Julia Moreno ist die Kommunikationsverantwortliche der Schweizer Bischofskonferenz.
Schweiz

Kommunikation ohne Landeskirchen und Verbände: Diözesen schotten sich ab

Die Schweizer Bischofskonferenz und die Diözesen haben ein Kommunikationsnetzwerk gegründet: COMDIO. Es soll die Aufgaben der aufgelösten Medienkommission übernehmen. Informationen über das Netzwerk fliessen nur spärlich. RKZ, Landeskirchen und katholische Verbände reagieren irritiert: Sie sind nicht vertreten.

Annalena Müller

Die Schweizer Bischofskonferenz (SBK) und die Schweizer Diözesen haben vor über zwei Monaten ein neues Kommunikationsnetzwerk gegründet. Es trägt den Namen COMDIO. Informationen darüber zu erhalten, ist kaum möglich. Weder die Römisch-Katholische Zentralkonferenz (RKZ), Landeskirchen noch die grossen katholischen Verbände der Schweiz wissen bisher etwas von der Existenz des Kommunikationsnetzwerkes.

COMDIO statt Medienkommission

Rückblick: Die seit den 1970er Jahren bestehende Medienkommission der Schweizer Bischofskonferenz wurde zum 31. März 2023 aufgelöst. In einem Brief der SBK vom Februar hiess es: Die SBK sei zu dem Schluss gekommen, dass es «keine triftigen Gründe» mehr für eine nationale Medienkommission gebe. Zum Zeitpunkt der Auflösung hiess das Gremium «Kommission für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit». Ihr letzter amtierender Präsident war Mariano Tschuor.

Mariano Tschuor war der letzte Präsident der Kommission für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit.
Mariano Tschuor war der letzte Präsident der Kommission für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit.

Die Bischofkonferenz begründete die Auflösung folgendermassen: Die «mediale Präsenz der Bischöfe bzw. der Katholischen Kirche» sollten künftig «angemessener auf diözesaner bzw. sprachregionaler Ebene» angegangen werden. Dafür sei ein «aggiornamento der Kommunikationsstrategien» nötig, so Felix Gmür und Davide Pesenti im Brief vom 16. Februar an die Kommission.

Im April teilte die Schweizer Bischofskonferenz die Gründung des Netzwerkes COMDIO mit. Dieses bestehe «aus einem Dutzend Kommunikationsfachleuten und Experten für bestimmte Themen, die bei Bedarf herangezogen werden können». Welche Personen Teil des Netzwerks sind, wurde nicht kommuniziert. Ebenso was die genauen Aufgaben sind.

Kommunikation als Verteidigung

Laut Julia Moreno, Kommunikationsbeauftragte der SBK und damit Kommunikations-Chefin der Bischöfe, handelt es sich bei den Mitgliedern um die Kommunikationsbeauftragten der Bistümer und Territorialabteien. «Sie sind es, die ihre jeweiligen Bischöfe kennen, betreuen und verteidigen», schreibt Julia Moreno auf Anfrage von kath.ch.

Wie Recherchen zeigen, plant COMDIO regelmässige Treffen zur Ausarbeitung einer Strategie für anstehende Projekte und Herausforderungen. So soll in Hintergrundgesprächen ein journalistisches Netzwerk aufgebaut werden. Ausserdem wird ein «Argumentarium» erarbeitet, das den Kommunikationsbeauftragten helfen soll, auf die «üblichen kritischen Fragen» aus der Presse mittels vorbereiteter Antworten zu reagieren.

Julia Moreno hat ein anderes Verständnis von Kommunikationsarbeit als Nicolas Betticher und Simon Spengler
Julia Moreno hat ein anderes Verständnis von Kommunikationsarbeit als Nicolas Betticher und Simon Spengler

Eine Auflistung der Mitglieder des COMDIO-Netzwerkes zu erhalten, gestaltet sich schwierig. Erst nachdem kath.ch selbst recherchiert und eine Liste mit Namen zusammenstellt, bestätigt Moreno diese. Die Kommunikationsbeauftragte der SBK nennt auf Nachfrage schliesslich drei weitere Namen. Zwei weitere Personen von «Jura pastoral», bleiben trotz mehrmaliger Nachfrage, namenlos. Ein Anruf bei «Jura pastoral» bringt ebenfalls kein Ergebnis. Am Telefon heisst es: Ob man die Namen der Öffentlichkeitsverantwortlichen bekannt geben dürfe, müsse erst intern abgeklärt werden. Der versprochene Rückruf erreicht kath.ch schliesslich nach Veröffentlichung des Artikels.* «Jura pastoral» erklärt, dass zwei Personen, nicht drei, Teil des Netzwerkes wären.

