Raphael Rauch
Kommentar

Mea culpa, Monika Schmid!

Kann man als Redaktionsleiter journalistisch alles richtig machen – und doch danebenliegen? Die Berichterstattung über Monika Schmids Konzelebration zeigt: Ja. Es war ein Fehler, das Framing vom «liturgischen Missbrauch» nicht sofort zu hinterfragen. Ein Kommentar des kath.ch-Redaktionsleiters.

Raphael Rauch

Die Kirche ist Expertin für Realitätsverweigerung. Die Schweiz lebt im Jahr 2022, doch die meisten Bischöfe wollen diese Wirklichkeit nicht akzeptieren. Entweder sie wollen nicht handeln oder sie können nicht handeln. Das führt dazu, dass mutige Katholikinnen und Katholiken vorwärts gehen – und einfach machen.

Kreative Hochgebete gibt’s auch in Basel und St. Gallen

Etwa Menschen wie Monika Schmid. 37 Jahre lang hat sie in Effretikon ein Gemeindeleben aufgebaut, das Propst Martin Werlen als Perle und Oase beschreibt. Das hängt auch mit Monika Schmids Offenheit und Authentizität zu tun.

Monika Schmid während ihres Abschiedsgottesdienstes.
Monika Schmid während ihres Abschiedsgottesdienstes.

In der Kirche ist viel möglich, solange es geheim bleibt: Priester können Kinder, Partnerinnen und Partner haben – solange es im Verborgenen bleibt. Das gilt auch für die Rolle von Nicht-Geweihten. Kreative Hochgebete, die von allen im Altarraum mitgesprochen werden, gibt es auch ausserhalb von Effretikon, etwa im Bistum St. Gallen und im Bistum Basel.

Monika Schmids Hochgebet geht auf YouTube viral

Und trotzdem: Eine Frau, die auch öffentlich konzelebriert, ist im deutschsprachigen Raum bislang einzigartig. Das war auch der Grund, warum Monika Schmids Abschied für uns kein Lokaltermin war, sondern ein Anlass von nationaler Dimension.

Monika Schmid ist aus katholischer Sicht eine Person des öffentlichen Interesses. Sie zählt zu den bekanntesten Frauen der katholischen Kirche. Sie hat einen Machtkampf gegen Bischof Vitus Huonder gewonnen. Und das Video, das sie am Altar zeigt, findet auf YouTube viele Zuschauende.

Monika Schmid ist Medienprofi

Als Journalist hat man die Aufgabe, zu sagen, was ist. Die Redaktion von kath.ch hat weder einen pastoralen noch einen kirchenpolitischen Auftrag. Natürlich müssen wir medienethisch die Konsequenzen unseres Handelns erwägen. Aber es ist nicht unsere Aufgabe, Dinge zu verschweigen, nur weil sie dem Bischof von Chur nicht gefallen könnten. 

Auch müssen wir unsere Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner nur dann vor sich selbst schützen, wenn sie nicht wissen, was sie tun. Aber Monika Schmid ist Medienprofi. Sie hat jahrelange die Öffentlichkeit gesucht – und umgekehrt.

Orthodoxe Aussagen von Hans-Jürgen Feulner

Dennoch ist kath.ch mit der Berichterstattung rund um Monika Schmid unter seinem Potential geblieben. Es war richtig, der Frage nachzugehen, was die Liturgiewissenschaft zu Monika Schmids Konzelebration sagt. Kaum einer versteht, was eine Simulation oder ein Interdikt ist.

Monika Schmids Abschiedsgottesdienst in Effretikon.
Monika Schmids Abschiedsgottesdienst in Effretikon.

Und trotzdem wäre es besser gewesen, die Aussagen von Hans-Jürgen Feulner einzuordnen. Als eher orthodoxe Stimme der Liturgiewissenschaft, nicht als alleingültige.

Ist Nichts-Tun besser als offen darüber zu sprechen?

Gerne hätten wir Gunda Brüske, Brigit Jeggle-Merz, Martin Klöckener, Peter Spichtig oder andere Expertinnen und Experten der Schweizer Liturgiewissenschaft zu diesem Thema befragt. Sie hätten viel zur liturgischen Vielfalt in der Schweiz zu sagen – doch die Angefragten standen kath.ch nicht zur Verfügung. 

