Cristina Vonzun vor dem Centro San Giuseppe in Lugano
Porträt

Prag-Delegierte: Cristina Vonzun will das Diakonat für die Frau besprechen

Sie leitet das katholische Medienzentrum in Lugano – und gehört zur Schweizer Viererdelegation des synodalen Treffens in Prag. Von da erwartet Cristina Vonzun (59) «mehr Dialog als Entscheide». Die geweihte Jungfrau hat Gottes Ruf in der Wüste von Denver vernommen – an der Messe des Weltjugendtags 1993.

Regula Pfeifer

Cristina Vonzun hat in eine alte Klosterküche geladen. Hier ist der heutige Kaffeeraum des Katholischen Medienzentrums in Lugano. Centro Pastorale San Giuseppe heisst das Gebäude heute – also Pastorales Zentrum Heiliger Josef. Durch die halboffene Tür geht der Blick in den ehemaligen Klosterhof. Ein paar alte Fresken sind dort freigelegt.

Die Schweizer Delegation für das Europa-Treffen des synodalen Prozesses in Prag.
Die Schweizer Delegation für das Europa-Treffen des synodalen Prozesses in Prag.

Die Tessinerin ist eine der drei Frauen, die mit Bischof Felix Gmür die Schweizer Delegation ans europäische synodale Treffen in Prag bildet. Das Treffen findet vom 5. bis 10. Februar statt. «Ich fliege», sagt sie. Lieber wäre sie mit dem Zug gefahren. Doch ihre Mutter braucht ihre Unterstützung bis kurz vor Synodenbeginn – dann übernimmt ihre Schwester die Betreuung wieder.

Überrascht über Prag-Delegation

Cristina Vonzun legt ihren kleinen Rucksack beiseite, behält aber die Daunenjacke an. Es ist kühl in diesen alten Gemäuern. Sie setzt sich an den alten massiven Holztisch, ein Heft und einen Kugelschreiber vor sich. «Nein, ich habe nicht erwartet, Teil der Delegation zu sein», sagt sie. Zwar war sie in der Gruppe aktiv, die den synodalen Prozess im Tessin leitete. Und sie nahm am nationalen synodalen Treffen in Einsiedeln teil. Aber die Einladung nach Prag hat sie überrascht.

Cristina Vonzun in Lugano
Cristina Vonzun in Lugano

Es gebe noch einiges zu tun, sagt Cristina Vonzun ernst. Nach dem Gespräch wird sie sich per Zoom mit der anderen Tessinerin austauschen, die an der Prager Synode teilnimmt, mit Valentina Anzini. Diese wird bei der Online-Gruppe in Wislikofen AG mitwirken. Übermorgen sei zudem ein Online-Austausch unter allen Schweizer Delegierten angesagt.

Valentina Anzini, Online-Delegierte in Prag
Valentina Anzini, Online-Delegierte in Prag

Hoffen auf Dialog

Von Prag erhofft sich Cristina Vonzun vor allem eines: Dialog. Es brauche echten Austausch mit den Menschen aus den kirchlichen Kontexten vom Norden, Osten, Westen und Süden Europas, sagt sie und streckt ihre Arme in alle Richtungen. Das sei besonders unter Laiinnen und Laien wichtig, während die Bischöfe sich wohl einigermassen kennen würden. «Erst wenn wir uns kennen und miteinander reden, können wir einen Schritt weiter gehen», ist Cristina Vonzun überzeugt. Ihre Worte sind klar, ihre Stimme bestimmt.

«In der ganzen Schweiz war die Kritik am Klerikalismus stark, auch bei uns südlich der Alpen»,

Cristina Vonzun

Eine bessere Kommunikation auf Augenhöhe: Das verlangten auch die Tessinerinnen und Tessiner, die sich am synodalen Prozess beteiligten. «In der ganzen Schweiz war die Kritik am Klerikalismus stark, auch bei uns südlich der Alpen», sagt Cristina Vonzun.

Käme es in Prag aber zur Einwegkommunikation, wäre sie enttäuscht. Etwa wenn die Mehrheit der Delegierten schweigend ein paar Referate anhören müssten.

Weihbischof Alain de Raemy (links) kann nicht Nachfolger von Bischof Valerio Lazzeri (Mitte) werden, weil er kein Tessiner ist.
Weihbischof Alain de Raemy (links) kann nicht Nachfolger von Bischof Valerio Lazzeri (Mitte) werden, weil er kein Tessiner ist.

