Kardinal Kurt Koch predigt in Saignelégier.
Vatikan

Kardinal Koch kritisiert deutsches Ökumene-Papier

Katholische und evangelische Kirche in Deutschland wollen verstärkt mit einer Stimme sprechen, heisst es in einem neuen Papier. Für den «Ökumene-Minister» des Vatikans ist das zu wenig: Er kritisiert einen Mangel an Klarheit: «An keiner Stelle wird gesagt, was man sich unter dieser vollen Einheit vorstellt».

Der «Ökumene-Minister» des Vatikans kritisiert das neueste Ökumene-Papier von Deutscher Bischofskonferenz und Evangelischer Kirche in Deutschland (EKD). Er vermisse darin «Klarheit über das ökumenische Ziel», sagte Kardinal Kurt Koch in einem Interview des Online-Portals «communio.de» (Freitag): Das Dokument halte zwar fest, dass es keine volle Kircheneinheit gebe, es werde aber «an keiner Stelle gesagt, was man sich unter dieser vollen Einheit vorstellt und wie der Prozess, der im Dokument beschrieben wird, auf dieses Ziel hinführen kann».

«Ängstlichkeit gegenüber Einheit»

Wenn in dem Dokument von Einheit gesprochen werde, werde sogleich zurecht darauf hingewiesen, dass damit nicht Einheitlichkeit gemeint sein könne. Andererseits werde die Gefahr eines Umschlagens von Vielfalt in einen puren unverbundenen Pluralismus nicht gesehen. «Mir scheint, dass es in diesem Dokument eine Vorliebe für Vielfalt und eine Ängstlichkeit gegenüber Einheit gibt. Hier wäre ein besseres Gleichgewicht angebracht», so der Präfekt des römischen Dikasteriums zur Förderung der Einheit der Christen.

Ökumenisches Beten für die Ukraine: Bischof Joseph Bonnemain in Bern.
Ökumenisches Beten für die Ukraine: Bischof Joseph Bonnemain in Bern.

Koch begrüsste zugleich die in dem Dokument festgehaltene Selbstverpflichtung der beiden Kirchen, vor wichtigen Entscheidungen den Dialog zu suchen. Tatsächlich zeigten sich gerade in ethisch umstrittenen Fragen wie etwa Sterbehilfe oder Abtreibung immer häufiger Spannungen, die einen intensiveren Dialog verlangten: «In früheren Jahrzehnten hiess das Leitmotiv in der Ökumene: Glaube trennt, Handeln eint. Heute jedoch müssen wir eher das Gegenteil festhalten.»

Neue Differenzen in der Ethik

Man sei sich in vielen Glaubensfragen näher gekommen, dafür gebe es neue Differenzen auf ethischem Gebiet. Damit müsse sich die Ökumene noch stärker befassen – denn wenn die Kirchen in Grundfragen des Lebens und Zusammenlebens nicht mit einer Stimme sprächen, werde «die christliche Stimme in den säkularen Gesellschaften Europas immer schwächer», warnte Koch.

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Ökumene ausweiten

Mit Blick auf die Zukunft rief er dazu auf, Ökumene nicht – wie in dem neuen Papier – auf den Dialog zwischen katholischer und evangelischer Kirche zu begrenzen, sondern auch Orthodoxe, Orientalen und Freikirchen stärker in den Blick zu nehmen.

In dem Papier von Mitte März unter dem Titel «Mehr Sichtbarkeit in der Einheit und mehr Versöhnung in der Verschiedenheit» hatten die beiden grossen Kirchen in Deutschland angekündigt, sie wollten künftig häufiger mit einer Stimme auftreten. Es gehe um eine «sichtbare Einheit in versöhnter Verschiedenheit». (kna)

Interview bei communio.de im Wortlaut


Kardinal Kurt Koch predigt in Saignelégier. | © zVg
19. April 2024 | 15:00
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