Der russische Patriarch Kyrill in der Osternacht.
Schweiz

Kyrill ausschliessen? Beim Weltkirchenrat liegt bislang kein Antrag vor

In zwei Wochen tagt in Genf der Zentralausschuss des Weltkirchenrats. Auch Vertreter der russisch-orthodoxen Kirche werden erwartet. Ein Ausschluss der putintreuen Kirche ist unwahrscheinlich: Bislang liegt kein entsprechender Antrag vor.

Raphael Rauch

Der Zentralausschuss des Weltkirchenrats tagt vom 15. bis 18. Juni in Genf. Stand heute kann sich Patriarch Kyrill zurücklehnen: «Im Moment liegt uns kein offizieller Antrag unserer Mitgliedskirchen vor, die Mitgliedschaft der russisch-orthodoxen Kirche auszusetzen», sagt ÖRK-Sprecherin Marianne Ejdersten am Freitag zu kath.ch. Es gebe viele Äusserungen in den Medien. Doch die stammten vor allem von «Kirchenleitern im Ruhestand oder von Netzwerken», sagt Ejdersten.

Rita Famos schreibt dem Weltkirchenrat

Serge Fornerod ist bei der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz für Aussenbeziehungen und Ökumene zuständig. Er wird die EKS in zwei Wochen in Genf vertreten.

Wladimir Putin bekreuzigt sich in der Osternacht 2022.
Wladimir Putin bekreuzigt sich in der Osternacht 2022.

«Die EKS hat seit Beginn des Kriegs an Patriarch Kyrill appelliert, seine Rolle als Friedensstifter wahrzunehmen», betont Dominic Wägli. So habe die EKS an den Weltkirchenrat einen Brief geschrieben

«Keine christliche Legitimation für diesen Krieg»

Darin regte EKS-Präsidentin Rita Famos an, der Weltkirchenrat könne – ähnlich wie die Schweizer Diplomatie – «gute Dienste» anbieten, um zwischen den Konfliktparteien zu vermitteln. An einer nationalen Friedenskundgebung in Bern sagte Rita Famos Anfang April an Patriarch Kyrill gerichtet: «Zeigen Sie Präsident Putin auf, dass es keine christliche Legitimation gibt für diesen Krieg!»

Rita Famos an einer Friedensdemo in Bern.
Rita Famos an einer Friedensdemo in Bern.

In den letzten Wochen war von verschiedenen Protestantinnen und Protestanten die Forderung erhoben worden, die russisch-orthodoxe Kirche aus dem Weltkirchenrat auszuschliessen. 

Michel Müller sagt der russisch-orthodoxen Kirche den Kampf an

Diese Haltung vertritt etwa Michel Müller, der Präsident der Zürcher Landeskirche. «Die Haltung zur russisch-orthodoxen Kirche war auch an der Synode der Tessiner Kirche vom 14. Mai ein Thema. Stand heute sind keine weiteren Vorstösse von Mitgliedskirchen in dieser Richtung ergangen», sagt Dominic Wägli.

Michel Müller
Michel Müller

Die EKS wird sich nächste Woche anlässlich der Junisynode vom 12. bis 14. Juni in Sitten mit einem Antrag auseinandersetzen. Dieser fordert zu prüfen, ob die russisch-orthodoxe Kirche nicht suspendiert werden könne. Ob die Motion eine Mehrheit findet, ist fraglich. Nach Informationen von kath.ch gibt es auch viele reformierte Stimmen, die finden: Gerade in Krisenzeiten müssten die Kirchen Gesprächskanäle offen halten.

Ein Ausschlussverfahren würde lange dauern

Auch gilt es als unwahrscheinlich, dass die Schweizer Reformierten auf Weltebene mit ihrem Vorstoss etwas erreichen würden. «Der ÖRK hat 352 Mitgliedskirchen in 120 Ländern, die 580 Millionen Christen vertreten. Die Befugnis, die Mitgliedschaft im ÖRK auszusetzen, liegt beim Zentralausschuss», sagt ÖRK-Sprecherin Marianne Ejdersten zu kath.ch. Entsprechende Verfahren würden mehrere Jahre in Anspruch nehmen.

Marianne Ejdersten
Marianne Ejdersten

Nichts deutet in Genf momentan darauf hin, dass ein Ausschluss der russisch-orthodoxen Kirche anstehe. «Wir glauben an den Dialog», betonte ÖRK-Sprecherin Marianne Ejdersten im März. «Dialog ist die Grundlage für die Gemeinschaft der Kirchen.» Es gehe darum, sich gemeinsam für eine bessere Welt einzusetzen, wozu auch «Menschenrechte, Menschenwürde und das Völkerrecht» gehörten.


Der russische Patriarch Kyrill in der Osternacht. | © Keystone
3. Juni 2022 | 16:34
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