«Ich erwarte eher Dialog als Entscheide», sagt die Direktorin des Katholischen Medienzentrums in Lugano. Nach ihrer Einschätzung ist Prag «nicht der Ort, wo Entscheidungen gefällt werden». Wahrscheinlich werde am Ende ein Dokument mit Vorschlägen formuliert. Entschieden würde aber wohl an den Bischofssynoden in Rom, im Oktober 2023. Das Programm für Prag ist noch nicht bekannt – an diesem Dienstag, zehn Tage vor dem Start des Prager Treffens.

Die Frauenfrage der Würde

«Wir müssen die Frauenfrage diskutieren», sagt Cristina Vonzun. Da sei sie «absolut einverstanden» mit den anderen Frauen der Vierer-Delegation, Helena Jeppesen-Schuler von der Allianz Gleichwertig Katholisch und Tatjana Disteli von der Aargauer Landeskirche. Doch was und wie, da scheint sie sich von den Deutschschweizerinnen zu unterscheiden. Sie möchte keine fordernde Haltung einnehmen.

Die Tessinerin will die Würde der Frauen in der Kirche ins Zentrum stellen. Zuerst müsse gefragt werden, welche Mission die Kirche heute in der Gesellschaft zu erfüllen habe. Und dann komme die Frage, welche Rolle die Frauen dabei einnehmen könnten. «Sie können hervorragende Dienste leisten», ist Cristina Vonzun überzeugt.

Frauen sind in der Kirche stark als Freiwillige engagiert: Hier im  Hospiz auf dem Grossen Sankt Bernhard.
Frauen sind in der Kirche stark als Freiwillige engagiert: Hier im Hospiz auf dem Grossen Sankt Bernhard.

Barmherzigkeit im Diakonat?

Sie verweist auf die starke Präsenz der Frauen in Werken der Barmherzigkeit, gemeint sind soziale Angebote innerhalb der Kirche. «Es gibt eine weibliche Tradition der Barmherzigkeit», so Vonzun. «Wir sollten uns überlegen, ob diese Tradition nicht in neuer Art gelesen werden könnte innerhalb der Kirche. Etwa in der Form eines kirchlichen Dienstes.»

Und dann könnte man sich sogar fragen, ob dieser kirchliche Dienst nicht Teil eines Diakonats werden sollte, äussert die Theologin eine spontane Eingebung. «Ich hoffe, dass in Prag die Frage des Diakonats besprochen wird.» Dabei müsse unbedingt die Tradition miteinbezogen werden, insbesondere Erfahrungen an den Anfängen des Christentums.

Lektorin am Bibelsonntag im Petersdom
Lektorin am Bibelsonntag im Petersdom

Auch weitere Dienste könnten laut Vonzun verstärkt werden: etwa jene der Lektoren und Akolythen, die der Papst unlängst auch für Frauen geöffnet hat. «Das sind Rollen, die die Frauen berechtigterweise lernen können. Sie können sich dazu berufen fühlen.»

Realität aller Frauen berücksichtigen

Die Kirche müsse die Realität der Frauen besser in den Blick nehmen, findet die Tessinerin. Und zwar jene aller Frauen: Die der Mütter, der sozial und kulturell Engagierten, der Erwerbstätigen. «Ich sehe Bedarf an Unterstützung – etwa mit Kursen oder spiritueller Begleitung.»

«Ich sehe mich weder als Priesterin noch als Lektorin oder Akolythin.»

Cristina Vonzun

Das Priesteramt für Frauen hingegen ist für Cristina Vonzun kein Thema. Dafür gebe es im Tessin «keine besondere Sensibilität «, sagt sie. Auch persönlich kann sie damit nicht viel anfangen. «Ich sehe mich weder als Priesterin noch als Lektorin oder Akolythin. Ich ziehe es vor, mitten in der Alltagswelt zu wirken. Das ist meine persönliche Berufung.»

Und dann sind da noch die Zeichen von oben: «Von Rom ist schon mehrfach ein Nein gekommen. Dabei wurden frühere Päpste und Konzile zitiert.» Sie glaubt nicht, dass sich daran bald etwas ändern könnte.

Ein unauffälliger Fingerring an der linken Hand. Für Cristina Vonzun ein Zeichen ihrer Berufung als geweihte Jungfrau.
Ein unauffälliger Fingerring an der linken Hand. Für Cristina Vonzun ein Zeichen ihrer Berufung als geweihte Jungfrau.

Cristina Vonzun trägt einen gewöhnlichen roten Pullover und Hosen. Und doch hat sie eine besondere Berufung: Sie ist geweihte Jungfrau. Als Jugendliche war sie in den Jugendgruppen aktiv – in ihrer Pfarrei in Bellinzona, in der Diözese mit und in der «Azione cattolica ticinese». Da habe sich bereits ihre Berufung abgezeichnet, sagt sie.

