Monika Schmid (links) und Charlotte Küng-Bless
Rauchzeichen

Liturgie-Brief, Dreikönigs-Apéro, Georg Gänswein: Was diese Woche wichtig wird

Kaum ist Benedikt XVI. zu Grabe getragen, gibt’s den nächsten Aufreger: Der Liturgie-Brief der Deutschschweizer Bischöfe wird von Kardinal Koch als Ermutigung verstanden – von der Basis indes als Rüffel. Mit Spannung wird der Auftritt der Bischöfe Bonnemain und Gmür beim Dreikönigs-Apéro erwartet. Diese Woche erscheint Georg Gänsweins Enthüllungsbuch.

Raphael Rauch

Ermutigung oder Rüffel, das ist hier die Frage: Die Schweiz debattiert seit dem Dreikönigstag über einen Liturgie-Brief der Bischöfe von Basel, Chur und St. Gallen.

Ausgerechnet am Tag des Papst-Requiems

Wer dachte, nach der Beerdigung von Benedikt XVI. stünden ruhige Tage bevor, sieht sich getäuscht. In der Deutschschweiz kocht es wie schon lange nicht mehr. Ausgerechnet am Tag des Requiems von Benedikt XVI. verschickten die Bischöfe Felix Gmür, Joseph Bonnemain und Markus Büchel einen zweiseitigen Brief.

Bischof Felix Gmür
Bischof Felix Gmür

Die Botschaft: Bitte haltet euch an die liturgischen Regeln! Denn: «Die Gläubigen haben ein Recht auf Gottesdienste, die den Regeln und Formen der Kirche folgen», heisst es in dem Schreiben

«Eigene Rituale können sehr berührend sein»

Die Bischöfe denken dabei besonders an die Eucharistiefeier und das Sakrament der Krankensalbung – beide Sakramente können nur von Priestern gespendet werden. Hintergrund des Briefes sind zwei Vorfälle im Jahr 2022. Im August wurde die Seelsorgerin Monika Schmid in den Ruhestand verabschiedet. 

Die liberale Theologin hatte im Vorfeld angekündigt, beim Abschlussgottesdienst zu konzelebrieren. Schliesslich habe sie auch in der Vergangenheit immer wieder Messen gefeiert. «Bei uns ist es normal geworden», sagte sie im Vorfeld im Interview mit dem «Landboten»: «Jemand von aussen fragt sich vielleicht, ob ich dazu die Erlaubnis habe. Ich frage nicht mehr danach, ich versuche, das umzusetzen, was ich von Jesus verstanden habe. Er sagt: Tut dies zu meinem Andenken. Eigene Rituale können sehr berührend sein.»

Joseph Bonnemain nimmt seine Mitbrüder in die Pflicht

Der zweite Vorfall betrifft das Bistum St. Gallen. Im Schweizer Fernsehen gestand die Theologin Charlotte Küng-Bless, schon einmal gegen das Kirchenrecht verstossen zu haben. Gestern legte sie gegenüber kath.ch nach und sagte, im Bistum Basel mehrmals konzelebriert zu haben – auf Einladung von Priestern.

Erfreulich an dem Brief ist der Schulterschluss zwischen den drei Deutschschweizer Bischöfen. Unter Vitus Huonder wäre ein gemeinsames Schreiben nicht möglich gewesen. Bischof Joseph Bonnemain, wegen der kanonischen Voruntersuchung gegen Monika Schmid und dem problematischen Wording «liturgischer Missbrauch» stark unter Druck, bekommt von seinen Seelsorgenden immer wieder zu hören: Warum dürfen wir nicht das machen, was in Basel und St. Gallen toleriert wird? Insofern war es von Bonnemain ein kluger Schachzug, seine Mitbrüder ins Boot zu nehmen. 

Rita Famos schaltet sich in die Debatte ein

In den Streit hat sich auch die oberste Reformierte der Schweiz eingeschaltet, Rita Famos. Normalerweise gilt in der Schweizer Ökumene die Regel, dass sich Reformierte nicht in innerkatholische Probleme einmischen – und umgekehrt.

Rita Famos beim Weltkirchenrat in Karlsruhe.
Rita Famos beim Weltkirchenrat in Karlsruhe.

Da sich die Bischöfe in ihrem Brief allerdings auf einen «ökumenischen Konsens» berufen, wonach es für das Hochgebet eine Ordination brauche, antwortete Rita Famos: «Nirgendwo wird patriarchaler Klerikalismus sichtbarer als in der römisch-katholischen Liturgie.» Und: «Ja, fast alle Kirchen verlangen zum Vorsitz von Abendmahl und Eucharistie eine Ordination / Priesterweihe.» Allerdings gewährten eine Mehrheit der Kirchen der Reformation und die altkatholische Kirche diese auch den Frauen.

Auf Zeigefinger von oben reagiert die Basis allergisch

Unterdessen erhalten die Schweizer Bischöfe Rückenwind aus Rom. Der Schweizer Kurienkardinal Kurt Koch, der von 1995 bis 2010 Bischof von Basel war, will den Brief seiner Mitbrüder nicht als «Rüffel-Brief» verstanden wissen: «Die Deutschschweizer Bischöfe haben Essentials des katholischen Glaubens in Erinnerung gerufen. Das ist ihr Recht und ihre Pflicht; und sie haben dies in einer sensiblen Weise getan», äusserte er sich gegenüber kath.ch.

Kurt Koch war früher Bischof von Basel – heute ist er Kurienkardinal.
Kurt Koch war früher Bischof von Basel – heute ist er Kurienkardinal.

