Erwin Koller in der Luzerner Jesuitenkirche
Kommentar

«Klerikal verengter Blick»: Erwin Koller kritisiert Hans-Jürgen Feulner

Der Liturgie-Professor Hans-Jürgen Feulner hat Monika Schmids Konzelebration kritisiert. Nun antwortet ihm der Theologe Erwin Koller. Der Professor solle Schmid nach Wien einladen: «Sie wird Ihnen und Ihren Studierenden eine Menge kluger Hinweise geben, wie man aus der Sonntagspflicht ein Sonntagsfest macht.»

Erwin Koller*

Lieber Hans-Jürgen Feulner

Sie haben Bilder vom Abschiedsgottesdienst von Monika Schmid in der Pfarrei Effretikon gesehen und ziehen im Interview mit kath.ch auf Grund von Paragraphen zur Liturgie und aus dem Kirchenrecht den alarmistischen Schluss: «Das ist Missbrauch. Der Ortsbischof muss unbedingt einschreiten» (was er inzwischen auch angekündigt hat).

Die Gläubigen haben der Liturgie zugestimmt

Ich habe an diesem Gottesdienst persönlich teilgenommen und kann aus eigener Anschauung urteilen. Erlebt habe ich – wie schon oft in den vergangenen Jahren – einen tief spirituellen und bewegenden Gottesdienst, ebenso ernsthaft wie heiter, mit fünf Persönlichkeiten an Ambo und Altar, an deren Glaube und Katholizität niemand zweifeln kann, und mit einer überfüllten Kirche, die aktiv und vielfältig mitwirkt an einer Liturgie, wie man sie sich überzeugender kaum vorstellen kann. 

Monika Schmid während ihres Abschiedsgottesdienstes.
Monika Schmid während ihres Abschiedsgottesdienstes.

Beim anschliessenden Mittagessen der ganzen Pfarrei habe ich niemanden gehört, der auch nur das kleinste Detail auszusetzen hatte. Die Gläubigen haben also das von Ihnen genannte «einklagbare Recht» auf eine ordentliche Liturgie wahrgenommen und der Liturgie zugestimmt.

Stille Ahnung und grosse Ehrfurcht vor Gott

Und das soll Missbrauch sein?! Mit welchem Recht nehmen Sie sich heraus, über so eine Pfarrei Unfrieden und Streit zu säen? Wie können Sie Menschen abqualifizieren, die die seltene Fähigkeit besitzen, Jung bis Alt eine stille Ahnung und grosse Ehrfurcht vor Gott zu vermitteln? Meinen Sie wirklich, dass Sie mit Verboten und Strafen eine bessere Kirche herbeizwingen können?

Monika Schmid, Fulbert Steffensky und Erwin Koller an einer Tagung 2015 in Luzern.
Monika Schmid, Fulbert Steffensky und Erwin Koller an einer Tagung 2015 in Luzern.

Herr Feulner, wenn da jemand Missbrauch betreibt, dann sind Sie es mit Ihrem Urteil ganz aus der Ferne, von oben herab und ohne Erfahrung vor Ort. Ich bin entsetzt! Sie stützen sich auf Paragraphen einer nun schon seit Jahrzehnten wegen Missbrauchs der besonderen Klasse höchst beschädigten Autorität.

Liturgie ist auch nicht im Besitz der Liturgiker

Sie schreiben: «Die Liturgie ist niemals Privatbesitz von irgendjemandem, weder der Zelebranten noch der Gemeinde.» Ja, aber dann kann sie auch nicht im Besitz der Liturgiker sein!

Die St. Martinskirche war voll besetzt.
Die St. Martinskirche war voll besetzt.

Ich möchte mir wünschen, dass Sie Monika Schmid einmal an Ihre Universität in Wien einladen. Sie wird Ihnen und Ihren Studierenden eine Menge kluger Hinweise geben, wie man aus der Sonntagspflicht ein Sonntagsfest macht. Und sie wird Ihren klerikal verengten Blick öffnen für die Weite unserer katholischen Tradition.

Die ganze Gemeinde konzelebriert

Etwa indem sie an jene frühmittelalterliche Sentenz erinnert, die Jean-Marie Tillard OP, ein international renommierter Ökumeniker aus Kanada, in seinen Vorlesungen immer wieder zitiert hat und die allein dem allgemeinen Priestertum der Gläubigen Sinn verleiht: «Tota communio concelebrat. – Die ganze Gemeinde konzelebriert.» 

Uster, 4. September 2022

Erwin Koller

* Der promovierte Theologe Erwin Koller war erst Priester, bis er heiratete und dann zum Schweizer Fernsehen wechselte. Dort leitete er von 1979 bis 2002 die Religionsredaktion. 


Erwin Koller in der Luzerner Jesuitenkirche | © Seraina Boner
4. September 2022 | 10:52
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