Kardinal Jean-Claude Hollerich, Generalrelator der Synode, während der Pressekonferenz zum Abschluss der ersten Phase der Weltsynode am 26. August 2022 im Vatikan.
Vatikan

Ouellet versus Hollerich: Die Spannung steigt

Am zweiten Tag des synodalen Prozesses in Prag werden Spannungen spürbar. Der scheidende Kurienkardinal Ouellet hält eine Predigt, die als Antithese zu Kardinal Hollerichs Predigt vom Montag verstanden wird. Die Luxemburger Delegation reagiert auf einen Polizei-Einsatz vom Montag und ergänzt ihr Statement um ein LGBTQ-Anliegen. Auch die Schweiz wirbt für Inklusion.

Annalena Müller und Raphael Rauch

Am Dienstagmorgen beschwört Kurienkardinal Marc Ouellet die göttliche Ordnung. In seiner Predigt erläutert er die biblische Lehre von Mann und Frau und lehnt anderen Formen romantischer Beziehungen als sündig ab. Dies steht im Kontrast zur Inklusionspredigt des Luxemburger Erzbischofs Jean-Claude Hollerich vom Vortag.

Ouellet gibt das Lehramt wieder

Manche nehmen Ouellets Predigt unbeeindruckt zur Kenntnis. Schliesslich wiederholt er nur, was katholisches Lehramt ist. Andere werten die Predigt als Affront zum synodalen Prozess, der niemanden ausschliessen will.

In Prag eingetroffen: der konservative Kurienkardinal Marc Ouellet.
In Prag eingetroffen: der konservative Kurienkardinal Marc Ouellet.

Besonders bei den Schweizer Online-Delegierten in Wislikofen AG kommt die Predigt nicht gut an. «Die ganze Versammlung basiert auf einem Dokument, das eine radikale Inklusion fordert. Und dann wird in der Predigt die Identität, Lebensentwürfe und Arbeit von queeren Menschen als falsch abgetan», kritisiert die lesbische Katholikin Mentari Baumann im Gespräch mit kath.ch. Felix Terrier, Priester des Bistums Basel, ist überzeugt: «Es ist dringend notwendig, dass die Kirche ihre Haltung ändert.»

Luxemburger Delegation ändert Statement

Auch ein Vorfall vom Montag gibt am Dienstag zu reden. Am Montag hatte der tschechische Missbrauchsbetroffene und LBGTQ-Aktivist Ladislav Koubek Flugblätter an die Synodalen in der Hotel-Lobby verteilt – bis die Polizei kam.

Die Luxemburger Delegation nimmt am Dienstag den Vorfall zum Anlass, ihr Statement anzupassen. Die Delegation, bestehend aus Kardinal Jean-Claude Hollerich, Jean-Louis Zeien, Josiane Mirkes und Sandy Syoen nehmen folgenden Satz zu LGTBQ Menschen auf: «Il faut pas uniquement parler d’eux, mais parler avec eux» – «man sollte nicht nur über sie reden, sondern mit ihnen reden».

Die Spannungen werden sichtbarer

Mit diesem Statement schliessen die Luxemburger nahtlos an Jean-Claude Hollerichs Predigt vom Montag an – und positionieren sich implizit gegen Ouellet.

Renata Asal-Steger (r.) und Simon Spengler  verfolgen als Online-Delegierte von Wislikofen aus das Geschehen in Prag.
Renata Asal-Steger (r.) und Simon Spengler verfolgen als Online-Delegierte von Wislikofen aus das Geschehen in Prag.

Auch in den Arbeitsgruppen am Nachmittag werden die Spannungen sichtbarer. Verschiedene Delegierte rufen zum konstruktiven Umgang auf. Mit am deutlichsten ist das Statement ein weiteres Mal aus Luxemburg. 

«Jesus ist für alle gekommen»

Sandy Syoen sagt, die Kunst der Synodalität liege im Umgang mit Spannungen. Aber auch bei unterschiedlichen Meinungen dürfe man das Gebot der Nächstenliebe nicht vergessen, welches für alle gelte: «Jesus ist für alle gekommen.» Auch für den jungen Mann mit Regenbogenfahne, den Syoen auf dem Weltjugendtag gesehen habe und der beschimpft worden sei. 

Helena Jeppesen (links) und Tatjana Disteli in Prag.
Helena Jeppesen (links) und Tatjana Disteli in Prag.

Tatjana Disteli und Helena Jeppessen betonen im Statement der Schweizer Delegation, der synodale Prozess wünsche sich Inklusion: «Frauen, Jugendliche, queere Menschen, Arme, Flüchtende, Menschen anderer Herkunft, Kranke und Menschen mit Behinderung finden in der Kirche kaum Möglichkeit zur Partizipation.»

Papst Franziskus hat mit Kardinal Hollerich noch viel vor

Die Frage des Umgangs mit alternativen Lebens- und Identitätsformen scheint der erste Stolperstein zwischen den Vertreterinnen und Vertretern der Ortskirche zu sein. Ein anderer ist der Umgang mit Spannungen. Von den einen werden sie als positives Zeichen des fruchtbaren Dialoges empfunden, von anderen als Bedrohung für die Einigkeit der Kirche.

Schwester Luiza Milani verfolgt von Wislikofen aus den synodalen Prozess.
Schwester Luiza Milani verfolgt von Wislikofen aus den synodalen Prozess.

Die Stolpersteine in Europa scheinen vor allem zwischen West und Ost zu stehen. Ergänzt um die Stolpersteine scheidender Kurienkardinäle: Papst Franziskus hat im Januar Ouellets Rücktrittsgesuch angenommen. Mit seinem Jesuiten-Mitbruder Jean-Claude Hollerich, der als Generalrelator eine Art Super-Synodaler ist, dürfte Papst Franziskus hingegen noch viel vorhaben.


Kardinal Jean-Claude Hollerich, Generalrelator der Synode, während der Pressekonferenz zum Abschluss der ersten Phase der Weltsynode am 26. August 2022 im Vatikan. | © KNA
7. Februar 2023 | 19:09
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