Eine Bohnenstange als Hirtenstab: Monika Schmid bei ihrem Abschiedsgottesdienst.
Eine Bohnenstange als Hirtenstab: Monika Schmid bei ihrem Abschiedsgottesdienst.

Aus langjähriger Erfahrung wissen wir, dass das Thema heikel ist. Soll darum das Thema in der Öffentlichkeit nicht verhandelt werden? Ist Nichts-Tun besser als offen darüber zu sprechen?

Auch die anderen Konzelebrierenden hätten zu Wort kommen sollen

Auch das gehört zu unserem journalistischen Alltag: Die Schweizer Liturgiewissenschaft ist zwar hochdotiert, fällt aber nicht mit pointierten Gastbeiträgen auf. Das theologische Feuilleton der NZZ dominieren Martin Grichting und Jan-Heiner Tück. Es sind Kirchenrechtler und Dogmatiker, die sich in der Öffentlichkeit profilieren.

Felix Hunger, Josef Regli, Monika Schmid (barfuss) und Stefan Arnold am Abschiedsgottesdienst von Monika Schmid.
Felix Hunger, Josef Regli, Monika Schmid (barfuss) und Stefan Arnold am Abschiedsgottesdienst von Monika Schmid.

Es war ein Fehler von kath.ch, das Framing vom «liturgischen Missbrauch» nicht sofort zu hinterfragen. Dass der Missbrauchsbeauftragte der Schweizer Bischofskonferenz, Bischof Joseph Bonnemain, diesen Begriff einfach übernimmt, hätten wir nicht unkommentiert lassen dürfen. Und auch wenn Monika Schmid im Zentrum steht, hätten die anderen Konzelebrierenden und der Hauptzelebrant zu Wort kommen sollen.

Sich nicht mit einer Sache gemein machen

Doch Journalismus ist nicht perfekt. Wir sind eine lernende Organisation und haben diesen Fehler schnell korrigiert, indem wir Karin Iten, die Präventionsbeauftragte des Bistums Chur, zu Wort kommen liessen. Zudem hat Erwin Koller Hans-Jürgen Feulners Perspektive relativiert. Mit Martin Werlens Vermittlungsangebot leistet kath.ch einen konstruktiven Beitrag zur Verständigungsorientierung. Monika Schmid hat definitiv keinen «liturgischen Missbrauch» begangen.

Monika Schmid beim Abschiedsgottesdienst in Effretikon
Monika Schmid beim Abschiedsgottesdienst in Effretikon

Eine Grundregel im Journalismus lautet, sich nicht gemein zu machen «mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache». Das bedeutet auch, keine Angst zu haben. Mir war bewusst, dass Monika Schmids Konzelebration Sprengkraft hat, die im schlimmsten Falle die gewonnenen Freiheiten in der pastoralen Landschaft der Schweiz zunichtemachen könnte. Aber nur, wenn man der klerikalen Logik folgt. 

kath.ch steht für Fairness

Manche befürchten, dass ihnen aufgrund der Berichterstattung Einschränkungen in ihrer Seelsorgearbeit drohen. Diese Befürchtung ist leider berechtigt. Eine Seelsorgerin im Bistum Basel, die bislang ganz selbstverständlich am Altar das Hochgebet mitsprach, durfte das vergangenen Sonntag nicht mehr. Wie wäre es mit pastoralem Ungehorsam?

Von links Sarah Paciarelli (Frauenbund), Monika Schmid und Bischof Joseph Bonnemain.
Von links Sarah Paciarelli (Frauenbund), Monika Schmid und Bischof Joseph Bonnemain.

kath.ch hat den Anspruch, katholisch, aktuell und relevant zu sein. Ich freue mich über die lebendige Diskussion, die nun in der Kirche entfacht ist und die dringend nötig ist. Wir stehen für einen kritischen kirchlichen Journalismus, aber auch für Fairness.


Raphael Rauch | © Elisabeth Real
9. September 2022 | 11:41
Lesezeit: ca. 4 Min.
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