«Abschottungshaltung völlig unprofessionell»

Der Generalsekretär der RKZ, Urs Brosi, betrachtet die kommunikative Einigelung mit Sorge. Bereits im Februar hatte Brosi die Auflösung der Medienkommission in einem Statement auf kath.ch bedauert. Darin hatte er auf die Bedeutung der kirchlichen Öffentlichkeitsarbeit hinsichtlich der Veröffentlichung der nationalen Missbrauchsvorstudie im September hingewiesen. Gegenüber kath.ch sagt Brosi nun, dass er von der Existenz COMDIOs bisher nichts gewusst habe. «Ein diözesanes Kommunikationsnetzwerk ist durchaus sinnvoll», findet Brosi. «Aber für die Entwicklung einer Kommunikationsstrategie sollte es eine Zusammenarbeit mit den Landeskirchen und Verbänden geben».

Simon Spengler von der Katholischen Kirche im Kanton Zürich.
Simon Spengler von der Katholischen Kirche im Kanton Zürich.

Inhaltlich ähnlich, aber schärfer im Ton äussert sich Simon Spengler von der Katholischen Kirche im Kanton Zürich. «Die Abschottungshaltung ist völlig unprofessionell», sagt der Bereichsleiter Kommunikation. «In wichtigen Landesteilen wie zum Beispiel im Kanton Zürich läuft die Kommunikation hauptsächlich über die Landeskirchen.» In Zürich leben 370’000 Katholiken und Katholikinnen. Spengler, der früher selbst bei der SBK tätig war, findet es «unverständlich, dass sie das Potential der Kommunikationsstellen der Landeskirchen nicht ausschöpfen wollen». Er sagt weiter: «Wer meint, kritische Medienfragen mit vorgefertigten Textbausteinen abfertigen zu können, hat von Kommunikation nicht viel begriffen. Die funktioniert nicht wie ein Lego-Baukasten.»

«Unschöner Beigeschmack»

Auch katholische Verbände zeigen sich irritiert. Moritz Bauer vom Jugendverband «Jubla» ist es ein Anliegen, dass die Kirche zielgruppengerecht und zeitgemäss kommuniziert. Er sagt: «Kommunikationsarbeit braucht neben der externen Fachexpertise auch ›Checks and Balances’ in Form von kritischen Fragestellungen; sie ist eben kein Verkündigungsdienst.» 

Sarah Paciarelli findet, das neu gegründete Kommunikationsnetzwerk wäre eine Gelegenheit gewesen, echte Synodalität zu leben.
Sarah Paciarelli findet, das neu gegründete Kommunikationsnetzwerk wäre eine Gelegenheit gewesen, echte Synodalität zu leben.

Sarah Paciarelli vom «Katholischen Frauenbund» äussert sich ebenfalls bedauernd. Sie findet, «das neu gegründete Kommunikationsnetzwerk wäre eine gute Gelegenheit gewesen, den dualen Charakter der Katholischen Kirche Schweiz zu stärken und echte Synodalität zu leben.» Sie erinnert daran, dass die SBK die Auflösung der Medienkommission damit begründete, künftig zeitgemässer kommunizieren zu wollen.

«Wenn das neu gegründete Netzwerk primär aus Kommunikationsmitarbeitenden der Bistümer besteht, wäre das alles andere als zeitgemäss. Besonders in Hinblick auf die Missbrauchsstudie, die im September publiziert wird, hat die Zusammensetzung des Netzwerks einen unschönen Beigeschmack», schreibt Paciarelli in einem Statement an kath.ch.

* In einer ersten Version des Artikels hiess es: Der versprochene Rückruf bleibt aus. Geändert am 21.07.2023 um 08.30.

Folgende Kommunikationsbeauftragte sind Teil des Netzwerkes:

Schweizer Bischofskonferenz

Julia Moreno

Sebastian Schafer

Diözesen

Nicole Jörg (Basel), Barbara Melzl (Basel)

Nicole Büchel (Chur)

Laure-Christine Grandjean (LGF)

Luca Montagner (Lugano)

Pierre-Yves Maillard (Sion)

Sabine Rüthemann (St. Gallen), Isabella Awad (St.Gallen)

Kommunikationsteam des «Jura pastoral»

Élodie Steen

Jean-Claude Boillat

eine weitere Person?

Territorialabteien

Marc Dosch (Einsiedeln)

Olivier Roduit (St. Maurice)

Das Kommunikations-Netzwerk COMDIO ist online bisher nicht auffindbar.


Julia Moreno ist die Kommunikationsverantwortliche der Schweizer Bischofskonferenz. | © Raphael Zbinden
20. Juli 2023 | 16:30
Lesezeit: ca. 4 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!