Pfarrerin Klöti am Pride-Impuls: «Lass uns mehr männlich, mehr weiblich, mehr menschlich werden»
An der Pride Zentralschweiz sind auch die Kirchen dabei. Im Mittagsimpuls «Zwölfnachzwölf» erzählt Pfarrerin Susanne Klöti, dass sich ihre Eltern einen Jungen gewünscht hätten – und sie sich oft fehl am Platz gefühlt habe. Heute sagt sie: «Gott liebt vielfältig.»
Regula Pfeifer
Da und dort setzt sich jemand hin – bis gut eher ältere 20 Personen in der Peterskapelle verteilt auf den queeren Impuls warten. Wobei niemand durch ausgefallene Kleidung auffällt. Jedenfalls nicht so wie jener Mann mit Bart und Minirock über haarigen, stämmigen Beinen, der später mit einer Freundin vor der Peterskapelle vorbeizieht.
In Hose und T-Shirt tritt die reformierte Pfarrerin Susanne Klöti vor die Anwesenden und heisst sie willkommen. In ihrem Impuls in der Pride-Week geht es darum, alle Menschen zu achten.
Mädchen besonderer Art
Die beiden Geigerinnen übernehmen, mit lebendig-fröhlicher Musik. Dann steht Susanne Klöti erneut vorne hin. Sie erzählt ihre persönliche Geschichte. Sie sei die jüngste von drei Töchtern gewesen. Die Eltern hätten sich allerdings einen Knaben gewünscht. «Ich habe gemerkt, dass ich dieses Gefühl immer mit mir herumgetragen habe», sagt Klöti. Als Mädchen passte sie nicht auf den Schulhofplatz. Sie spielte Fussball und Schlagzeug.
Nach einer weiteren Geigeneinlage schlägt die junge Pfarrerin ein Buch auf. «Fantastische Queerwesen. Und wie sie sich finden», heisst es. Daraus liest sie aus dem Beitrag von Vivien Mügge «Sie sind hier falsch». Dieses Gefühl habe sie oft gehabt, sagt Klöti.
Im Text befindet sich eine Person in der Männerabteilung eines Kleiderladens. Und wird von dort weggewiesen, weil sie am falschen Ort sei. Doch die Person findet, wo solle sie denn hin mit ihren breiten Schultern, dem Bizeps und Trizeps und den doch etwas zu gross geratenen Brüsten. Und meint schliesslich: Sie sei hier genau richtig.
«Lass uns mehr männlich, mehr weiblich, mehr menschlich werden», folgert Susanne Klöti daraus. Und schliesst den Impuls: «Gott liebt vielfältig und Gott liebt Mensch.» Sie breitet ihre Arme weit aus und segnet alle Anwesenden.
«Happy Pride», ruft Meinrad Furrer – der katholische Leiter der Peterskapelle – und klatscht laut, die anderen Anwesenden ziehen mit. Während einige die Kapelle verlassen, bleiben drei Frauen über 50 sitzen und tauschen sich aus. «Es war wunderbar, diese Lesung und diese Musikstücke», schwärmt die weisshaarige Frau, die aus Olten angereist ist.
Ihre Gesprächspartnerin fügt an: «So ein Impuls bringt mir etwas für den ganzen Tag.» Sie findet es «grossartig», dass sich Gesellschaft und Kirche so verändert haben, dass Homosexualität heute akzeptiert sei. «Ich finde die Vielfältigkeit gut. Man sollte auf den Menschen schauen, nicht auf dessen sexuelle Richtung», sagt die braungebrannte dritte Frau im Bunde. Alle geben an, nicht queer zu sein. «Ich habe aber queere Freunde. Sie sind gleich wie wir», sagt eine von ihnen.
An der Zentralschweizer Pride sind die Kirchen sind nicht nur mit Mittagsimpulsen präsent, sondern mit weiteren Angeboten – bis hin zum Pride-Umzug (s. Kasten). «Letztes Jahr kritisierten Gruppierungen innerhalb der queeren Community, die Kirche sei zu stark präsent», sagt Meinrad Furrer gegenüber kath.ch. Die Kirche wolle sich vorbildlich geben, verurteile queere Menschen aber im Grunde. «In dieser Spannung stehe ich als katholischer Theologe.»
#CHURCHPRIDE @peterskapelle
Zwölfnachzwölf: In der Luzerner Peterskappelle findet diese Woche jeden Werktagmittag ein spiritueller queerer Mittagsimpuls statt – ökumenisch organisiert. Dies im Vorfeld der Pride, die am Samstag in Luzern stattfindet. Am Freitag wird Mentari Baumann den Impuls gestalten. Die lesbische Katholikin ist Geschäftsführerin der reformorientierten Allianz Gleichwürdig Katholisch. Das Zwölfnachzwölf-Angebot gibt es auch sonst immer – nur bezieht er sich aktuell auf LGBTQ-Themen.
Regenbogenbank: Jeden Nachmittag von 16 bis 18.30 Uhr sitzt eine Seelsorgerin oder ein Seelsorger auf der Regenbogenbank in der Peterskapelle. «Wir haben ein offenes Ohr für Menschen, die mit uns reden möchten», sagt Meinrad Furrer. Die Regenbogenfarben symbolisieren aus seiner Sicht «nicht unbedingt queere Anliegen». Entsprechend der biblischen Arche Noah-Erzählung bedeute der Regenbogen «den Bund, den Gott mit allen Menschen geschlossen hat.»
Infostand der Kirchen: Am Samstag sind die Kirchen und die «Allianz Gleichwürdig Katholisch» von 11 bis 19 Uhr mit einem Infostand am Kurplatz an der Pride präsent.
Pride-Umzug: Am Samstag um 19 Uhr laufen kirchlich Engagierte und Interessierte ab Kurzplatz mit an der Pride durch Luzern.
Pride-Gottesdienst: Am Tag nach der Pride, am Sonntag um 14 Uhr, findet in der Peterskapelle ein ökumenischer Pride-Gottesdienst statt. Die Leitung haben Vroni Stähli (reformiert), Patrick Blickenstorfer (christkatholisch), Meinrad Furrer (katholisch). Der Gottesdienst wird musikalisch begleitet. Tom Muster (voc), Pirmin Lang (p) singen und spielen Ausschnitte aus «Considering Matthew Shepard», einem modernen Oratorium von Craig Hella Johnson. Dieses handelt vom brutalen Mord an einem jungen schwulen Mann in den USA. Die Schweizer Premiere wird das ganze Oratorium erst im November haben, weiss Meinrad Furrer. (rp)
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