Der Tscheche Ladislav Koubek wollte an die Synodalen in Prag Flugblätter verteilen. Nun hat er Hausverbot.
Zitat

Aktivist kritisiert Vertuschung und Homophobie – dann kommt die Polizei

Synodaler Prozess in Prag: «Bitte sorgen Sie dafür, dass die öffentliche Verurteilung von LGBT+ Menschen von der Kanzel keinen Platz mehr in der Kirche hat!» Das fordert der Tscheche Ladislav Koubek von den Synodalen. Er verteilt ein Flugblatt – und erhält von der Polizei Hausverbot. kath.ch veröffentlicht sein Flugblatt in voller Länge.

«Brief an die Europäische Synode

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer der duropäischen Synode,

hören Sie meine Geschichte an:

  1. In meiner Jugend habe ich im kirchlichen Umfeld sehr darunter gelitten, dass ich schwul bin. Im Beichtstuhl erlebte ich von den Priestern absolute Naivität (»Ein christlicher Psychologe wird dich davon heilen») und grausame Verurteilungen (»Ihre Sünden sind schlimmer als vor der Sintflut, und Ihre Strafe wird schlimmer sein als die Sintflut»). Die beste Erfahrung, die ich gemacht habe, war mit Priestern, die so taten, als ob sie nicht hörten, was ich ihnen erzählte. Die Reaktion der Priester, sofern es eine gab, trieb mich zur Verzweiflung. Ihre Reaktion hat mich grausam verletzt. Sie haben mir quasi mitten ins Herz gestochen. Alle Priester müssen so ausgebildet werden, dass sie in der Lage sind, LGBT+ Menschen zu helfen, anstatt sie zu verurteilen. Jede Diözese muss dies sicherstellen!
  2. Immer wieder las ich den Katechismus. Dort erfuhr ich, dass homosexuelle Neigungen objektiv ungeordnet sind (2358) oder dass laut der Tradition homosexuelle Handlungen von Natur aus ungeordnet sind (2357). Dies trieb mich zur Verzweiflung und in meiner Jugend fast in den Suizid. Ich weiss von anderen Menschen, denen es so geht. Diese unbegründeten, falschen und gefährlichen Passagen müssen im Katechismus revidiert werden.
  3. Heute lebe ich mit meinem Freund zusammen und wir haben einen Sohn. Obwohl unser Priester, mein Freund und ich bereits auf ein Taufdatum für unseren Sohn geeinigt hatten, hat der Priester seine Meinung geändert. Ohne mit uns zu sprechen, verurteilte er uns öffentlich von der Kanzel vor der gesamten Gemeinde und unseren Bekannten. Dies geschah in der Tschechischen Republik in der Diözese Brünn im Jahr 2020. Bitte sorgen Sie dafür, dass die öffentliche Verurteilung von LGBT+ Menschen von der Kanzel keinen Platz mehr in der Kirche hat!

Zu all dem kommt hinzu, dass ich selbst in meiner Jugend in der Kirche sexuell missbraucht wurde. Auch ein einen meiner nahen Verwandten wurde sexuell missbraucht. Als ich an Vertreter meiner Kirche 2021 und 2022 herantrat und Informationen über den sexuellen Missbrauch mitteilte, haben sie sich nicht einmal entschuldigt. Sie haben mir zugehört – aber das war’s dann auch schon. Sonst ist noch nichts passiert. So ist die aktuelle Situation in der Tschechischen Republik. Ich sehe es als Ungerechtigkeit, als Blindheit, als Klerikalismus, der in der katholischen Kirche regiert.

Freundinnen und Freunde, bitte:

Tun Sie Ihr Bestes, um diese Ungerechtigkeit zu beenden! Die Lehren der Kirche zu LGBT+ sind nicht zu rechtfertigen und werden eines Tages auf die gleiche Weise betrachtet werden wie die frührere Ansicht, dass schwarze Menschen keine vollwertigen Menschen seine und daher nicht getauft werden können. Dies war auch die Meinung der Theologen im Mittelalter. Das Verhalten der Kirche gegenüber LGBT+ Menschen, aber auch gegenüber den Opfern sexuellen Unrechts, ist ein Unrecht, das zum Himmel schreit.

Bitte,

  1. Erkennen Sie an, dass sexuelle Orientierung angeboren ist. Wie die Synode der deutschen Katholikinnen und Katholiken gefordert hat: Finden Sie den Mut zu sagen, dass die Lehre der Kirche zum Thema LGBT+ unbegründet und falsch ist und dass sie geändert werden muss! Respektieren Sie, dass LGBT+ Menschen das Recht haben, gemäss ihrer Natur zu leben – ohne jemandem zu schaden!
  2. Stellen Sie sicher, dass künftige Priester genügend Informationen über LGBT+, Zölibat und Missbrauch erhalten. In der Tschechischen Republik, insbesondere in Prag, befassen sich angehende Priester während ihrer Ausbildung nicht systematisch mit diesen Themen. Dies ist unverantwortlich.
  3. Fordern Sie Bischöfe, die sexuell straffällig gewordenen Priester nicht von ihrer Tätigkeit entbinden, obwohl sie Informationen über deren Verhalten hatten, zum Rücktritt auf. Behandeln Sie die Opfer fair und sensibel, um ihr Leid nicht noch zu verschlimmern.

Ich danke Ihnen.

Freundliche Grüsse

Ladislav Koubek

Prag, 5. Februar 2023»

Polizisten kommen in die Hotel-Lobby, um Ladislav Koubek des Hotels zu verweisen.
Polizisten kommen in die Hotel-Lobby, um Ladislav Koubek des Hotels zu verweisen.

Der Tscheche Ladislav Koubek wollte dieses Flugblatt in englischer und italienischer Sprache an die Synodalen in Prag verteilen. Er tat das in der Lobby des Tagungshotels. Doch dann kamen sechs bewaffnete Polizisten – und erteilten ihm Hausverbot. (Übersetzung: Annalena Müller)


Der Tscheche Ladislav Koubek wollte an die Synodalen in Prag Flugblätter verteilen. Nun hat er Hausverbot. | © Annalena Müller
6. Februar 2023 | 19:43
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