Bischof Joseph Bonnemain unterschreibt den neuen Verhaltenskodex am 5. April 2022.
Schweiz

«Im Einklang mit unserem katholischen Glauben»: Bischof Joseph Bonnemain bekräftigt Verhaltenskodex

Der Bischof von Chur, Joseph Bonnemain, reagiert auf die Kritik am Verhaltenskodex. Er erwarte, «dass alle Seelsorgenden und kirchlichen Mitarbeitenden den Verhaltenskodex annehmen und sich dementsprechend verhalten», stellt Bonnemain in einem Schreiben klar. Relativierungen oder Änderungen seien unzulässig.

Sarah Stutte und Raphael Rauch

Seit dem Weltfrauentag 2022 gibt es im Bistum Chur eine Debatte rund um den neuen Verhaltenskodex. Am 8. März 2022 eröffnete die Präventionsbeauftragte des Bistums Chur, Karin Iten, einem überraschten Publikum in der Zürcher Paulus-Akademie, wie weitreichend der neue Verhaltenskodex des Bistums Chur sei. Er hält zum Beispiel fest: Priester dürfen im Beichtstuhl nicht mehr nach Sex fragen.

Der «Churer Priesterkreis» benimmt sich wie ein angeschossenes Wildschwein

Seit dem letzten Weltfrauentag sorgte der Verhaltenskodex immer wieder für Diskussionen. Konservative Geistliche aus dem Churer Priesterkreis liefen Sturm. 

Mario Pinggera ist Pfarrer in Richterswil.
Mario Pinggera ist Pfarrer in Richterswil.

In Erinnerung geblieben ist von der damaligen Debatte vor allem das Diktum von Pfarrer Mario Pinggera, wonach sich der Churer Priesterkreis wie ein angeschossenes Wildschwein benehme. Den reaktionären Priestern gehe es nicht um den Verhaltenskodex, sondern um den verlorenen Einfluss nach der Ernennung von Joseph Bonnemain zum Bischof von Chur.

Rudolf Nussbaumer giesst Öl ins Feuer

In den letzten Wochen war es ruhig um den Verhaltenskodex geworden. Bis zum 9. Februar, als der Innerschwyzer Dekan Rudolf Nussbaumer in einem Leserbrief im «Boten der Urschweiz» die Debatte neu entfachte. Er forderte Bischof Joseph Bonnemain dazu auf, die Präventionsbeauftragte Karin Iten zu entlassen.

Rudolf Nussbaumer
Rudolf Nussbaumer

Recherchen von kath.ch zeigten, dass die Schwyzer Kantonalkirche den Kritikern des Verhaltenskodex die Möglichkeit gibt, mit Sondervoten und Dubia ihre Bedenken zu Protokoll zu geben. Liberale Katholikinnen und Katholiken fürchteten, dass dadurch der Verhaltenskodex verwässert werde. 

Bischof Joseph Bonnemain lehnt Relativierungen ab

Doch am Mittwoch stellt Bischof Joseph Bonnemain klar: Er erwarte, «dass alle Seelsorgenden und kirchlichen Mitarbeitenden den Verhaltenskodex annehmen und sich dementsprechend verhalten». Wer den Verhaltenskodex um eine «Präzisierung» ergänze, dürfe «nicht dessen Verbindlichkeit relativieren oder seine Kriterien beliebig abändern».

Präsentation des Verhaltenskodex im Bistum Chur: Der Graubereich ist nicht strafrechtlich relevant, der Rotbereich schon.
Präsentation des Verhaltenskodex im Bistum Chur: Der Graubereich ist nicht strafrechtlich relevant, der Rotbereich schon.

Der Bischof wolle dazu ermutigen, die Präventionsbemühungen zu unterstützen: «So tragen wir alle dazu bei, dass die Frohbotschaft glaubwürdig verkündet wird und unser katholischer Glaube die Herzen der Menschen erreicht.»

Kulturwandel im kirchlichen Miteinander

In der Mitteilung findet der Bischof von Chur einen persönlichen Ton: «Ich habe als Erster den Verhaltenskodex unterschrieben. Von der Qualität dieses Instruments der Prävention bin ich überzeugt.» Ebenso sei er überzeugt, dass der Verhaltenskodex des Bistums Chur im Einklang mit «unserem katholischen Glauben» stehe. 

Der Verhaltenskodex des Bistums Chur.
Der Verhaltenskodex des Bistums Chur.

Laut Bonnemain kommt es nicht auf die reine Unterschrift an, sondern auf eine Auseinandersetzung mit dem Inhalt des Verhaltenskodex: «Es geht um die Verinnerlichung seiner Botschaft und um die Bereitschaft, sich im kirchlichen Umfeld professionell zu verhalten: frei von jeglichem Machtmissbrauch, wie auch von sexuellem und spirituellem Missbrauch. Alle im Verhaltenskodex formulierten Handlungsanweisungen verfolgen dieses Ziel, einen Kulturwandel im kirchlichen Miteinander.»

Bonnemain verweist auf die Richtlinien der Bischofskonferenz

Zugleich verweist Bischof Joseph Bonnemain auf die Schweizer Bischofskonferenz. Deren Richtlinien halten fest, dass jedes Bistum ein Präventionskonzept habe. Auf dessen Grundlage würden «praktische Verhaltenskodizes und Standards» erarbeitet, die «Gegebenheiten der einzelnen Institutionen, Stellen und lokalen Strukturen berücksichtigen».

Der Zürcher Generalvikar Luis Varandas (links) und sein Bündner Kollege Jürg Stuker unterschreiben den Verhaltenskodex.
Der Zürcher Generalvikar Luis Varandas (links) und sein Bündner Kollege Jürg Stuker unterschreiben den Verhaltenskodex.

Dieser Hinweis liest sich wie eine Antwort auf Nussbaumers Vorwurf, wonach der Verhaltenskodex des Bistums Chur viel weiter gehe als das Schutzkonzept der Bistümer Basel und St. Gallen. Folgt man der Selbstverpflichtung der Bischofskonferenz, reicht aber ein Schutzkonzept allein nicht aus – sondern erfordere Massnahmen. Wie einen Verhaltenskodex im Bistum Chur.


Bischof Joseph Bonnemain unterschreibt den neuen Verhaltenskodex am 5. April 2022. | © Christian Merz
15. Februar 2023 | 18:03
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