Papstmesse im Wüstensturm

Der Entscheid aber fiel am Weltjugendtag von 1993 in Denver, in den USA. Sie war damals etwa 29 Jahre alt und gemeinsam mit rund 150 anderen jungen Menschen aus dem Tessin dahin gereist, und zuletzt 20 Meilen zu Fuss durch Ödnis gewandert.

Emotionaler Weltjugendtag 1993 in Denver: Papst Johannes Paul II. begrüsst junge Frauen
Emotionaler Weltjugendtag 1993 in Denver: Papst Johannes Paul II. begrüsst junge Frauen

«Es war eine Messe in der Wüste, es hatte einen unglaublichen Wind, wir waren voller Staub», erzählt Cristina Vonzun. Am Altar stand Papst Johannes Paul II. Er habe die Jugendlichen zum Missionieren aufgefordert und gesagt: «Gebt euer Leben Christus».

Tränen der Erinnerung

Plötzlich schiessen der Erzählerin Tränen in die Augen. «Das ist wegen einem Freund, der jung an einer Krankheit gestorben ist», sagt sie leiser und mit weicherer Stimme als zuvor. Und sie erzählt weiter von Denver: «Wir zwei haben uns angeschaut und haben gesagt: ‹Das müssen wir machen›.»

Cristina Vonzun im ehemaligen Klosterhof – heute Sitzt des Centro San Giuseppe, Lugano
Cristina Vonzun im ehemaligen Klosterhof – heute Sitzt des Centro San Giuseppe, Lugano

Leben als geweihte Jungfrau

Jener Freund habe dann geheiratet und Kinder bekommen. «Dies ist eine sehr schöne Form der Berufung», sagt Cristina Vonzun. «Und ich habe meine Wahl getroffen.» Sie schlug den Weg zur geweihten Jungfrau ein – und besuchte dafür Vorbereitungskurse in Mailand. In Lugano sei das erst später aufgebaut worden, sagt sie. Drei weitere geweihte Jungfrauen wirken aktuell im Bistum.

Geweihte Jungfrauen leben unter den Menschen. Allerdings mit einer spirituellen Lebensregel. «Jede schreibt ihre eigene Regel. Der Bischof anerkennt sie und verleiht die Berufung», so Cristina Vonzun. «In einem Kloster zu leben, kam für mich nicht infrage», betont sie mit einer ablehnenden Handbewegung.

Cristina Vonzun leitet Langlauf- und Nordic-Walking-Gruppen.
Cristina Vonzun leitet Langlauf- und Nordic-Walking-Gruppen.

Die Tessinerin nutzt ihre Freiheit, macht fünfmal wöchentlich Sport: Langlauf, Joggen, Bergwandern. An Winter-Wochenenden führt sie Langlaufgruppen für Behinderte an und am Montagabend leitet sie einen Nordic-Walking-Kurs.

Direktorin, Theologin, Sportleiterin

Gespräch unter Leitenden der Katholischen Medienzentren: Cristina Vonzun und Bernard Litzler
Gespräch unter Leitenden der Katholischen Medienzentren: Cristina Vonzun und Bernard Litzler
Cristina Vonzun ist Direktorin des Katholischen Medienzentrums von Lugano. Dieses publiziert Fernseh- und Radiosendungen – in Zusammenarbeit mit RSI, dem Tessiner Zweig von Schweizer Radio und Fernsehen SRF. Und es publiziert Beiträge auf dem Portal catt.ch und für die wöchentliche Beilage der Zeitung «Corriere del Ticino». Zudem unterrichtet Cristina Vonzun Religion an der Kantonalschule von Bellinzona, dies donnerstags.

Sie hat in Lugano Theologie studiert und doktoriert – über den Schweizer Theologen Hans Urs von Balthasar. Zudem hat sie einen Master in Kommunikation gemacht – mit einer Arbeit über die Kommunikation der Schönheit. 

Ehrenamtlich engagiert sie sich für den Behindertensport. Sie ist technische Ausbildnerin der Sportleitenden des Langlaufs für Blinde und Leiterin von Langlauf- und Nordic-Walking-Gruppen. Nun ist sie in der Ausbildung zur Bergwandergruppen-Leiterin. (rp)


Cristina Vonzun vor dem Centro San Giuseppe in Lugano | © Regula Pfeifer
31. Januar 2023 | 05:00
Lesezeit: ca. 6 Min.
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