Festivaldirektor Michel Rappaport
Schweiz

Michel Rappaport: «Das Gemeinsame stärken und zusammenfinden»

Die jüdischen Filmtage «Yesh!» fanden früher immer im März statt. Die nächste Ausgabe – mit der das zehnjährige Bestehen der Filmtage begangen wird – ist nun vom 7. bis zum 14. November 2024 geplant. Mit dem jüngsten antisemitischen Vorfall in Zürich habe dieser Entscheid jedoch nichts zu tun, so Festivaldirektor Michel Rappaport.

Sarah Stutte

Wer diese Tage auf die Webseite des einzigen Schweizer Festivals mit Fokus auf die jüdische Filmwelt geht und nach dem diesjährigen Veranstaltungsdatum suchte, wurde nicht fündig. Fand dieses nicht immer im März statt?

Das jüdische Filmfestival Yesh! findet seit Jahren in Zürich statt.
Das jüdische Filmfestival Yesh! findet seit Jahren in Zürich statt.

Ja, bis 2021. Doch dann machte Covid der Festivalplanung einen Strich durch die Rechnung. Das «Yesh!» wurde daraufhin vom März in den Juni geschoben, um das Festival nicht absagen zu müssen. Die nächsten drei Jahre blieben die Veranstalter bei der Terminierung im Sommer, die jedoch aufgrund der hohen Temperaturen nicht wirklich kinofördernd war.

Vom Sommer in den Winter

«Wir wollten deshalb die jüdischen Filmtage wieder in unserem ursprünglichen Winterzeitraum ausrichten. Mit der Absicht, ein verstärktes Publikumsinteresse zu generieren», sagt Festivaldirektor Michel Rappaport.

Logo Filmfestival "Yesh!"
Logo Filmfestival "Yesh!"

Aus diesem Grund finden nun die nächsten «Yesh!»-Filmtage – die gleichzeitig das zehnjährige Jubiläum des Festivals markieren – im November statt. «Mit dem längerfristigen Ziel, wieder im März zu landen», so Rappaport. Dieser Entscheid sei schon früh gefallen und unabhängig von der aktuellen politischen Situation, dem neuerlichen Kriegsausbruch zwischen Israel und Palästina.

Thema Antisemitismus stärker herausschälen

«Das Festival im März oder im Juni durchzuführen, wäre aber auch nicht vorstellbar gewesen, so kurz nach dem 7. Oktober. Auch deshalb, weil wir da alle noch unter Schock standen», erklärt Michel Rappaport. Derzeit stünden Überlegungen im Raum, noch fokussierter auf den Nahostkonflikt im Rahmen der diesjährigen Jubiläumsausgabe einzugehen.

Bekenntnis zu Israel und gegen Antisemitismus
Bekenntnis zu Israel und gegen Antisemitismus

«Auch das Thema Antisemitismus haben wir immer wieder behandelt, aber vielleicht sollten wir es, wie den Konflikt, auch noch stärker herausschälen. Denn ich selbst nehme wahr, dass die Menschen einen grossen Bedarf an Informationen verspüren und wir haben an den Filmtagen die Möglichkeit, breit zu informieren», erklärt Michel Rappaport. Besonders Filmvorführungen mit anschliessenden Gesprächen und Podiumsveranstaltungen zu ausgewählten Filmen am «Yesh!» würden sich anbieten, tiefer in diese Themen einzutauchen.

Sicherheit verstärken

Angesichts des jüngsten antisemitischen Vorfalls in Zürich ist die Förderung des Dialogs zwischen jüdischen und muslimischen Gemeinschaften wichtiger denn je. Am Abend des 2. März wurde ein 50-jähriger orthodoxer Jude, der gerade aus der Synagoge kam, auf offener Strasse im Zürcher Kreis 2 niedergestochen und dabei schwer verletzt. Dies von einem 15-jährigen Schweizer mit tunesischen Wurzeln.

Mehrere hundert Personen versammelten sich an der Kundgebung gegen Antisemitismus auf dem Lindenhof ZH.
Mehrere hundert Personen versammelten sich an der Kundgebung gegen Antisemitismus auf dem Lindenhof ZH.

In einem Video bekannte sich der junge Täter zum Islamischen Staat und sprach davon, dass es seine muslimische Pflicht sei, Juden, Christen und andere Ungläubige zu töten. Ob sich die Festivalleitung hinsichtlich dieses brutalen Angriffs überlege, die Sicherheitsvorkehrungen noch zu erhöhen? «Wir haben bisher immer Sicherheitsleute vor Ort gehabt. Wir werden die Situation im November neu beurteilen und allenfalls unser Dispositiv anpassen.», so Michel Rappaport.

Nicht nur Lippenbekenntnisse

Der Festivaldirektor sehe aber die Messerattacke in Zürich als Tat einer Einzelperson an und fühle sich nicht direkt bedroht. «Der Vorfall hat aber aufgeschreckt. Doch in der Politik geht es vor allem darum, sich mit verschiedenen Statements zu positionieren. Die Frage ist, was passiert schlussendlich? Es ist wichtig, dass das nicht nur Lippenbekenntnisse bleiben. Die Präventionsarbeit mit Jugendlichen sollte allgemein intensiviert werden, um sie auch dazu zu befähigen, den Inhalt von Social Media kritisch zu hinterfragen», fordert Michel Rappaport.

Plakat der GRA, Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus
Plakat der GRA, Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus

Er fand es schön, «dass die muslimischen Organisationen direkt Stellung bezogen und sich von diesem antisemitischen Angriff distanziert haben». «Uns geht es nicht um Spaltung, sondern darum, das Gemeinsame zu stärken und zusammenzufinden», erklärt er.

Junge Menschen sensibilisieren

Deshalb sei dem «Yesh!» die Aufklärung ein grosses Anliegen. «In Zusammenarbeit mit Kanton und Stadt Zürich bieten wir seit jeher Schulvorstellungen an, um junge Menschen für Ausgrenzung, Rassismus und Antisemitismus zu sensibilisieren. Darin liegt unsere Kernaufgabe – mittels Film breit über die vielfältigen Aspekte jüdischer Kultur, Geschichte und Religion zu informieren».

Kinder studieren heilige Schriften und Kultgegenstände von Muslimen, Juden und Christen
Kinder studieren heilige Schriften und Kultgegenstände von Muslimen, Juden und Christen

Ob er sich vorstellen könne, die muslimischen Organisationen mit ins Boot zu holen, um am Festival im November miteinander Gespräche zu führen? «Das ist durchaus denkbar. Es gibt Überlegungen, mit verschiedensten Persönlichkeiten auch kontroverse Diskussionen zu führen. Das ist in unserem Sinn. Wir stehen aber zurzeit erst am Anfang der Planungsphase».

Das nächste «Yesh!» – die Jubiläumsausgabe – findet vom 7. bis zum 14. November in den Kinos Houdini, Riffraff und Arthouse Le Paris in Zürich statt.

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Festivaldirektor Michel Rappaport | © Sarah Stutte
13. März 2024 | 17:30
Lesezeit: ca. 3 Min.
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