Auf Zeigefinger von oben reagiert die Basis jedoch meistens allergisch. So manche Katholikinnen und Katholiken prophezeien, dass die Bischöfe mit ihrem Schreiben das Gegenteil erreichen könnten, was sie eigentlich wollten. Ex-Dekan Marcel von Holzen legt heute Morgen auf kath.ch nach: Neuerdings lässt er Nicht-Priester Teile des Hochgebets sprechen.

Wo bleiben die lebensnahen, authentischen Gottesdienste?

Und die «Allianz Gleichwürdig Katholisch» verschickt einen Offenen Brief, der es in sich hat. Sie hinterfragt das Postulat der Bischöfe, wonach die Gläubigen «ein Recht auf Gottesdienste» hätten, «die den Regeln und Formen der Kirche folgen». Konkret fragt die Allianz: «Woher wissen Sie, dass für die Gläubigen ein solches Recht derart von Bedeutung ist? Die grosse Mehrheit der Menschen, die in der Schweiz an der synodalen Befragung teilgenommen haben, fordert es nicht ein. Was sie hingegen einfordern, sind lebensnahe, authentische Gottesdienste, in einer Sprache, die berührt, wärmt und hoffen lässt.» Touché!

Mentari Baumann (Mitte) an einem Treffen der Allianz Gleichwürdig Katholisch.
Mentari Baumann (Mitte) an einem Treffen der Allianz Gleichwürdig Katholisch.

Als Zwischenfazit eignet sich der Facebook-Kommentar von Daniel Kosch, bis vor kurzem Generalsekretär der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ): «Einmal mehr macht sich der Mangel an synodalen Gefässen in der Schweizer Kirche bemerkbar: Was alle angeht, soll von allen beraten und entschieden werden. Wäre dieses Votum synodal zustande gekommen, hätte es wohl einen anderen Ton – vor allem aber stünde dann eine Aufforderung zur Loyalität auf einem tragfähigen Fundament.»

Patti Basler dürfte den Bischöfen Contra geben

Wobei hinzuzufügen ist: Es fehlen nicht nur synodale Gefässe, sondern auch Management-Kenntnisse in den Bischofsräten. Einen Leadership-Blick auf den Rüffel-Brief finden Sie hier. Dem Vernehmen nach war der Rüffel-Brief eine weitgehend einsame Top-down-Entscheidung. Im Bistum Basel sollen weder die Räte noch die regionalen Verantwortlichen darüber informiert gewesen sein. Vielleicht fliegt Bischof Joseph Bonnemain mit seinen Mitbrüdern bald nach Barcelona zu seinen Opus-Dei-Mitbrüdern. Die betreiben dort die Elite-Uni «IESE Business School». Da gibt’s auch Kurse à la Leadership für Anfänger!

Patti Basler spricht über ihren Glauben und die katholische Kirche.
Patti Basler spricht über ihren Glauben und die katholische Kirche.

Es gibt jedenfalls viel Gesprächsstoff, wenn morgen Abend die Paulus-Akademie und das Katholische Medienzentrum zum Dreikönigsapéro einladen. Mit dabei: die Brieffreunde Bischof Joseph Bonnemain und Bischof Felix Gmür. Ebenso angemeldet sind der Abt von Einsiedeln, Urban Federer, und zwei Delegierte für die europäische Kontinentalsynode des synodalen Prozesses, Helena Jeppesen und Tatjana Disteli. Auf die Eindrücke der katholischen Comedian Patti Basler freue ich mich jetzt schon.

Georg Gänswein – ein zutiefst gekränkter Mann

Mit Spannung wird diese Woche auch das Buch von Georg Gänswein erwartet. Im italienischen hat es den Titel, den einst Dieter Bohlen für seine Autobiographie wählte: «Nichts als die Wahrheit». Vorab haben italienische Zeitungen die wohl spannendste Passage veröffentlicht: über Gänsweins Degradierung im Jahr 2020 – die er nach wie vor als massive Demütigung empfindet. Aber es kommt noch besser: Laut Georg Gänswein hat Franziskus zu ihm gesagt, ihm würden Demütigungen guttun. Der Führungsstil scheint nicht nur bei den Schweizer Bischöfen, sondern auch beim Bischof von Rom noch Luft nach oben zu haben.

Erzbischof Georg Gänswein (l.), Präfekt des Päpstlichen Hauses, küsst die Hand des aufgebahrten Leichnams von Benedikt XVI.
Erzbischof Georg Gänswein (l.), Präfekt des Päpstlichen Hauses, küsst die Hand des aufgebahrten Leichnams von Benedikt XVI.

Aus Schweizer Sicht ist das Buch nur halbspannend. Neue Enthüllungen zur Causa Küng habe ich gestern beim Überfliegen nicht entdeckt. Die Schweizergardisten spielen nur am Rande eine Rolle. Die Kontroverse rund um Benedikts umstrittenen Judentum-Aufsatz, die unter anderem zwischen Kurt Koch und Christian Rutishauser ausgetragen wurde, bleibt unerwähnt. Wolfgang Haas, Vitus Huonder oder Kardinal Schwery spielen in dem Buch ebenfalls keine Rolle. Hans Urs von Balthasar wird nur einmal erwähnt. Wir werden berichten.

Einen guten Start ins neue Jahr und in die neue Woche wünscht Ihnen

Ihr

Raphael Rauch


Monika Schmid (links) und Charlotte Küng-Bless | © Sarah Paciarelli/SKF
9. Januar 2023 | 12:26
Lesezeit: ca. 5 Min.
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