kirche» kannte mein Buch «Familienbande». Zudem hatte ich selber zu dem Zeitpunkt bereits Erfahrung mit dem Thema. Die Katholische Kirche im Kanton Aargau hatte mich ein Jahr zuvor eingeladen, um über Familienvielfalt zu referieren. Dabei merkte ich bereits etwas vom Unwillen gegenüber den Familienvorstellungen aus dem Vatikan. (rp)

Die erwähnten Bücher:

Christina Caprez: Familienbande. Limmat Verlag.

Arnd Bünker, Hanspeter Schmitt (Hg.): Familienvielfalt in der katholischen Kirche. TVZ-Verlag

Artikel von kath.ch zum Buch «Familienvielfalt»
Auszug aus dem Buch.

 

Christina Caprez | © SRF
17. Juli 2015 | 10:32
Lesezeit: ca. 2 Min.
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